Der göttliche Urteilsspruch
über den gefallenen Menschen
Der Urteilsspruch, den Gott über Adam und Eva gefällt hat, die sich der Übertretung Seines Gebotes schuldig gemacht hatten, trifft auch uns, ihre Nachkommen. Was Gott zu ihnen sagte, gilt auch für uns.
Sie mussten nun an einem bestimmten Tage sterben, denn Gott hatte ihnen zum voraus gesagt, dass, wenn sie nicht gehorchten, sie gewisslich sterben würden. Es ist wahr, der Tod traf sie nicht sofort. Aber von da an waren sie ihm unterworfen. Die Sünde hatte den Keim des Todes in sie gelegt. Mehr noch, ihr Leben auf der Erde sollte bis zu seinem sicheren Ende von Mühen und Leiden begleitet sein. Es war nicht mehr das glückliche Leben in der Stille und dem Frieden der Unschuld, in welchem sie die Gaben Gottes und Seine Gemeinschaft genießen konnten. Leiden des Körpers und der Seele waren jetzt ihr Teil geworden.
Zum Weibe sprach Gott: «Ich werde sehr mehren die Mühsal deiner Schwangerschaft, mit Schmerzen sollst du Kinder gebären.» Und wirklich, sie hatte fortan in der Mutterschaft besondere, sehr große Schmerzen.
Aber nicht nur das. Gott erstreckte Seinen Urteilsspruch noch auf ein anderes Gebiet: «Nach deinem Manne wird dein Verlangen sein, er aber wird über dich herrschen.» Eva hatte in Unabhängigkeit von Adam gehandelt, als sie auf die Schlange hörte und von der verbotenen Frucht aß. Nun versetzte sie Gott in eine Stellung der Abhängigkeit und Unterwürfigkeit ihrem Mann gegenüber.
Diese Stellung der Frau besteht auch noch unter der Regierung der Gnade, unter welcher wir uns jetzt befinden. Viele Stellen im Neuen Testament erinnern uns daran. «Der Mann ist das Haupt des Weibes», sagt der Apostel Paulus. Und anderswo: «Ich erlaube aber einem Weibe nicht, zu lehren, noch über den Mann zu herrschen» und: «Ihr Weiber seid unterwürfig» (Eph. 5,22-23; 1. Kor. 11,3. 10; 14,34; 1. Tim. 2,11.12).
Heutzutage macht man in der Welt große Anstrengungen, um die Frau aus dem Platz herauszuführen, den Gott in jener feierlichen Gerichtssitzung im Garten Eden ihr zugewiesen hat. Man stellt sich also in Gegensatz zu der Ordnung Gottes. Für die Frau ist es aber das Beste, wenn sie in der Stellung bleibt in die Gott sie versetzt hat. Sie hat in gleicher Weise, wie der Mann, an allen Segnungen teil, die uns in Christo geschenkt sind. Darin besteht kein Unterschied (Gal. 3,28). Aber sie hat auf dieser Erde eine andere Aufgabe als der Mann, und sie übt ihre Tätigkeit in einer andern Sphäre aus. Das Wort Gottes besteht darauf, dass bei ihr Sittsamkeit, Bescheidenheit und Unterwürfigkeit gefunden werden. «Ein Weib, das Gott fürchtet, sie wird gepriesen werden» (Sprüche 31,30).
Zum Manne, zu Adam sprach Gott: «Weil du auf die Stimme deines Weibes gehört und gegessen hast von dem Baume, von dem ich dir geboten und gesprochen habe: Du sollst nicht davon essen, – so sei der Erdboden verflucht um deinetwillen: mit Mühsal sollst du davon essen alle Tage deines Lebens; und Dornen und Disteln wird er dir sprossen lassen, und du wirst das Kraut des Feldes essen. Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zur Erde, denn von ihr bist du genommen. Denn Staub bist du, und zum Staube wirst du zurückkehren!»
