Von der Gegenwart bis zum ewigen Zustand (Teil 1)

Von der Gegenwart
bis zum ewigen Zustand
(Teil 1)

Ohne einiges Verständnis für die Wege Gottes gegenüber den Menschen in den verschiedenen Zeitepochen, die man Haushaltungen nennt, wird es uns nie möglich sein, «das Wort der Wahrheit recht zu teilen» (2. Tim. 2,15). Wenn wir zum Beispiel gewisse Stellen der Propheten, die von früheren oder zukünftigen Wegen Gottes gegenüber Israel reden, auf die Versammlung Gottes oder Kirche anwenden, rufen wir eine bedauerliche Verwirrung hervor, indem wir so einen großen Teil der Schriften des Alten Testamentes unrichtig auslegen. Um sich zu überzeugen, dass diese Verwirrung in der Christenheit besteht, genügt es, einen Blick auf die Kapitelüberschriften in den älteren Bibelübersetzungen zu werfen, wo fortwährend das, was die Propheten auf Israel beziehen, auf die Kirche angewandt wird.

Im weiteren ist es gut, beim Studium der Prophetie und allen andern Wahrheiten des Wortes nicht aus dem Auge zu verlieren, dass wir dabei der Führung und der Unterweisung des Heiligen Geistes bedürfen. Er allein vermag uns die Schriften zu öffnen und sie zur Verherrlichung Gottes und zu unserem eigenen Gewinn zu erklären. Die Worte «und sie werden alle von Gott gelehrt sein» (Joh. 6,45) bilden zu jeder Zeit einen wichtigen Grundsatz. Nur so werden wir vor den Spekulationen und der Einbildungskraft des menschlichen Geistes, welchen gerade gebildete Leute so oft verfallen, bewahrt bleiben.

Die Prophetie, wie überhaupt die ganze Schrift, hat die Person Christi zum Mittelpunkt. Alle Wege und alle Ratschlüsse Gottes führen zu Ihm hin. Gott hat sich vorgesetzt, alle Dinge in Christo zusammenzubringen, das was in den Himmeln und das was auf der Erde ist (Eph. 1,10). Der Apostel Petrus sagt uns, dass keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist (2. Petr. 1,20), das heißt, sie darf nicht von der Gesamtheit der Gedanken und Ratschlüsse Gottes abgesondert werden, deren schließliches Ziel darin besteht, Christum zu erheben, Ihn mit Herrlichkeit und Ehre zu krönen und Ihn über die Werke Seiner Hände zu setzen.

Durch die Gnade Gottes wird der Christ, dessen Herz auf alles, was Christum verherrlicht, ansprechen soll, über die Reihe der Ereignisse, welche die Aufrichtung Seines Reiches vorbereiten, im voraus unterrichtet. Als Sohn des Menschen wird Er über die Welt herrschen bis zum Tage, wo Er, nachdem jeder Feind vernichtet und Christi Zwischenherrschaft abgeschlossen ist, das Reich freiwillig Seinem Vater übergibt, damit Gott alles in allem sei.

Schließlich ist das Studium der prophetischen Wahrheiten, das oft, und sogar auch seitens ernstgesinnter Personen, vernachlässigt wird, von großer Bedeutung, weil es uns zeigt, was die Welt ist und was ihr Ende sein wird. Dieses Studium wird daher beitragen, jeden Christen von dem Geiste und den Grundsätzen des gegenwärtigen Zeitlaufs, der in großer Eile dem Endgericht zustrebt, zu lösen.

Möge uns Gott durch den Heiligen Geist hinsichtlich Seines Wortes Erleuchtung und Belehrung geben, damit wir es Seinem Werte gemäß einschätzen und sowohl aus seinen prophetischen Teilen, wie auch aus seinen anderen Wahrheiten, die sich unmittelbarer auf unsere Umstände anwenden lassen, Nutzen ziehen.

1. Die gegenwärtige Haushaltung der Gnade

Die gegenwärtige Haushaltung der Gnade, die nun schon mehr als 1900 Jahre dauert, kann von einem Augenblick zum andern abgeschlossen werden. Doch können wir das Datum dieses Ereignisses nicht festsetzen, weil die Schrift bezüglich des Endes dieser Haushaltung keine Angaben macht. Das Kommen des Herrn, auf das wir später ausführlicher zurückkommen werden, wollen wir hier zunächst nur kurz zusammenfassen.

Der Herr kommt zuerst für die Seinen; später in Herrlichkeit und Macht mit den Seinen. Zwischen diesen beiden Ereignissen wird eine gewisse Zwischenzeit verstreichen. Wenn Er für die Seinen kommt, wird Er, soweit wir aus der Schrift ersehen können, von der Welt nicht gesehen werden. Er wird dabei nicht auf die Erde kommen, sondern «in die Luft». Wenn Er dann aber MIT den Seinen kommt, wird jedes Auge Ihn sehen und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme des Landes (oder «Geschlechter der Erde», Offb. 1,7), denn Er wird zum Gericht kommen. Seine Füße werden an jenem Tage auf dem Ölberge stehen (Sacharja 14,4).

Wir werden die Prophezeiung nie richtig verstehen, wenn wir nicht erkennen, dass die gegenwärtige Haushaltung der Kirche eine deutlich unterschiedene Einschaltung ist, welche die Wege Gottes gegenüber Israel, als Nation, unterbricht. Dieses Volk nimmt sowohl in der Vergangenheit, wie auch in der Zukunft, in den Wegen Gottes einen ganz besonderen Platz ein. Gott hatte den Vätern – Abraham, Isaak und Jakob – Verheißungen gegeben und sie gegenüber ihren Kindern erfüllt. Er hat aus Ägypten einen Weinstock gezogen und ihn in das Land Kanaan verpflanzt (Psalm 80,8); Er erwartete, dass Sein Weinberg Trauben brächte, aber er brachte nur Herlinge (Jesaja 5,2). Zur bestimmten Zeit kam Christus als der wahre Weinstock, der wahre Messias, der wahre König Israels. Er kam in das Seinige, und die Seinigen – Sein Volk – nahmen Ihn nicht an (Joh. 1,11). Ja, noch weit mehr, sie warfen Ihn zum Weinberg hinaus und töteten Ihn. Und auch daran ließen sie sich nicht genügen: Als der Heilige Geist an Seiner Statt herabgesandt wurde, widerstanden sie Ihm und handelten wie ihre Väter; durch Stephanus sandten sie sozusagen eine Gesandtschaft hinter Jesus her, um Ihm zu erklären: «Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche» (Luk. 19,14).

Aber diese große Feindseligkeit hat die Hilfsquellen Gottes in keiner Weise erschöpft; Er hat etwas viel Erhabeneres als alle die Segnungen, die Israel als Volk im Lande Kanaan genießen konnte, eingeführt. Diese ganz neue Sache war die Versammlung Gottes, die «Sammlung» eines Volkes aus allen Nationen, dessen Berufung und Hoffnung nicht mehr – wie diejenigen Israels – irdisch, sondern dem Wesen nach ausschließlich himmlisch sind. Sobald Christus, das Haupt, Seinen Platz im Himmel eingenommen hatte, kam der Heilige Geist am Pfingsttage hernieder und bildete auf der Erde einen Leib, der aus vielen Gliedern zusammengesetzt ist, und vereinigte ihn mit diesem verherrlichten Haupte im Himmel.

Es ist also offensichtlich, dass Gott nach der Verwerfung Christi Seine Beziehungen zu Israel als Nation für eine Zeit unterbrochen hat. Israel ist zum Teil Verstockung widerfahren, die andauert «bis die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird» (Römer 11,25). Somit hat also die Versammlung Gottes auf der Erde am Pfingsttage begonnen, und endet beim Kommen des Herrn. Die Kirche bildet, wie schon gesagt, eine Einschaltung in den Wegen Gottes gegenüber Israel als Nation. Sobald diese Einschaltung durch das Kommen des Herrn abgeschlossen ist, wird sich Gott von neuem mit Seinem alten Volke beschäftigen. Dann wird ganz Israel – nicht nur einzelne Personen wie heute – sondern das Volk als Nation, der ganze Überrest, gerettet werden (Römer 11,26).

Wenn der gegenwärtige Zeitabschnitt als eine Einschaltung betrachtet wird, werden viele Stellen der Schrift, die sonst unverständlich wären, völlig klar. Zum Beispiel Matthäus 10,23: «Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende sein, bis der Sohn des Menschen gekommen sein wird.» Die Verkündigung des Reiches Christi, zu welcher die Jünger vom Herrn ausgesandt wurden, wird durch den gläubigen Überrest Israels wieder aufgenommen, und zwar in den Tagen, die dem Kommen des Herrn folgen, das die gegenwärtige Zeitepoche mit der Entrückung der Heiligen abschließt.

Wir lesen auch in Matthäus 24,34: «Wahrlich ich sage euch: dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis alles dieses geschehen ist.» Dasselbe Geschlecht, das einst Jesum als seinen Messias verworfen hat, wird sich am Ende der Zeiten wiederfinden und sich durch den gleichen Unglauben kennzeichnen.

Gedanke:
Wir haben nicht so sehr das Böse in der Welt zu richten, als vielmehr das Gute zu tun. Die Stellung Abrahams verurteilte das Böse besser als die Seelenqual Lots.

