Wir in Christo – Christus in uns
Die Bibel geht in der Art und Weise, wie sie die Wahrheiten mitteilt, eigene Wege.
Wundern wir uns darüber, dass in den Reihen gebildeter Menschen manchmal Männer zu finden sind, die in der Auslegung der Schrift schwerwiegende Fehler machen? Dass sie gewisse Teile der Bibel verwerfen? Dass sie Modernisten und Skeptiker sind?
Der Geist des Menschen ermüdet sich an philosophischen Erklärungen und kann die Dinge Gottes doch nicht begreifen. «Der natürliche, nicht wiedergeborene Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird» (1. Kor. 2,14).
Zum Verstehen der Dinge Gottes ist zweierlei erforderlich: die neue Natur und der Heilige Geist. Deshalb vermögen nur Kinder Gottes, also solche, die wiedergeboren sind und den Heiligen Geist empfangen haben, die Wahrheiten des Wortes Gottes zu begreifen, und diese Erkenntnis erfüllt ihre Seele mit Trost und Kraft. Durch Gnade können sie sagen: «Wir aber haben Christi Sinn» (1. Kor. 2,16), das heißt, die Fähigkeit der neuen Natur zum Verstehen geistlicher Dinge.
Wir in Christo
Wenn wir daher von dem Ausdruck: «in Christo» reden, so haben wir nicht nötig, ihn zu zergliedern und Vermutungen anzustellen, was er wohl bedeuten könnte. Er übermittelt der Seele des Gläubigen eine gesegnete Wahrheit und belehrt ihn über eines seiner kostbaren Vorrechte.
«Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind» (Röm. 8,1). Wie könnte Verdammnis sein für die, welche in einem auferstandenen Christus vor Gott sind? Sein Platz bestimmt unseren Platz. Wir sind in Ihm, und zwar so, wie Er ist. Welch vollkommene Antwort auf die Frage am Ende des 7. Kapitels: «Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?» Der Gläubige befindet sich in einer neuen Stellung, frei von jeder Anklage der Sünde, der Schuld und dergleichen Dinge, die ihn ins Gericht bringen könnten. Beachte nun folgenden Gegensatz: «Gleichwie in dem Adam alle sterben, also werden auch in dem Christus alle lebendig gemacht werden» (1. Kor. 15,22). Wir alle hatten Verbindung mit Adam, dem ersten Menschen, von dem das natürliche Leben, das wir in dieser Welt leben, herrührt. Der Gläubige hat nun aber Verbindung mit dem letzten Adam, mit Christo, von dem er geistliches Leben empfängt – ewiges Leben.
«Wenn jemand in Christo ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden» (2. Kor. 5,17). Die alte Adamsnatur wurde nicht verbessert; etwas ganz Neues ist entstanden. Wir gehören nun zu der neuen Schöpfung, in der alle Dinge von Gott sind. Das, was vom Menschen und vom Fleisch ist, hat darin keinen Platz. Sie ist eine neue Ordnung von Dingen, für die Christus das Muster und das Haupt ist. Der Gläubige ist nun Gottes Gerechtigkeit geworden in Ihm.
Im Epheserbrief wird uns über die Segnungen, die uns aus der Stellung «in Christo» hervorfließen, weitere Belehrung gegeben. Dort wird hervorgehoben, dass es Gottes eigene, unumschränkte Gnade ist, die zum Preise Seiner Herrlichkeit wirksam war. Wir finden da Ausdrücke wie: «Reichtum seiner Gnade», «Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen», «der überschwengliche Reichtum seiner Gnade», die uns zeigen, wie Gott uns gegenüber Seine Freude darin findet, Seinem eigenen Wesen entsprechend zu handeln.
Wir werden dort in die vergangene Ewigkeit zurückversetzt und erkennen, dass wir schon vor Grundlegung der Welt «in Christo auserwählt» worden sind. – Welch wunderbare Tatsache! – Und das mit dem Zweck, dass wir heilig und tadellos seien vor Ihm in Liebe. Es ist, wie wenn der Geist Gottes nach Ausdrücken suchte, um die Gnade Gottes besonders eindrücklich zu beschreiben, wenn Er sagt, dass Gott uns «begnadigt hat» («angenehm gemacht hat»), in keiner geringeren Person als «in dem Geliebten», dem einzigartigen Gegenstand der Liebe Gottes!