Das also ist das Teil des Mannes bis zu seinem Tode: Harte, unaufhörliche und mühevolle Arbeit, verbunden mit allerlei Leiden, damit er das, was für seine Existenz erforderlich ist, verdienen kann. Keiner kann diesem Los entrinnen. Auch die Reichen und die Mächtigen dieser Erde sind von diesem, dem Menschen auferlegten Gesetz der Arbeit nicht befreit. Alle, sowohl Reiche als Arme, Herren und Knechte sind ihm unterstellt, wenn auch die Art der Arbeit und die sie begleitenden Anstrengungen und Mühen ganz verschiedenartig sein mögen. Der Landmann, der Arbeiter, der Gelehrte, der Kaufmann und seine Angestellten, die Minister und die Beamten, alle arbeiten und ermüden sich, denn der Urteilsspruch lautet: «Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen». Das gilt für alle Nachkommen Adams. Will sich jemand diesem Zwang entziehen und ein Leben der Muße und des Genusses führen, ohne selber Hand anzulegen, der straft sich selber: Er wird seiner Vergnügungen satt und kann sich in seinem Leben an nichts mehr freuen. Denn wenn auch die Verpflichtung zu Arbeit und Mühe eine Strafe ist, so hat sie Gott dem Menschen doch zum Guten auferlegt. Arbeit ist eine heilsame Bremse an der Entwicklung der Lüste des Fleisches und des Geistes. Wie tut es dem Fleißigen doch so wohl, sich nach getaner Arbeit auszuruhen! Welche Befriedigung gibt ihm die erfüllte Pflicht! Gott hat die Arbeit verordnet; wer sie vernachlässigt oder flieht, ist ungehorsam. Darum finden wir in der Schrift so viele Vorwürfe und Ermahnungen an die Adresse des Faulen (Sprüche 6,6-11; 24,30-34 usw.).
Aber die Strafe Gottes bleibt spürbar. Überall sehen wir die Folgen des über den Menschen und die Erde verhängten Urteilsspruchs. Diese am Anfang so schöne Erde geriet um der Sünde des Menschen willen unter den Fluch. Vordem brachte sie die zu seiner Erhaltung notwendigen Früchte in reicher Fülle hervor. Ohne Zweifel musste sie der Mensch damals schon bebauen, aber ohne mühsame Arbeit. Er musste sich nicht gegen die Überwucherung des Erdbodens mit Dornen und Disteln zur Wehr setzen. Es gab damals noch keine Pflanzenschädlinge so mancher Art, welche die guten Pflanzen überall da ersticken, wo des Menschen Arbeit sie nicht vertilgt. Er muss kämpfen und immer wieder kämpfen. Alles erinnert an den Fluch Gottes: «Dornen und Disteln wird der Erdboden dir sprossen lassen». Alles weist auf die Sünde des Menschen und ihre Folgen hin. Der Arbeiter verbraucht sich bei seinem Tagewerk; der Wissenschafter, der Ingenieur erschöpft sich in den vielen Stunden der Forschungsarbeit, in welchen er sich bemüht, in die Geheimnisse der Natur einzudringen oder gewisse technische Probleme zu lösen. Die Mattigkeit des Geistes und der Seele, die sich dabei einstellt, erinnert einen jeden an die Folgen der Sünde. Die mühsame Arbeit, die Sorgen ums tägliche Brot, die Krankheiten, das noch schlimmere Leid, das am Herzen nagt – all das sind Auswirkungen der Sünde und in dem Urteilsspruch eingeschlossen, den Gott über Adam und Eva gefällt hat.
Dann kommt das Letzte: Das Sterbelager und der Tod. Gott sagte zu Adam, ohne ihm einen Hoffnungsschimmer zu lassen oder ihm eine direkte Verheißung zu geben: «Bis du zurückkehrst zur Erde, denn von ihr bist du genommen. Denn Staub bist du, und zum Staube wirst du zurückkehren!» Was Er vor dem Fall ausgesprochen hat, erfüllt sich jetzt: «Du wirst gewisslich sterben.» Und auch wir, die Nachkommen Adams, teilen dieses Los; es ist das traurige Erbe, das uns der erste Mensch hinterlassen hat. «In dem Adam sterben alle», und: «Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen und durch die Sünde der Tod» (1. Kor. 15,22; Röm. 5,12). Und so kann also jetzt die Geschichte des Menschen in Adam in drei Worte zusammengefasst werden: «Geborenwerden, leiden und sterben». Wie auch Hiob sagt: «Der Mensch, vom Weibe geboren, ist kurz an Tagen und mit Unruhe gesättigt. Wie eine Blume kommt er hervor und verwelkt; und er flieht wie der Schatten und hat keinen Bestand» (Hiob 14,1.2).