2. Das Kommen des Herrn

Die gegenwärtige Haushaltung der Gnade wird, wie schon erwähnt, mit dem Kommen des Herrn für Seine Versammlung ihr Ende finden. Diese kostbare Hoffnung ist nach den Belehrungen des Heiligen Geistes im Worte Gottes die wahre, eigentliche und unmittelbare Hoffnung des Christen. Im ersten Brief an die Thessalonicher, der ersten inspirierten Epistel des Paulus, wird uns mitgeteilt, dass der Apostel das Kommen des Herrn als zu seinem Evangelium gehörend predigte. Diese Predigt hatte dort zur Folge, dass jene einfachen Gläubigen, die noch nicht lange bekehrt waren (auch hatte Paulus nur ungefähr drei Wochen unter ihnen gearbeitet (Apg. 17,2), Gottes Sohn aus den Himmeln erwarteten, «den Gott aus den Toten auferweckt hat – Jesum, der uns errettet von dem kommenden Zorn» (1. Thess. 1,10). Die Errettung vom kommenden Zorn selbst mussten sie nicht mehr erwarten, denn sie besaßen sie ja schon. Aber sie erwarteten Den, der diese Errettung zustande gebracht hat.

Der Schluss von 1. Thessalonicher 4 ist in der Schrift die vollständigste und ausführlichste Darstellung dieses Ereignisses. Das Kommen des Herrn, von dieser Seite betrachtet, wird mit Recht die Entrückung der Heiligen genannt. Sie ist nicht dasselbe wie die sichtbare Offenbarung, das Erscheinen des Herrn in Herrlichkeit. In der Tat, wir finden in der Schrift nirgendwo einen Anhaltspunkt dafür, dass Er bei Seinem Kommen zur Entrückung Seiner Versammlung von der Welt gesehen wird. Als Er zum Himmel hinauffuhr, wurde Er nur von Seinen Jüngern gesehen; nach Seiner Auferstehung ist Er nur Seinen auserwählten Zeugen erschienen, denen Er sich in vielen sicheren Kennzeichen offenbarte (Apostelg. 1,3). Gerade so wird es auch mit uns sein: Wir werden, wie Er, ungesehen aus der Welt verschwinden. Welche Gnade und welches Vorrecht für uns, auch in dieser Hinsicht mit Ihm einsgemacht zu sein!

In dem genannten Abschnitt von 1. Thessalonicher 4 werden die Heiligen in zwei Gruppen eingeteilt: «Die durch Jesum Entschlafenen», und «wir, die Lebenden, die übrigbleiben.» In dieser Stelle wird nicht gesagt, dass der Herr auf die Erde herabsteigen wird; Er wird nur «herniederkommen vom Himmel» und sowohl die Entschlafenen, wie auch die Lebenden, die übrigbleiben, zusammen «dem Herrn entgegen in die Luft» entrücken. Er selbst wird sie in das Vaterhaus einführen.

Die Thessalonicher meinten, die Entschlafenen gingen des Segens Seines Kommens verlustig, und der Apostel belehrte sie hier, dass die Lebenden im Gegenteil den Entschlafenen in keiner Weise zuvorkommen werden. Die Toten in Christo haben bei diesem Ereignis sogar den Vorrang.

Das 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes bestätigt diese Wahrheit: «Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune» (Verse 51.52). Das war, wie wir wissen, eine militärische Gewohnheit. Sobald die Marschkolonne in Reih und Glied bereitstand, ertönte die «letzte Posaune» zum Abmarsch des Heeres.

Es ist bemerkenswert, dass beide Episteln, die wir hier angeführt haben, das Wort «Wir» gebrauchen: «Wir, die Lebenden, die übrigbleiben… wir werden zwar nicht alle entschlafen.» Der Apostel zählt sich also zu denen, die bei der Ankunft des Herrn noch lebend sein werden. In der Tat, die Ankunft des Herrn sollte jederzeit die eigentliche und unmittelbare Hoffnung des Gläubigen sein.

Der Apostel fügt im Brief an die Thessalonicher hinzu: «So ermuntert nun einander mit diesen Worten.» Sind wir durch den Heimgang eines unserer Angehörigen betrübt? Durch Gottes Gnade sind wir es aber nicht in der Weise «wie die übrigen, die keine Hoffnung haben». Die Zeit naht heran, wo alle, die entschlafenen wie auch die lebenden Gläubigen den Ruf zur Sammlung hören und Ihm in die Luft entgegengerückt werden, um allezeit bei dem Herrn zu sein. Ein unaussprechlicher Trost!

Unser Herr selbst hat oft von Seinem Kommen gesprochen: In Lukas 12, 35-36 sagt Er: «Es seien eure Lenden umgürtet und die Lampen brennend; und ihr, seid Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten, auf dass, wenn Er kommt und anklopft, sie ihm alsbald aufmachen.» Die Bereitschaft eines Knechtes, der sozusagen mit der Hand auf der Türklinke wartet, ist die richtige Haltung eines jeden, der den Herrn liebt. Sie zeigt, dass sein Herz Ihm, dem Abwesenden, entgegenschlägt. Vergessen wir es manchmal? Aber wie die Kompassnadel sich aus innerem Antrieb immer wieder auf den Pol einstellt, so wird das normale Streben des Christen sich immer wieder darauf richten, den Herrn von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Wenn auch die Nadel einen Augenblick durch Sturm und Wetter geschüttelt oder zeitweise unter magnetischen Einflüssen abgelenkt wird, so nimmt sie doch bald wieder ihre normale Stellung ein. So ist die Ankunft Christi der Anziehungspunkt, der Pol, der das Herz und das Leben des Christen regiert und regelt, das Ziel und der Endpunkt seiner teuersten Hoffnungen. Möchten unsere Herzen doch immer auf ihren wahren, lebendigen Mittelpunkt ausgerichtet sein!

In Johannes 14, als Jesus im Begriff stand, diese Welt zu verlassen und zum Vater zu gehen, goss Er tröstlichen Balsam in das Herz Seiner betrübten Jünger: «Ich komme wieder», sagte Er, «und werde euch zu mir nehmen.»

Als der Auferstandene und Verherrlichte stellt Er sich im letzten Kapitel der Offenbarung als der glänzende Morgenstern vor die Seinen hin und schließt mit den Worten: «Siehe, ich komme bald.» Wahrlich, das Kommen des Herrn, dieses so wichtige, noch nie dagewesene und außerhalb jeder Berechnung der Wissenschaft stehende Ereignis, ist die glückselige Erwartung der Versammlung Gottes.

Am Grabe des Lazarus sagte der Herr: «Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist; und jeder, der da lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit» (Joh. 11,25.26). Er ist in Seiner eigenen Person der Erstling der Ernte und zugleich auch das Unterpfand dafür, dass sie stattfinden wird. Die Macht des Auferstehungslebens ist in Christo schon entfaltet worden. Er ist die Auferstehung und das Leben. Jetzt fehlt nur noch eines: Er, der Sieger über Tod und Grab, wird aufs neue auf dem Schauplatz erscheinen und diese sieghafte Macht des Lebens nicht mehr, wie heute, auf die Seelen der Seinen, sondern auf ihre Leiber anwenden. Die Gläubigen werden auferweckt, in einem Augenblick verwandelt und bekleidet mit einem Leibe, der Seinem Leibe der Herrlichkeit gleichförmig ist. In Bezug auf diese Tatsache ist kein Irrtum möglich; da ist kein Raum für Ungewissheit. Die Schrift ist gerade in diesem Punkt sehr deutlich. Christus ist jetzt schon unser Leben, und wenn Er kommen wird, werden wir, auch was unsern Leib betrifft, an Seinem Leben völlig teilhaben.

Es ist wahr, die Kirche hat während vieler Jahrhunderte diese Hoffnung und ihren himmlischen Charakter aus den Augen verloren. Bei uns jedoch, die wir die kostbare Hoffnung kennen – was sollte sie bei uns auslösen! Wie groß sollte der praktische Einfluss der Erwartung des unmittelbar bevorstehenden Kommens des Herrn auf unser Leben sein, um es umzugestalten und unsern Wandel inmitten der Versammlung Gottes und vor der Welt zu ordnen!

Die Schrift gebraucht im Zusammenhang mit dem uns beschäftigenden Ereignis vier Ausdrücke: Das Kommen oder die Ankunft (1. Thess. 2,19; 3,13; 5,23), die Erscheinung (2. Thess. 4,1) und die Offenbarung (2. Thess. 1,7; 1. Petri 1,7.13; 4,13).

Seine Erscheinung oder die Erscheinung Seiner Ankunft stellt die feierliche Seite Seines Kommens vor uns, in Verbindung mit unserer Verantwortlichkeit, Ihm hienieden zu dienen und Seine Zeugen zu sein. Mit Seiner Erscheinung ist, so denken wir, auch unser Offenbarwerden vor dem Richterstuhl Christi verbunden (2. Kor. 5,10). Bei jenem Anlass wird «ein jeder empfangen, was er in dem Leibe getan, nach dem er gehandelt hat, es sei gut oder böse.» Dort wird einem jeden sein Platz im Reiche angewiesen werden; dort wird jede Tat, jede Handlung, jedes Werk des Dienstes oder des Zeugnisses nach seinem wahren Wert vom Herrn selbst gewürdigt werden. Darum konnte der Apostel Paulus in seiner letzten Epistel (2. Tim. 4,8) von der «Krone der Gerechtigkeit» reden, «welche der Herr, der gerechte Richter», ihm «geben wird an jenem Tage» (dem Tage unseres Offenbarwerdens), «nicht allein aber mir», so fügt er hinzu, «sondern auch allen, die seine Erscheinung lieben». Das ist die Seite des Kommens oder der Ankunft des Herrn, die wir im allgemeinen in den Briefen an Timotheus und Titus finden; denn sie belehren uns über das Verhalten der Knechte im Hause Gottes auf der Erde und nicht über die Vorrechte, die der Versammlung als dem Leibe Christi geschenkt sind.