Sind wir durch irgendwelche eigene Anstrengungen zu diesen Segnungen gelangt? Weit entfernt davon! Es ist Gottes unumschränkte Gnade, die uns aus unserem verderbten Zustand herausgeholt und uns in Christo vor Sich selbst hingestellt hat. Er tat es nicht nach unseren armen Gedanken, sondern «nach dem Reichtum seiner Gnade», in der Er uns mit dem Christus lebendig gemacht und mitauferweckt hat und mitsitzen ließ in den himmlischen Örtern in Christo Jesu.
Das sind gegenwärtige Tatsachen. Wir wissen wohl, dass der Augenblick, wo wir in verherrlichtem Leibe bei Christo in der Herrlichkeit sein und mit Ihm auf Seinem Throne sitzen werden (Offb. 3,21), noch zukünftig ist. Was wir aber in Epheser 2 vor uns haben, ist jetzt schon wahr. In Christo sitzen wir heute schon in den himmlischen Örtern; das ist unser jetziger Platz. Inwieweit wir dies durch Glauben verwirklichen ist eine Sache für sich, aber wir sind und bleiben «in Christo», das ist unsere hohe Stellung.
Christus in uns
Bevor der Herr diese Welt verließ, sagte Er zu Seinen Jüngern: «An jenem Tage werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin, und ihr in mir und ich in euch» (Joh. 14,20). Er bezog sich dabei auf den «Tag», an dem der Heilige Geist kommen und bei ihnen bleiben würde. Durch den Geist würden sie verstehen, dass Jesus droben, in der Einheit der göttlichen Natur, in dem Vater ist. Sie würden auch erkennen, dass die Gläubigen vor dem Vater droben in Ihm sind, und dass Christus hienieden, vor der Welt, in den Gläubigen wohnt.
Wenn wir daran denken, dass wir in Christo droben sind, heben wir unser Haupt empor und freuen uns solcher Gnade. Denken wir aber daran, dass Er in uns ist, wird uns bewusst, wie schwach nur Er hienieden in uns gesehen wird. Und doch hängen beide Wahrheiten zusammen, so wie jedes Vorrecht mit einer entsprechenden Verantwortung verbunden ist. Auch jetzt schon ist es wahr, dass «Christus in uns» ist, da jeder Gläubige zu einem Teilhaber der göttlichen Natur gemacht worden ist und den Heiligen Geist empfangen hat.
In Römer 8,10 lesen wir: «Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot der Sünde wegen, der Geist aber Leben der Gerechtigkeit wegen.» Ist das nicht eine sehr praktische Wahrheit? Da Christus in uns ist, ist der Leib tot. Die Kraft gegen die Sünde liegt darin, dass wir den Leib für tot halten und dem natürlichen Willen nicht zu wirken erlauben, denn Christus, unser Leben, ist in uns.
«Christus in uns» erinnert uns an die Verantwortung, in unserem täglichen Wandel und Betragen, das Leben und das Wesen Christi zu offenbaren. «Ich bin mit Christo gekreuzigt», sagt Paulus, «und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir» (Gal. 2,20). Er hielt sich also für tot – mit Christo gekreuzigt – und lebte in der Kraft des neuen Lebens, von dem Christus sowohl die Quelle als auch der Gegenstand ist.
Wir dürfen den Höhengrad einer Wahrheit nicht herabsetzen, weil wir ihr nicht entsprechen, sondern müssen Gnade suchen, um in Übereinstimmung mit ihr voranzugehen.
Wie kostbar und wie ausgewogen ist das Wort Gottes, Wenn es mir das Ausmaß meiner Vorrechte und Segnungen in Christo droben enthüllt, die für den Glauben kostbare Wirklichkeiten sind, so zeigt es mir aber auch die Verantwortung, das Leben Christi in einem Pfade der Demut, der Abhängigkeit und des Gehorsams gegenüber dem Willen und Worte Gottes, hienieden auszuleben. Alle meine Quellen sind in Christo, der die Seele in jeder Schwierigkeit und bei jedem Schritt des Weges aufrechtzuhalten vermag.