Wir aber kennen mehr als das, was Gott Adam angekündigt hat. Der Tod war für ihn, entsprechend den Regierungswegen Gottes ein Teil des über den Sünder verhängten Gerichts. Aber ist das alles? Nein, die Schrift sagt: «Es ist den Menschen gesetzt, einmal zu sterben, – danach aber das Gericht» (Hebr. 9,27). Der Tod ist also nicht das Ende von allem. Er lässt uns nicht vor dem gerechten Gericht für unsere Sünden entrinnen. Er ist hier auf dieser Erde der Lohn der Sünde, aber er vernichtet den Menschen nicht und führt ihn auch nicht in den Himmel ein. Er ist nicht ein Fegfeuer für die Sünde. Der Mensch hat eine unsterbliche Seele, muss Gott über alles Rechenschaft ablegen und wird empfangen, gemäß den Werken, die er in dem Leibe getan hat. Aber damals war es noch nicht der Ort, um dem Menschen dies zu offenbaren. Für Adam war der Tod das Ende von allem. Es blieb ihm nur ein Lichtschimmer, den sein Glaube erfassen konnte: Ein Geschlecht sollte aus ihm hervorkommen, denn der Same des Weibes sollte ja der Schlange den Kopf zermalmen. Adam glaubte dem Worte Gottes und nannte sein Weib Eva = Leben, denn sie war «die Mutter aller Lebendigen».
Gott gab diesen armen, schuldbeladenen Menschen ein rührendes Zeichen Seiner Güte. Er ist heilig, Er ist gerecht und kann das Böse nicht dulden. Aber Er ist auch gütig und barmherzig und will Sein gefallenes Geschöpf nicht in seinem Zustand lassen. Die Feigenblätter, womit sich der Mensch bekleidet hatte, vermochten seine Nacktheit nicht zu verbergen. Sie trockneten aus und zerfielen. Aber Gott will Adam und Eva helfen. Er macht ihnen Kleidung von Fell und bekleidet sie. Alles, was sie zur Bedeckung ihrer Blöße bedürfen und was ihren Körper gleichzeitig in den neuen Umständen vor der Unbill der Witterung schützt, kommt von Gott. Aber woher kamen diese Felle? Offensichtlich von Tieren, die geschlachtet worden waren. Um der Sünde willen und um die Sünde des Menschen zuzudecken, mussten stellvertretende Opfer dargebracht werden. Gott belehrte den Menschen auf diese Weise, dass er Ihm zukünftig nur auf Grund des Todes eines Stellvertreters nahen durfte, eines Wesens das an seiner Stelle den Tod erlitt. Dieser Tod deckte die Auswirkungen der Sünde zu, und der Mensch war nicht mehr nackt, weder in seinen eigenen Augen, noch in den Augen Gottes. Diese große Wahrheit von der Notwendigkeit eines Opfers, um Gott zu nahen, gab Adam an seine Nachkommen weiter. Daher sehen wir Abel und die Patriarchen Brandopfer opfern. Dieser Beweis der Güte, den Gott diesen beiden armen Schuldigen gab, zeigte ihnen, dass Er sie nicht verlassen würde, wie groß auch ihre Vergehungen waren. Mehr noch, Gott wies durch dieses Bild auf das Opfer des Herrn Jesus, Seines eigenen Sohnes hin, auf Grund dessen unsere Sünden bedeckt worden sind. Unsere Nacktheit, unser sündiger Zustand verschwand unter dem Kleide der Gerechtigkeit, das Gott selber bereitet hat, um uns zu bekleiden. Und so dürfen wir Gott nahen.
Doch bezüglich der Stellung von Adam und Eva war noch nicht alles geregelt. Im Garten Eden war das Todesurteil über sie ausgesprochen worden. Befand sich nicht der Baum des Lebens darin? Durften sie dort bleiben? Durften sie, die zum Tode Verdammten, von dessen Frucht essen, deren Genuss sie unsterblich gemacht hätte? Zudem war Eden der Garten Gottes und nicht ein Ort, der dazu verflucht war, Dornen und Disteln sprossen zu lassen. In diesem Augenblick fasste Gott sozusagen einen feierlichen Entschluss.