Es ist bemerkenswert, dass sowohl das Alte, wie auch das Neue Testament mit dem Kommen Christi schließen.

In Maleachi ist Er die «Sonne der Gerechtigkeit», die aufgehen wird «mit Heilung in ihren Flügeln», um auf der Erde den Tag der Segnung einzuführen und das Volk Israel in seinem Lande als Mittelpunkt der Regierung Gottes wiederherzustellen. Die Offenbarung aber schließt mit dem «glänzenden Morgenstern», der himmlischen Hoffnung des Christen, die ihn während der Nacht der Abwesenheit Christi und Seiner Verwerfung durch die Welt erfüllt. So, wie der treue Überrest Israels auf die Sonne der Gerechtigkeit warten wird, erwarten wir den Morgenstern. Petrus setzt voraus, dass dieser Morgenstern in den Herzen der Gläubigen aufgehe (2. Petr. 1,19).

Obwohl uns die Schrift keineswegs ermächtigt, für das Kommen des Herrn ein Datum festzusetzen, ist es doch wichtig zu erkennen, dass die heutige Zeit dem Charakter der «letzten Tage» entspricht, die der Apostel Paulus in 2. Timotheus 3 beschrieben hat.

Vielleicht sind die äußeren Ereignisse unserer Zeit nicht schlimmer oder bemerkenswerter als die der vorangegangenen Epochen. Als das ehemals allmächtige Römische Reich unter den wiederholten Schlägen der Barbaren zusammenbrach, betrachteten die damaligen Christen jene Ereignisse wohl als die völlige Zerstörung alles dessen, was damals bestand. Sie baten Gott, jenes Reich, das sie unrichtigerweise als Damm gegen die endgültige Entfaltung des Geheimnisses der Gesetzlosigkeit betrachteten, aufrechtzuerhalten.

Beim Vergleich unserer Tage mit früheren Zeiten können wir jedoch feststellen, dass die Gleichgültigkeit in göttlichen Dingen im Geiste der Menschen zugenommen hat. Die Autorität der Schriften ist untergraben worden und als Folge davon macht sich in erschreckender Weise der Unglaube breit. Daran ist vor allem die Bibelkritik schuld, die seit Jahrzehnten von manchen Lehrstühlen herab betrieben wird. In der bekennenden Christenheit haben viele das Licht und die Wahrheit verlassen, um zu abergläubischen Albernheiten oder auch zum Katholizismus zurückzukehren, der sich, um die Seelen anzuziehen und festzuhalten, durch äußeren Prunk seines mit Götzendienst vermischten «Gottesdienstes» an die Sinne richtet.

Zudem hat Satan in diesen letzten Jahrzehnten in der Verbreitung böser Lehren und in der Bildung sektiererischer Systeme eine große Tätigkeit entfaltet, um, wenn möglich, die Grundlagen des Christentums selbst umzustürzen. Wir haben nicht die Absicht, hier eine Liste von diesen verwerflichen Gebilden aufzustellen, die zweifellos der überaus regen Wirksamkeit des Geistes der Lüge zuzuschreiben sind. Obwohl manche von ihnen einen schönen christlichen Namen tragen, sind sie vielmehr Zellen des Antichristentums und eine sich verheerend auswirkende Anstrengung Satans gegen die Wahrheit. Sie greifen den großen, zentralen Gegenstand des Christentums an: die Person Christi, der wahrer Gott und auch wahrer Mensch ist, in einer Person. Um Erfolg zu haben, scheuen sie sich nicht, die Wahrheit zu verfälschen. Ihre Sendboten, die jene großen Irrtümer verbreiten, entfalten einen großen Eifer, um die Welt mit ihren Schriften zu überschwemmen, ein Eifer, der den wahren Arbeitern des Herrn oft fehlt. Und nur zu oft gelingt es dem Feind, durch die Verbreitung seiner bösen Lehren Seelen zu verblenden.

Auf politischem Gebiet ist der Zustand der Welt durch Unruhe und Angst gekennzeichnet. Die Ausgaben für die Rüstungen steigen ins Unermessliche, und die Wirksamkeit der vorhandenen Waffen würde ausreichen, um die ganze Menschheit in unvorstellbar kurzer Zeit zu vernichten. Auch Erdbeben und andere Naturkatastrophen häufen sich.

Ja, viele Anzeichen deuten darauf hin, dass wir in den letzten Tagen stehen. Aber die Ereignisse werden erst dann, wenn der Herr Jesus die Seinen in die Herrlichkeit heimgeholt hat, ihren vollen Lauf nehmen.

Der Christ darf still und bescheiden, abgesondert von der Welt, seinen Weg gehen. Er findet abseits all dieser Dinge in Gott selbst eine unveränderliche und unerschütterliche Hilfsquelle. Sein Leben, seine teuersten Interessen, seine tiefsten Freuden stehen in Verbindung mit dem Himmel. Nichts in der Welt vermag sie ihm zu rauben. Alles scheint auf eine baldige Ankunft des Herrn zur Entrückung der Seinen hinzuweisen. Aber nicht die Ereignisse werden es sein, die die Ankunft des Herrn herbeiführen; vielmehr wird Sein Kommen für die Seinen den Ablauf der Ereignisse, deren Vorläufer wir in unseren Tagen sehen, auslösen.

Der gegenwärtige Zeitabschnitt wird mit der Auferstehung aller Heiligen, die von der Erschaffung des Menschen an bis heute entschlafen sind, und mit der Verwandlung der lebenden Gläubigen sein Ende finden. Die beiden Gruppen werden in dem Augenblick vereinigt, wo sie gemeinsam dem Herrn in die Luft entgegengerückt werden, um allezeit bei Ihm zu sein.

3. Die letzte Jahrwoche Daniels

Die Entrückung der Heiligen ist ein Ereignis erster Bedeutung für die zukünftige Geschichte der Welt. Sie beendet das Zeitalter der Versammlung, das in den Wegen Gottes mit Israel eine Einschaltung darstellt, und ist gleichzeitig das Signal zur Weiterführung des jüdischen Zeitalters.

Nun folgt ein Zustand der Dinge, der manche Ähnlichkeit mit den in den Evangelien geschilderten Umständen aufweist, die unser Herr vorfand, als Er auf die Erde kam. Die Prophetie beschreibt diesen sich entwickelnden Zustand der Dinge genau und mit absoluter Gewissheit, so dass auch der bescheidenste, einfachste Christ, der die göttliche Belehrung annimmt, viel besser weiß, was in der Welt vor sich gehen wird, als der weitsichtigste Politiker, der im Hinblick auf die zukünftigen Ereignisse ausschließlich auf menschliche Mutmaßungen angewiesen ist. Die Weissagung befasst sich mit der Regierung Gottes über die Welt und mit den zukünftigen Ereignissen, die stattfinden werden, wenn Er Seine Wege mit der Welt zum Segen Israels wieder aufnehmen wird, die vor allen Dingen die Einsetzung des Messias als König in Zion zum Ziel haben.

Wir lesen in 5. Mose 32,8: «Als der Höchste den Nationen das Erbe austeilte, als er voneinander schied die Menschenkinder, da stellte er fest die Grenzen der Völker nach der Zahl der Kinder Israels.» Wenn einerseits Gott und Seine Wege und anderseits der Messias den ganzen Inhalt der Prophetie darstellen, so bildet Israel immer den inneren Kreis oder den zentralen Schauplatz, auf dem sich die Wege Gottes entfalten. Es ist das Volk, mit dem der Messias in unmittelbare Beziehung tritt. Außerhalb dieses Kreises werden die Nationen als Werkzeuge und Gegenstände der Gerichte Gottes versammelt, um schließlich, unter Beibehaltung Seiner besonderen Beziehungen zu Israel, der Weltregierung Christi unterworfen zu werden.

Es ist zu beachten, dass sich ein großer Teil des Alten und Neuen Testamentes mit dem Zeitabschnitt befasst, der jetzt Gegenstand unserer Betrachtung ist. Dieser Zeitabschnitt ist viel wichtiger, als seine Kürze vermuten lässt.

Wir wollen zuerst feststellen, was sich unmittelbar nach der Entrückung der Heiligen ereignet, und wie groß der Zeitraum ist zwischen der Entrückung und der Erscheinung des Herrn mit den Seinen in Herrlichkeit. Das Ende von Daniel 9 (Verse 20-27) ist die beste Bibelstelle, die wir wählen können, um diese Fragen zu beantworten. In tiefer Demütigung und mit Gebet und Flehen bekannte der Prophet seine und des Volkes Sünden. Ein solches Verhalten ziemt sich in allen Zeiten des Verfalls, war also auch in jenen Tagen am Platz, wo wegen der Sünden Israels Gottes strafende Hand auf dem Volke lag. Als Antwort auf die Fürbitte Daniels gab ihm Gott durch den Engel Gabriel Verständnis über das «Gesicht». Diese Erklärungen, die in der Schrift nur vier Verse beanspruchen (Verse 24-27), umfassen einen langen Zeitraum. Er beginnt mit dem Befehl, «Jerusalem wieder herzustellen» (Nehemia 2 sagt uns, dass es das 20. Jahr des Königs Artasasta war) und reicht bis zum Endgericht der Nationen, die in den letzten Tagen, vor der Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches Christi, entsprechend den Regierungswegen Gottes, Jerusalem verwüsten werden. Die siebzig Wochen Daniels sind offensichtlich Jahrwochen und werden in drei Zeitabschnitte eingeteilt:

Der erste umfasst 7 Jahrwochen oder 49 Jahre und war zum Wiederaufbau der Stadt, sowie zur Wiederherstellung der «Straßen und Gräben» bestimmt. Der zweite von 62 Jahrwochen oder 434 Jahren, (die beiden zusammen ergeben 69 Wochen oder 483 Jahre), reicht bis auf den Messias, den «Fürsten». Nach diesem (es wird uns nicht gesagt wie lange nachher), «wird der Messias weggetan werden und nichts haben» (Vers 26). Dies geschah, wie wir wissen, durch die Kreuzigung.

Dritter Zeitabschnitt: Von den insgesamt 70 Jahrwochen ist nur eine Woche von 7 Jahren übrig geblieben, die sich noch erfüllen muss.

Die in der Offenbarung beschriebenen Ereignisse beziehen sich vornehmlich auf die zweite Hälfte der Woche und auch der Herr machte eine Anspielung auf diese Zeit, als Er von der «großen Trübsal» sprach. Wie aus der Weissagung Daniels hervorgeht, wurde dem Volke Zeit gelassen, um ihren Messias anzunehmen, und Er selbst verkündete am Anfang Seines Dienstes: «Die Zeit ist erfüllt» (Markus 1,15). Als Jesus kam, waren also die 69 Wochen vorüber; aber nur ein kleiner Überrest inmitten des Volkes nahm Ihn auf. Unter dem Einfluss seiner religiösen Führer verwarf Ihn die große Masse. Gott wird zulassen, dass das Volk an einem kommenden Tage der Täuschung anheimfällt und den Antichrist aufnimmt. Dieser wird sich, wie wir später sehen werden, mit dem Haupt des wiedererstandenen Römischen Reiches, der hier «der kommende Fürst» genannt wird, vereinigen. Dieses kaiserliche Haupt wird für eine Woche «einen festen Bund mit den Vielen schließen», also mit der Masse des jüdischen Volkes.

Wir haben weiter oben gesagt, dass der Überrest den Herrn schon in den dreieinhalb Jahren Seines Dienstes hienieden aufnahm, nicht aber die Nation als ganze. Unter dem Antichrist, wenn das jüdische Volk die erste Hälfte der Jahrwoche durchleben wird, ereignet sich das Gegenteil: die Nation wird den Antichrist aufnehmen, nicht aber der Überrest.

Wie schon angedeutet, ist die gegenwärtige Gnadenzeit, in der die Versammlung gebildet wird, in den 70 Wochen des Daniel nicht inbegriffen. Die Epoche, in der wir leben, der ganze Zeitabschnitt zwischen Pfingsten und der Wiederkunft des Herrn, bildet in den unmittelbaren Wegen Gottes mit Israel eine Einschaltung, ein Zwischenereignis von großer Bedeutung.

Der Zeitraum zwischen der Ankunft des Herrn für Seine Heiligen und Seiner Erscheinung mit ihnen in Herrlichkeit zur Aufrichtung des Reiches, füllt nicht nur die 7 Jahre der letzten Jahrwoche aus, denn diese beginnt erst beim Abschluss des Bundes des römischen Fürsten mit der abtrünnigen Masse der Juden (siehe Daniel 9,27). Nach der Entrückung der Gläubigen verfließt bis zum Beginn dieser Woche eine gewisse Zeit, deren Dauer wir nicht bestimmen können. Auf Grund der Kapitel 6 bis 9 der Offenbarung und anderen Stellen können wir annehmen, dass die Zeitspanne groß genug sein wird, um den jetzigen politischen Zustand völlig umzustürzen. Auch die Abtrünnigkeit, das «Geheimnis der Gesetzlosigkeit», das jetzt schon wirksam ist, wird sich in dieser Zeitspanne wohl weiter entfalten und in den letzten Tagen seinen Höhepunkt erreichen.

Andererseits aber wird vor der Aufrichtung des Reiches auch durch die Verbreitung des Evangeliums des Reiches ein Werk des Heiligen Geistes an den Herzen des Überrestes Israels, wie auch unter den Nationen geschehen, zu denen durch Vermittlung des Überrestes das Licht gelangen wird. Dieses Werk der Gnade wird sowohl die einen wie die andern fähig machen, auf der Erde Gottes Zeugen zu sein und den Christus als Messias aufzunehmen. Dass es sich bei allen diesen Menschen nicht um solche handelt, die in der Jetztzeit das Evangelium der Gnade verwerfen, brauchen wir wohl nicht hervorzuheben.

Wenn wir nun in verschiedenen Fortsetzungen betrachten werden, was sich im Zeitraum zwischen der Entrückung der Gläubigen und der Erscheinung des Herrn in Herrlichkeit ereignen wird, so lasst uns dabei nie aus den Augen verlieren, dass sich die Versammlung dann im Himmel befindet. Jeder wahre Gläubige der gegenwärtigen Haushaltung ist dann beim Herrn im Himmel und wird somit bewahrt «vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, welche auf der Erde wohnen» (Offenbarung 3,10).

Die Juden werden in ihr Land zurückgeführt; aber die Mehrzahl des Volkes wird im gleichen Zustand des Unglaubens sein, wie zu der Zeit, als der Herr hienieden wandelte. Doch wird sich in der Mitte des Volkes ein Überrest bilden, der, von Gott zubereitet, Christum, den wahren Messias, aufnehmen wird. Der Prophet Sacharja (13, 8-9) beschreibt diesen gottesfürchtigen Überrest. Die Abtrünnigen, welche zwei Drittel der Nation ausmachen, werden ausgerottet, «aber», sagte er, «der dritte Teil davon wird übrig bleiben», (d.h. im Lande). «Und ich werde den dritten Teil ins Feuer bringen, und ich werde sie läutern, wie man das Silber läutert, und sie prüfen, wie man das Gold prüft. Es wird meinen Namen anrufen, und ich werde ihm antworten; ich werde sagen: es ist mein Volk; und es wird sagen: ER ist mein Gott.» Dieser Überrest, in dessen Herz der Geist Gottes wirken wird, um ihn zur Buße zu führen, wird durch eine schreckliche Zeit der Trübsal und Verfolgung gehen, deren Bitterkeit durch die tiefe Betrübnis ihrer Herzen im Bewusstsein, dass sie ihren Messias gekreuzigt haben, noch vertieft wird.

Die Rückkehr der Juden in ihr Land, die schon vor Jahrzehnten begann und im Jahre 1948 zur Gründung des Staates Israel geführt hat, ist für uns Gläubige von großem Interesse, doch werden wir die eigentliche Wiederherstellung des Volkes der Juden nicht hienieden erleben; die Wiederkehr Christi für Seine Versammlung ist der Gegenstand unserer Erwartung. Die Mehrzahl des Volkes wird erst nach diesem Ereignis nach Palästina zurückkehren. Nach der Entrückung der Versammlung und der Rückkehr der Juden in ihr Land ist alles für den Ablauf der fürchterlichen Ereignisse bereit, welche die anschließende Zeit und die letzte Jahrwoche des Daniel ausfüllen werden. Dieser Zeitraum findet seinen Abschluss mit dem Erscheinen des Herrn, der das Gericht über die abtrünnigen Juden und die im Unglauben verharrenden Heiden vollstrecken und Sein Volk befreien wird.

4. Das Tier und der falsche Prophet

Bei den Ereignissen des uns beschäftigenden Zeitabschnittes treten nach den Belehrungen der Schrift besonders drei Persönlichkeiten in den Vordergrund: Das Haupt des Römischen Reiches, der Antichrist und der Assyrer. Die beiden ersten werden uns in Offenbarung 13 vorgestellt:

  1. das Haupt des Römischen Reiches unter dem Bilde eines Tieres, das aus dem Meere emporsteigt. Das Meer ist in der prophetischen Sprache das Sinnbild eines Zustandes der Verwirrung und der Anarchie, wie er z. B. während den Tagen der Französischen Revolution geherrscht hat.
  2. Der Antichrist unter dem Bilde eines zweiten Tieres, das aus der Erde aufsteigt.

Das Tier aus dem Meere

Es hat zehn Hörner und sieben Köpfe. Nach Offenbarung 17 sind die sieben Köpfe sieben Berge und die zehn Hörner zehn Könige, die gleichzeitig mit dem Tiere Macht empfangen. Dieses Tier ist – wie oben gesagt – das Haupt des wiedererstandenen Römischen Reiches, dessen Sitz durch die sieben Hügel oder Berge, auf welchen Rom liegt, klar bezeichnet ist. Die Auferstehung oder Wiederbildung des Römischen Reiches, das während so vieler Jahrhunderte seine Herrschaft über die Welt ausgeübt hat, wird für die dann auf der Erde wohnenden Menschen ein bemerkenswertes Ereignis sein, das Verwunderung und Staunen hervorruft.

Es ist wohl unmöglich, die Gebiete, die dazu gehören werden, zu umschreiben; denn die Grenzen des einstigen Imperiums haben sich immer wieder verschoben. Obwohl Karl der Große und auch Napoleon über einen großen Teil Europas und somit auch über Gebiete, die zum Römischen Reiche gehörten, geherrscht haben, waren seine Länder seit seiner Zerstörung durch die barbarischen Horden im 4. und 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung doch nie mehr unter einem einzigen Haupte zusammengefasst. Auch die heutigen Mächte in Europa sind noch nicht einem einzigen Haupte unterstellt, sondern immer noch darauf bedacht, ihre Selbständigkeit wenn möglich weiterhin zu bewahren. Es ist nicht vorauszusehen, welche Umstände zur Zusammenballung der Macht in den Händen eines einzigen Fürsten führen werden.