«Und Gott sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unser einer.» Hier erscheint wieder der geheimnisvolle Ausdruck «wir», obwohl Gott allein der Sprecher war. Bei der Erschaffung des Menschen sagte Gott: «Lasset uns Menschen machen in unserem Bilde!» Nachdem der Mensch nun gesündigt hat, sagt derselbe Gott: «Er ist geworden wie unsereiner.» Wir haben hier das unergründliche Geheimnis der Dreieinigkeit: Gott in den drei göttlichen Personen Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Aber wenn Gott sagt: «Der Mensch ist geworden wie unsereiner», so will das nicht heißen, in Macht oder in Heiligkeit und Gerechtigkeit. Er fügt bei: «zu erkennen Gutes und Böses». Der Mensch hatte von da an ein Gewissen; er erkannte das Gute und das Böse, aber ohne Glück und Freude, sondern in Elend und Sünde, und er konnte den Garten Eden nicht mehr genießen.
Da tritt die Barmherzigkeit Gottes den Menschen gegenüber wieder in Bewegung, aber gleichzeitig muss auch Seine Gerechtigkeit handeln. Das Paradies ist kein Aufenthaltsort mehr für Adam und Eva und die nachkommenden Sünder. Die schönen Schatten, unter welchen sich unsere ersten Eltern ausruhten, die stillen Wasser, die sie erquickten, sind nicht mehr ihr Teil und können auch nicht das unsere sein. Ein harter und oft undankbarer Boden muss nun bebaut werden. Mühsame Arbeit ist nun unser Los.
Aber denken wir einmal darüber nach, was daraus geworden wäre, wenn Adam im Paradies geblieben und vom Baume des Lebens gegessen hätte. Er hätte ewiglich in Elend und Sünde leben müssen. Gott wollte dies in Seiner Barmherzigkeit nicht zulassen. «Und nun», sagte Gott, «dass er seine Hand nicht ausstrecke und nehme auch von dem Baume des Lebens und esse und lebe ewiglich!» Und Gott schickte ihn aus dem Garten Eden hinaus, um den Erdboden zu bebauen. Das Gericht musste ausgeführt werden; die Quelle des Lebens war für den sündigen Menschen verschlossen. Aber gerade darin zeigte ihm Gott Seine Güte. In Seinen erhabenen Ratschlüssen der Gnade hat Gott für den Menschen ein anderes Paradies bereitet, wo das Böse nicht eindringen kann. Ein neues, unvergängliches Leben ist sein Teil, auf Grund des Opfers Jesu, der uns den Himmel aufgetan hat. In Ihm besitzen wir die Quelle des ewigen Lebens selbst.
Gott schickte also Adam aus dem Garten Eden hinaus. Er vertrieb ihn aus Seiner Gegenwart, von dem Orte der Glückseligkeit, wo der Baum des Lebens war. Und damit der Mensch nicht mehr in dieses Paradies zurückkehren konnte, ließ Gott an dessen Eingang die Cherubim, die Vollstrecker Seiner Gerechtigkeit lagern und die Flamme des kreisenden Schwertes, um den Weg zum Baume des Lebens zu bewahren. So gibt es also für den sündigen Menschen keine Möglichkeit mehr, zu einem Zustand der Unschuld und zu einem Paradies auf dieser Erde zurückzukehren. Es bleibt aber im Grund unseres Wesens ein heißes Verlangen nach Leben und ein brennender Durst nach Glückseligkeit. Wie können sie gestillt werden? In Jesus Christus allein haben wir Frieden, das Leben und die Glückseligkeit. Am Kreuze wurde Er für uns mit dem Schwerte der Gerechtigkeit Gottes durchbohrt (Sach. 13,7). Für den Gläubigen gibt es daher keine Verdammnis mehr. Er kann Gott nahen, das Paradies Gottes steht ihm offen, und er kann vom Baume des Lebens, von Jesus Christus selbst, genießen.