Wie dem auch sei, es ist klar, dass diese Auferstehung einen offensichtlich satanischen Ursprung haben wird. Das Tier wird «aus dem Abgrund» aufsteigen, «seinen Mund zu Lästerungen wider Gott», gegen Seinen Namen und gegen Sein Volk öffnen und seine Macht unmittelbar von dem Drachen, d. h. von Satan empfangen.

Das Tier «war» und «ist nicht» und «wird da sein» (Offb. 17,8). Zur Zeit, als Johannes dies niederschrieb, existierte es noch, dann aber zerfiel seine Einheit unter einem Haupte. Aber es «wird da sein», es wird wieder in seiner letzten kaiserlichen Regierungsform in Erscheinung treten, mit zehn Königen, die dem Haupte untertan sein werden. Das Tier besteht 42 Monate oder 3½ Jahre, während der zweiten Hälfte der in Daniel 9 erwähnten 70. Jahrwoche.

Auch der Prophet Daniel beschreibt diese Persönlichkeit. Im 7. Kapitel finden wir das vierte Weltreich oder das Römische Reich unter dem Bilde eines Tieres mit 10 Hörnern. Zwischen ihnen steigt ein anderes kleines Horn empor, und drei von den ersten Hörnern werden vor ihm ausgerissen oder ihm unterworfen. Dieses kleine Horn, das Haupt des Römischen Reiches, übt die höchste Autorität über die anderen zehn Könige aus und unterscheidet sich von ihnen durch seine große Durchschlagskraft; es redet große Dinge wider den Höchsten und glaubt, die jüdischen Zeiten und das Gesetz ändern zu können, und diese werden eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit in seine Hand gegeben (Daniel 7,24-25). Auch hier wird, wie in der Offenbarung, ein Zeitabschnitt von 3½ Jahren genannt. Obwohl der Sitz seiner Herrschaft in Rom, im Westen liegt, wird sich dieses Haupt des Reiches mit den Angelegenheiten der Juden befassen, die in jener Zeit nach Palästina zurückgekehrt sein werden.

Aber schließlich wird es sein Gericht aus der Hand des Herrn selbst empfangen: «Aber das Gericht wird sich setzen; und man wird seine Herrschaft wegnehmen, um sie zu vernichten und zu zerstören bis zum Ende.» Dieser Mensch, der in völliger Auflehnung gegen Gott und gegen Seinen Christus war, wird ergriffen und lebendig in die Hölle geworfen werden; es gibt für ihn, wie wir in Offenbarung 19,20 sehen, kein weiteres Gerichtsverfahren mehr.

Der falsche Prophet oder der Antichrist

Diese Persönlichkeit, das in Offenbarung 13 erwähnte zweite Tier, steigt, wie wir schon gesehen haben, «aus der Erde» auf, dem Bilde eines festen und organisierten Zustandes der Dinge, im Gegensatz zu dem aufgewühlten und anarchistischen Zustand, der im «Meer» dargestellt wird. Dieses zweite Tier hat zwei Hörner, wie ein Lamm, aber redet wie ein Drache. Was auch seine Worte sein mögen, jedem geistlich gesinnten, von Gott unterwiesenen Herzen verrät seine Stimme die satanische Herkunft. Es ist eine völlig entstehende Nachahmung des Herrn Jesus Christus. Der Sitz der Macht dieses zweiten Tieres befindet sich in Jerusalem, und es handelt im engen Bündnis mit dem ersten Tier unseres Kapitels, dem kaiserlichen Haupte des wieder zum Leben erwachten Römischen Reiches. Es spielt sich besonders als religiösen Führer auf, doch hat es auch zivile oder politische Macht.

In der gegenwärtigen Zeit übt Christus im Himmel das Priestertum für die Heiligen aus, während sich Satan einer gegensätzlichen Tätigkeit hingibt. Er ist «der Verkläger der Brüder». Wenn aber die in Offenbarung 13 geschilderte Zeit kommt, wird Satan schon vom Himmel herabgeworfen sein (Offb. 12,7-9) und auf der Erde einen Menschen als Stellvertreter haben, einen falschen Propheten, den Antichrist. Dieser hat die Macht, auffällige Wunder zu tun; er lässt sogar Feuer vom Himmel herabkommen wie Elia, als dieser gegen Baal und für den wahren Gott zeugte. Es veranlasst die Menschen, dem ersten Tier ein Bild zu machen und hat Gewalt, dem Bilde Odem zu geben (nicht «das Leben», denn dieses gehört Gott); es bewirkt, dass alle getötet werden, die das Bild des Tieres nicht anbeten.

Es gibt im Alten und im Neuen Testament mehrere Stellen, die sich auf den Antichrist beziehen, und sie zeigen ihn von verschiedenen Seiten. Wir können hier nur einige anführen.

Der Herr selbst sagte zu den Juden: «Ich bin in dem Namen meines Vaters gekommen, und ihr nehmet mich nicht auf; wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen» (Joh. 5,43). Welch feierlich ernste Warnung! Weil sie Den verwarfen, den der Vater ihnen sandte, werden sie in das Netz Satans geraten und an einem kommenden Tage den Widersacher Christi aufnehmen.

In 1. Joh. 2,18 lesen wir: «Kindlein, es ist die letzte Stunde, und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind auch jetzt viele Antichristen geworden». Der Antichrist, der nur in den Briefen des Johannes so genannt wird, ist durch zwei Dinge gekennzeichnet: Erstens leugnet er, dass Jesus der Christus ist, also Seine Beziehung zu Israel als Christus. Zweitens leugnet er den Vater und den Sohn, also die besondere Beziehung der göttlichen Personen zueinander, wie sie im Christentum geoffenbart wurden. Der Antichrist ist demnach die völlige Verkörperung des Unglaubens gegenüber der wesentlichen, in der Schrift geoffenbarten Wahrheit.

In 2. Thessalonicher 2 wird der Antichrist «der Mensch der Sünde», «der Sohn des Verderbens» und «der Gesetzlose» genannt. In ihm wird die ganze List und Verschlagenheit Satans, seine ganze Macht in Erscheinung treten; denn es wird vom Antichrist gesagt (Vers 9): «dessen Ankunft nach der Wirksamkeit des Satans ist, in aller Macht und allen Zeichen und Wundern der Lüge». Er steht im absoluten Gegensatz zum Herrn und Seiner Tätigkeit, der Seine Werke in der Kraft des Heiligen Geistes tat. Christus war nach dem Worte des Petrus an die Juden (Apostelg. 2,22): «ein Mann von Gott an euch erwiesen durch mächtige Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte tat.» Die gleichen drei Ausdrücke, die sich in der zweiten Stelle auf Christo beziehen, werden in der ersten auf den Menschen der Sünde angewandt, doch wird das Wort «Lüge» hinzugefügt, die sich bei ihm auf alle drei Dinge bezieht. Satan ist es, der diese Persönlichkeit als das genaue Gegenstück zu Christo in den Vordergrund stellt, als das Werkzeug seines Betruges und seiner Lüge. Im Garten Eden sagte Satan: «Ihr werdet sein wie Gott», und jener Mensch der Sünde wird «sich selbst erhöhen über alles, was Gott heisst oder ein Gegenstand der Verehrung ist» (2. Thess. 2,4). Er wird keinen Gott anerkennen, und aus Daniel 11,37 geht hervor, dass er auf den «Gott seiner Väter nicht achtet» und an dessen Statt (Vers 38) den «Gott der Festungen ehren» wird.

In den Briefen an die Thessalonicher sehen wir diese Persönlichkeit nicht in ihrem politischen Wesen, auch nicht in ihrer Vereinigung mit der kaiserlichen Macht, sondern in den Zügen eines religiösen Betrügers. Sie wird ihre lügnerischen Umtriebe und ihre schändlichen Anmaßungen im Tempel von Jerusalem, der in jenen Tagen wieder aufgebaut wird, ausüben. Der Antichrist wird sich dorthin setzen und sich selbst als Gott hinstellen, als Ausdruck der Ungerechtigkeit und des Hochmutes des Menschen in ihrem Höchstmaß.

Betrachten wir nun eine andere, sehr auffallende Stelle, die uns ergänzende Einzelheiten über den Antichrist und seine Taten liefert. Wir finden sie in Daniel 11. Dieses Kapitel berichtet bis zum 35. Vers über Ereignisse, die vom Blickfeld des Propheten aus gesehen in der Zukunft lagen, jetzt aber der Geschichte angehören. Seine Weissagung beginnt hier mit dem Persischen Königreich, das damals noch an seinem Anfang stand und erstreckt sich (vom 36. Vers an) bis in die noch zukünftige Zeit der letzten Tage.

Der ganze Abschnitt steht in Beziehung zum Volke Daniels, den Juden, und zum Lande der Verheißung. Der Prophet spricht in Vers 35 von der «Zeit des Endes», von der «bestimmten Zeit», Ausdrücke, die offensichtlich eine Unterbrechung im Ablauf der geschichtlichen Folge dieses Kapitels andeuten und zu den Ereignissen der letzten Tage hinweisen. In diesem Augenblick führt der 36. Vers unvermittelt den «König» ein, eine Persönlichkeit, die jenen, die die Weissagungen studieren, gut bekannt ist. «Und der König wird nach seinem Gutdünken handeln, und er wird sich erheben und groß machen über jeden Gott, und wider den Gott der Götter wird er Erstaunliches reden.»

Ist die Einheit der Schrift, von welcher die Skeptiker nichts zu verstehen scheinen, nicht ein Beweis ihrer göttlichen Inspiration? Jahrhunderte bevor Paulus an die Thessalonicher schrieb, finden wir hier einen Propheten, der von derselben Person der Zukunft schreibt und ihr die gleichen Wesenszüge gibt, wie der Apostel in seinem Briefe. Der Antichrist ist durch grenzenlosen Eigenwillen und durch hemmungslose Auflehnung gegen Gott selbst gekennzeichnet.

Aus dieser Stelle in Daniel 11 scheint hervorzugehen, dass der Antichrist ein Jude sein wird. Es wäre sonst in der Tat schwer verständlich, dass durch die Anmaßungen dieses falschen Messias Juden verführt werden können. So lesen wir hier denn auch: «Und auf den Gott seiner Väter, Gott, der wahre Gott Israels, wird er nicht achten und weder auf die Sehnsucht der Weiber (Christus) noch auf irgendeinen Gott wird er achten.» Da der Mensch sich aber an irgend etwas klammern muss, «wird er den Gott der Festungen (oder der Kräfte) ehren»; denn um seine Vorsätze auszuführen und seinen Verfügungen Nachachtung zu verschaffen, stützt er sich auf die Kraft menschlicher Waffen, wenn auch die Macht Satans im Hintergrund wirksam ist.

Bleiben wir hier einen Augenblick stehen, um die moralische Wirkung zu betrachten, die diese prophetische Belehrung des Wortes Gottes auf uns ausüben sollte. Es unterliegt keinem Zweifel, dass das, was wir um uns her sehen, später zum großen Teil seinen vollen Ausdruck im Antichrist finden und ihn kennzeichnen wird. Der Unglaube in seinen verschiedenen Stadien, das allgemeine Abrücken von der Autorität und der Inspiration der Heiligen Schriften, die zunehmende Anarchie, Hochmut und Prahlerei – alle diese und manch andere Dinge, die unsere Zeit charakterisieren, werden ihren Höhepunkt im Menschen der Sünde finden. Gott warnt die Gläubigen davor, und wir müssen uns auf die Gnade stützen, um vor dem Geist und den Strömungen dieses Zeitlaufs bewahrt zu werden. Lasst uns von Dem lernen, der sanftmütig und von Herzen demütig ist, Der, obgleich Gott über alles, hienieden in Wirklichkeit der abhängige und gehorsame Mensch war und der vom Himmel kam, nicht um Seinen Willen zu tun, sondern den Willen des Vaters, der Ihn gesandt hat.

Wie eitel wird an jenem Tage für den abtrünnigen Teil des jüdischen Volkes das Bündnis mit diesem listigen Feinde Christi sein! Die dann in Jerusalem regierenden Spötter werden zum «König» kommen, um, wenn möglich, Zuflucht zu finden vor der überflutenden Geißel, die ihnen Gott im Assyrer senden wird. Das sagt uns Jesaja 28,15: «Denn ihr sprechet: wir haben einen Bund mit dem Tode geschlossen und einen Vertrag mit dem Scheol gemacht: wenn die überflutende Geißel hindurchfährt, wird sie an uns nicht kommen; denn wir haben die Lüge zu unserer Zuflucht gemacht und in der Falschheit uns geborgen.» Eine nichtige Hoffnung! Sie werden dem göttlichen Gericht nicht entrinnen! Wie furchtbar ist doch eine solche Verhärtung des Herzens unter dem Einfluss der List Satans! Wir können uns kaum vorstellen, dass der Mensch einen solchen Grad des Hochmuts und der Bosheit erreichen kann, wie er im Antichrist ausgeprägt ist. Aber Gott lässt diese unumschränkte Offenbarung satanischer Energie zu, als ein gerechtes Gericht über Israel und über die Christenheit, die beide abtrünnig sind.

Auch der Prophet Sacharja redet vom Antichrist: «Denn siehe, ich erwecke einen Hirten im Lande: der Umkommenden wird er sich nicht annehmen, das Versprengte wird er nicht suchen und das Verwundete nicht heilen; das Gesunde wird er nicht versorgen, und das Fleisch des Fetten wird er essen und ihre Klauen zerreißen.» Aber wenn das Maß seiner Gesetzlosigkeit voll ist, kommt das Gericht Gottes über ihn: «Wehe dem nichtigen Hirten, der die Herde verlässt! Das Schwert über seinen Arm und über sein rechtes Auge! Sein Arm soll gänzlich verdorren, und sein rechtes Auge völlig erlöschen» (Sacharja 11,16-17). Auch aus verschiedenen anderen Schriftstellen geht hervor, dass er zu seinem Ende kommen wird. Weder durch Waffengewalt noch durch die Macht der Engel, sondern durch das Gericht des Herrn selbst, bei Seinem persönlichen Erscheinen, wird er besiegt werden. Wir lesen in 2. Thessalonicher 2,8: «Der Gesetzlose… den der Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch seines Mundes und vernichten durch die Erscheinung seiner Ankunft.» Es ist bemerkenswert, dass die beiden Worte Erscheinung und Ankunft, die an anderen Stellen getrennt gebraucht werden, hier vereinigt sind.

Lasst uns diesem Abschnitt noch Jesaja 30,33 gegenüberstellen. Dort wird gesagt: «Denn vorlängst ist eine Greuelstätte zugerichtet; auch für den König ist sie bereitet. Tief weit hat er sie gemacht, ihr Holzstoß hat Feuer und Holz in Menge; wie ein Schwefelstrom setzt der Hauch Gottes ihn in Brand.» Es ist klar, dass es sich bei diesem König um den Antichrist handelt. Er wird vom Assyrer unterschieden, und sein schreckliches Los wird uns hier deutlich vor Augen geführt: er wird in den Feuersee geworfen.

In Offenbarung 19,20 schließlich finden wir die Vollstreckung der Gerichtsurteile an den beiden Persönlichkeiten, dem Haupt des Römischen Reiches und dem Antichrist, seinem Verbündeten, die Werkzeuge des Bösen gewesen sind: «Und es wurden ergriffen das Tier und der falsche Prophet, der mit ihm war, der die Zeichen vor ihm tat… lebendig wurden die zwei in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt.»

Jesus wird vom Himmel herabkommen, um als König der Könige und Herr der Herren ein kriegerisches Gericht zu vollstrecken. Die Heere, die im Himmel sind, werden Ihm folgen. Er wird an diesen beiden Persönlichkeiten ein summarisches Gericht vollziehen. Ohne weiteren Richterspruch werden sie in die Hölle geworfen. Das «ewige Feuer», so wird uns in Matthäus 25,41 gesagt, «ist bereitet (nicht für die Menschen, sondern) dem Teufel und seinen Engeln», doch wird es auch das Teil aller Menschen sein, die im Unglauben sterben. Wie auffallend ist es doch, dass diese beiden Menschen tausend Jahre vor dem Teufel selbst in die Hölle geworfen werden! Während des tausendjährigen Reiches wird der Teufel gebunden und im Abgrund eingeschlossen sein (Offenbarung 20,2-3); nachher «muss er eine kleine Zeit gelöst werden».

5. Der Abfall

Wir wollen diesmal auf Fragen eingehen, die oft gestellt werden:

«Wenn der Herr heute käme, dürften dann die auf der Erde zurückbleibenden Menschen, die vor diesem Tage das Evangelium gehört, aber verworfen haben, einige Hoffnung hegen, doch noch errettet zu werden?»

«Wird es in der Zeit zwischen dem Kommen des Herrn für die Seinen und Seinem Erscheinen mit ihnen in Herrlichkeit auf der Erde überhaupt Erlöste geben?»

In Offenbarung 7 werden wir belehrt, dass während dieser Zeit zwei Menschenklassen errettet und in Sicherheit gebracht werden. Diese beiden Klassen setzen sich aus den 144.000 Versiegelten der Stämme Israels und einer unzählbaren Schar aus jeder Nation, jedem Stamm und Volk, und jeder Sprache zusammen. Im Hinblick auf die Menschen aber, die das Evangelium gehört, jedoch zurückgewiesen haben und nach der Entrückung der Heiligen auf der Erde zurückbleiben werden, müssen wir an einen unveränderlichen Grundsatz der Wege Gottes erinnern: Gott handelt den Menschen gegenüber nach ihrer Verantwortlichkeit, nach dem Maße des Lichtes und der Vorrechte, die sie empfangen haben oder hätten genießen können. Je mehr Licht ihnen geschenkt ist, desto größer ist ihre Verantwortung.

Schon Israel besaß in der Vergangenheit zahlreiche Vorrechte. Aus allen Nationen war es von Gott selbst abgesondert worden, um Sein Eigentumsvolk zu sein. Es wurde in eine besondere Stellung der Gottesnähe eingeführt und mehr als alle anderen Völker der Erde gesegnet. Aber trotz aller dieser Vorrechte waren die Juden in einem schlimmeren Zustand als die sie umgebenden Heiden, und der Name Gottes wurde Ihrethalben «unter den Nationen gelästert», lesen wir in Römer 2,24. In Seiner Gnade hat Gott ihnen gegenüber lange Zeit Geduld geübt; aber, nachdem sie ihren Messias gekreuzigt und dem Heiligen Geiste widerstanden hatten, wurde schließlich durch den Apostel Paulus das gerichtliche Urteil der Verhärtung über sie ausgesprochen (Apg. 28,25-29). Dieses Gericht war durch den Heiligen Geist schon viel früher angekündigt worden: «Mit Gehör werdet ihr hören und doch nicht verstehen, und sehend werdet ihr sehen und doch nicht wahrnehmen; denn das Herz dieses Volkes ist dick geworden, und mit den Ohren haben sie schwer gehört, und ihre Augen haben sie geschlossen…» (Matth. 13,14.15; Anführung aus Jesaja 6).

Wenn schon Israel schuldig war und Gottes Gericht auf sich zog, weil es das ihm damals gegebene Zeugnis verwarf, wieviel größer ist die Schuld, die sich die Menschen in der Christenheit durch die Verachtung der Gnade in Christo Jesu aufladen! Besitzen sie doch im Christentum die vollständige Offenbarung des vollkommenen Heiles, das ihnen auf Grund des Todes und der Auferstehung Christi umsonst angeboten wird! Die Christenheit hat unermeßliche Vorrechte genossen, besonders in jenen Ländern, wo Hunderttausende von Bibeln und Traktaten verbreitet wurden und das Evangelium überall und während vielen Jahren verkündigt worden ist. Auf die Mehrzahl derer, die sich zur Christenheit zählen, trifft das Wort in 2. Thess. 2,10-12 zu, «dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden. Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrwahns.» Diese böse Kraft wird ohne Zweifel schwerer auf den Ländern lasten, die am meisten im Genuss des Lichtes und der Vorrechte des Christentums gestanden haben.

In Matthäus 25 sehen wir die törichten Jungfrauen des Gleichnisses vor der geschlossenen Tür stehen, den Namen des Herrn anrufen und sagen: «Herr, Herr, tue uns auf!» Leider ist es dann zu spät für diese religiösen Bekenner ohne Leben und ohne Wirklichkeit! Der Bräutigam ist dann schon gekommen, die Tür verschlossen und der Herr antwortet: «Ich kenne euch nicht.» Sie haben den Wohlstand, die Vergnügungen und die Welt Christo vorgezogen, obwohl sie Seinen Namen trugen – und jetzt ist es zu spät!

Eines der Merkmale der «schweren Zeiten», die in den «letzten Tagen» da sein werden, ist, dass die Menschen eigenliebig sein werden, «geldliebend, prahlerisch, hochmütig,… mehr das Vergnügen liebend als Gott, die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen» (2. Tim. 3,1-5). Gab es in der Geschichte der Welt je eine Zeit, wo diese Beschreibung besser auf die Menschen zutraf, als heute? Die großen Fortschritte auf den Gebieten der Technik und der Wissenschaft, die guten Verdienstmöglichkeiten und der höhere Lebensstandard, das alles hat den Menschen das Streben nach Besitz und Vergnügen in einem Maße erleichtert, wie es ganz unbekannt war, als man noch einfacher lebte. Anderseits hat sich der Unglaube in erschreckender Weise ausgebreitet und die Schranken geschwächt, die vordem durch Gottesfurcht und Ehrfurcht vor Seinem Worte aufgerichtet waren. Die große Masse lebt ohne Überlegung dahin, ist gleichgültiger und vergnügungssüchtiger als je und selbst wer der Form nach am christlichen Bekenntnis festhält, passt sich den die Welt überflutenden Grundsätzen einer Religion des Materialismus an.

Die Schrift zeigt in klarer Weise, dass auf die Entrückung der Heiligen schließlich der gänzliche Abfall der Christenheit folgen wird. Aber es ist nicht anzunehmen, dass nach der Entrückung der Kirche sogleich jegliches christliche Bekenntnis aufhören wird. Im Gegenteil, das Sinnbild des Weibes «auf einem scharlachroten Tiere sitzend» (Offb. 17,3) zeigt uns, dass die entarteten Formen des Christentums, die wir rings um uns her sehen – Katholizismus, eigenwilliger Gottesdienst, usw. – noch für eine Zeit fortbestehen und sogar in der Entfaltung von äußerem Prunk und Luxus zunehmen werden. Mit welcher Langmut hat doch Gott diese schreckliche Verzerrung des Christentums ertragen, die hier «Babylon, die große, die Mutter der Huren und der Greuel der Erde» genannt wird! Ihre Kennzeichen sind Hochmut, Anmaßung eines ihr nicht zustehenden Titels und Götzendienst. Sie verfolgt die wahren Heiligen und betrügt die Nationen mit ihren Zaubereien. Aber schließlich ist das Maß voll, und ein rasches und endgültiges Gericht kommt über sie. Daher lesen wir: «Und die zehn Hörner, die du sahst, und das Tier, diese werden die Hure hassen und werden sie öde und nackt machen und werden ihr Fleisch fressen und sie mit Feuer verbrennen» (Offb. 17,16). Sie wird also einer völligen Verwüstung anheimfallen, «denn Gott hat in ihre Herzen gegeben, seinen Sinn zu tun und in einem Sinne zu handeln.» Die zehn Hörner sind die zehn im wiedererstandenen Römischen Reich vereinigten Könige, unter dem Haupte der alsdann über die westliche Christenheit herrschenden kaiserlichen Macht. Sie werden das «christlich» genannte, verderbte religiöse System, das sie solange beherrscht und betört hat, verwerfen, ein System, wodurch seine Anhänger zur Erreichung ehrgeiziger Ziele missbraucht worden sind.

Die Französische Revolution bietet uns in kleinerem Maßstab ein Vorspiel dieser Entwicklung. Die Geschichte lehrt uns, dass zu jener Zeit das Christentum ausdrücklich verleugnet, dafür aber die Heiligkeit der Republik und der Kultus der Vernunft proklamiert wurde.

Zur Zeit, von welcher Offenbarung 17 spricht, wird das christliche Bekenntnis völlig aufgegeben werden, was in 2. Thess. 2,3 «der Abfall» genannt wird. Im gleichen Kapitel lesen wir, dass dann Der, welcher die Macht des Bösen zurückhält, «aus dem Wege ist», und der Wille des Menschen völlig freie Bahn hat. Der, welcher jetzt noch die Gesetzlosigkeit «zurückhält», dass sie sich nicht völlig entfalten kann, ist zweifellos der Heilige Geist, der nach dem Weggang Christi zu uns gekommen ist und der in unseren Tagen eine wunderbare Tätigkeit zur Vollbringung des Werkes Gottes in dieser Welt entfaltet. Der Heilige Geist wohnt jetzt im Hause Gottes auf der Erde; ist aber die Versammlung in den Himmel entrückt, wird Er nicht mehr in der gleichen Weise wie jetzt hienieden sein. Wenn die Versammlung, d. h. das, «was zurückhält», entrückt sein wird, gibt es für den völligen Abfall kein Hindernis mehr.

Solcher Art wird die Endentwicklung des christlichen Bekenntnisses in den christlichen Gegenden sein, die heute so offensichtlich bevorzugt sind. Das ist eine Feststellung von feierlichem Ernst. Der Unglaube mag diese Tatsachen leugnen und darüber spotten. Aber, was auch die Menschen sagen mögen, Gottes Wort, das «Wort der Wahrheit» bleibt bestehen.

Kehren wir nun für einen Augenblick zu Daniel 9, 26-27 zurück. Dort wird vorausgesagt, dass «der kommende Fürst», dessen «Volk», also die Römer unter Titus, im Jahre 70 nach Christo die Stadt und das Heiligtum zerstört hat, «einen festen Bund mit den Vielen», d. h., mit der ungläubigen Gesamtheit der Juden, für eine Woche von sieben Jahren schließen wird. «Und zur Hälfte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen», also dem jüdischen Gottesdienst ein Ende bereiten. Das deckt sich mit dem, was in Daniel 7 von dem «kleinen Horn» gesagt ist: «Und er wird Worte reden gegen den Höchsten und die Heiligen der höchsten Örter vernichten; und er wird darauf sinnen, Zeiten und Gesetz zu ändern» (Vers 25). Dieser Zustand der Dinge wird 3½ Jahre dauern, denn «sie (die jüdischen Zeiten und das Gesetz) werden eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit in seine Hand gegeben werden». Das wird ein Zeitabschnitt unerhörter Entfaltung satanischer Macht sein! Der Teufel wird sowohl durch das Haupt des wiedererstandenen Römischen Reiches, als auch durch den Antichristen handeln, also mit Gewalt und schändlichem Betrug vorgehen. Das werden schreckliche Trübsalszeiten sein für alle, die dann auf der Erde für Gott zeugen. Auf diese Zeit deutete der Herr hin, als Er sagte: «Alsdann wird große Drangsal sein, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzt hin nicht gewesen ist, noch je sein wird; und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Fleisch gerettet werden» (Matth. 24,21-22).

Im Hinblick auf diese Zeugen Gottes sagte der Herr zu Seinen Jüngern, die gesandt waren das Reich der Himmel zu verkündigen: «Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende sein, bis der Sohn des Menschen gekommen sein wird» (Matth. 10,23). Wie wir schon festgestellt haben, wird das Werk, das der Herr dazumal Seinen Jüngern anvertraute, an einem künftigen Tage von Dienern Gottes, die zum treuen israelitischen Überrest gehören, wieder aufgenommen werden, um dem Herrn ein Volk zuzubereiten, das Ihn aufnimmt, wenn Er in Seinem Reiche kommt. Während des gleichen Zeitabschnittes wird das «ewige Evangelium» (Offb. 44,6) denen verkündigt, «die auf der Erde ansässig sind, und jeder Nation und Stamm und Sprache und Volk». Es lautet: «Fürchtet Gott und gebet ihm Ehre, denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen; und betet den an, der den Himmel und die Erde gemacht hat und das Meer und die Wasserquellen.» Jenes Evangelium ist von dem Evangelium der Gnade Gottes, das heute verkündigt wird, völlig verschieden. Das Evangelium der Gnade redet von der Vergebung der Sünden durch den Glauben an den Herrn Jesus und ist die Botschaft eines vollen Heils, das dem Sünder auf Grund des Sühnungswerkes am Kreuze umsonst angeboten wird. Das ewige Evangelium dagegen besteht in der Aufforderung, Gott, der im Begriffe steht, das Gericht auszuüben, zu fürchten und Ihn in Seiner Schöpfung anzuerkennen, In einer Zeit, in der das besondere Ziel Satans darin besteht, Gottes Autorität durch die Autorität des Tieres und des Falschen Propheten zu ersetzen, wird eine solche Botschaft für die Menschen, die das heutige Evangelium der Gnade nie gehört haben, die passendste sein.

In der Offenbarung ist von verschiedenen Klassen von Erlösten die Rede, sowohl von solchen aus den Juden, als auch von solchen aus den Nationen. Einige von denen, die die Autorität des Antichristen nicht anerkennen wollen, müssen das Märtyrertum erdulden. Viele andere aber werden in Sicherheit gebracht, um an den Segnungen des Tausendjährigen Reiches teilzuhaben, unter der Herrschaft der Gerechtigkeit des Herrn selbst. (Kapitel 7,14-17; 14,1-5; 20,4 usw.).

6. Der Assyrer

In unserer Betrachtung kommen wir jetzt zu dem Assyrer, dem letzten der drei Hauptteilnehmer an den Ereignissen jener Tage. Das führt uns zum Ende des Zeitabschnittes, welcher der Erscheinung des Herrn in Herrlichkeit vorausgeht. Bevor wir aber vom Assyrer reden, mag es nützlich sein, darauf hinzuweisen, dass wir im Buche Daniel eine andere Benennung finden: «Der König des Nordens» [mit dem König des Nordens ist immer der König gemeint, der über das Gebiet herrscht, das von Antiochus Epiphanes besetzt war: aber in der Endzeit wird Russland dieses Gebiet besetzen oder beherrschen und somit «der Assyrer» sein. Gog ist zweifellos Russland. Ich glaube, dass «der Assyrer» erst zuletzt als solcher in Erscheinung treten wird. Dieser Ausdruck ist ein geographischer Begriff, wer auch immer der König des Nordens sein mag.» (Briefe von J.N.D.)] und im Buche Hesekiel wieder eine andere: «Gog».

Den Beweis erbringen zu wollen, in welchem Maße Gog und der König des Nordens mit dem Assyrer zu identifizieren sind, wäre unvorsichtig. Daniel erwähnt ihn nicht unter diesem letzteren Namen (Assyrer); er ist aber in mehreren anderen Propheten des öftern Gegenstand des prophetischen Zeugnisses. Lasst uns dabei bedenken, dass Daniel seine Prophezeiungen während der Gefangenschaft Israels in Babel niederschrieb, während es Hesekiel unter den Gefangenen am Flusse Kebar tat. Es ist möglich, dass dieser Ausdruck «der Assyrer» in seiner prophetischen Anwendung auf die letzten Tage mehr als eine einzelne Person oder mehr als eine einzige Macht umfasst. Wir finden in Psalm 83 und anderen Stellen mehrere Nationen, die mit Assur einen Bund geschlossen haben, ähnlich wie die zehn Könige mit dem Haupt des Römischen Reiches verbündet waren (Offb. 13). Wir würden aber das Ziel dieser Skizze überschreiten, gingen wir auf die Einzelheiten dieses Gegenstandes ein. Mag der Name «Assyrer» eine Macht oder eine Gruppe von Mächten bezeichnen, eines ist klar: diese Mächte kommen aus Gebieten, die im Norden von Palästina gelegen sind.

Der mit dem Haupt des wiedererstandenen Römischen Reiches verbündete und im Einvernehmen mit ihm handelnde Antichrist wird in Jerusalem seinen Amtssitz haben und für die abtrünnigen Juden der Verderber im Innern sein. Ihr Feind und Verderber von außen aber ist «der Assyrer». Dieser hat einst die Gebiete nördlich Palästinas in Besitz genommen; sie umfassten damals Kleinasien und andere Gebiete, die jetzt größtenteils unter türkischer und syrischer Herrschaft stehen.

Als der Assyrer damals den Schauplatz betrat, waren Israel, oder wenigstens die beiden Stämme, von Gott noch als Sein Volk anerkannt. Später jedoch brachte die Gesetzlosigkeit der Könige des Hauses Davids das richterliche Urteil «Lo-Ammi» über sie, was «Nicht-mein-Volk» bedeutet (Hosea 1,9). Als Juda von Nebukadnezar nach Babel weggeführt wurde, war es tatsächlich zum «Lo-Ammi» geworden und die «Zeiten der Nationen» begannen, obwohl Gott noch in Gnade über Israel wachte. Da sich das Volk verschuldet und sich dem Götzendienst hingegeben hatte, legte Gott die Macht in die Hände der Nationen und Sein Thron wurde nicht mehr auf der Erde gefunden; die Zeit wo sich Gott in Jerusalem befand und in dem für Seinen Namen gebauten Hause wohnte, war vorbei. Von da an – obwohl Gott selbstverständlich immer noch den Lauf der Weltereignisse überwacht – regiert Er nicht mehr von der Mitte Seines Volkes aus. Diese Übergabe der Macht an die Nationen, die mit Nebukadnezar begann, ist im Hinblick auf die Weltgeschichte ein Ereignis von unermesslicher Tragweite. Bei der Auslegung der Prophetie ist es sehr wichtig, dies zu beachten.

Aber kehren wir zu unserem Gegenstand zurück. Im Lauf der Zeit kam Christus und wurde von den in ihr Land zurückgekehrten Juden gekreuzigt. Sie sind daher «Lo-Ammi» geblieben und verharren bis auf den heutigen Tag in ihrem Unglauben und in der als Gericht über sie verhängten Verblendung. Dieser Zustand wird bis zu jener künftigen Zeit andauern, wo der Geist Gottes im Herzen des treuen Überrestes Betrübnis und Buße bewirken wird. Alsdann, wenn Gott es wiederum als Sein Volk anerkennen wird (Hosea 2,1), wird der kommende Assyrer sich zu seinem Endunternehmen gegen Jerusalem und das Land Israel aufmachen. Wollen wir die uns beschäftigenden Weissagungen wirklich verstehen, müssen wir diese wesentliche Tatsache im Gedächtnis behalten.

Seinerzeit war es der Assyrer, der die zehn Stämme in die Gefangenschaft wegführte (2. Kön. 17), und jener geschichtliche Assyrer war der Typus und das Bild vom Assyrer der Endzeit. Die Niederlage Sanheribs und seines großen Heeres, die als Antwort auf Hiskias Gebet zustande kam, ist ein Vorbild der endgültigen Niederlage des Assyrers in den letzten Tagen. In der Vergangenheit erhob sich Babylonien, wohin die beiden Stämme Juda und Benjamin nach der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar gefangen weggeführt worden waren, zur Weltmacht, nach dem Zusammenbruch der Assyrischen Monarchie, auf den Trümmern dieses vor ihm bestandenen Reiches. In der Zukunft jedoch wird der Assyrer der letzte Feind Israels sein. Diese Erwägungen bestätigen die Zulässigkeit der Anwendung zahlreicher Weissagungen auf die Ereignisse der Endzeit, obschon sie eine teilweise oder typische vorbildliche Erfüllung in der Vergangenheit erfahren haben. In den Propheten finden wir viele Anspielungen auf den Assyrer. «He! Assyrer, Rute meines Zornes! Und der Stock in seiner Hand ist mein Grimm» (Jes. 10,5). Gott bediente sich dieser Rute, um Sein schuldiges Volk zu strafen. Aber zuletzt wird Gott diesen hochmütigen Feind richten, und Sein Grimm gegen Israel wird mit diesem Gericht sein Ende finden. «Und es wird geschehen, wenn der Herr sein ganzes Werk an dem Berge Zion und an Jerusalem vollbracht hat, so werde ich heimsuchen die Frucht der Überhebung des Herzens des Königs von Assyrien und den Stolz der Hoffart seiner Augen» (Jes. 10,12). Es liegt auf der Hand, dass der Herr noch nicht Sein ganzes Werk an dem Berge Zion und an Jerusalem beendigt hat; darum liegt die Strafe des Assyrers unbestreitbar noch in der Zukunft. Im 14. Kapitel des gleichen Propheten versichert Gott: «dass ich Assyrien in meinem Lande zerschmettern und es auf meinen Bergen zertreten werde» (Vers 25). Trotz seines hochfahrenden Wesens und seiner Macht wird er den Vorsätzen des Gottes der Heerscharen nicht widerstehen und nicht zunichte machen können, was Er verfügt hat.

In Jesaja 30, 31-33 wird uns ferner gesagt: «Denn vor der Stimme Gottes wird Assur zerschmettert werden, wenn er mit dem Stocke schlägt. Und es wird geschehen, jeder Streich der verhängten Rute, die Gott auf ihn herabfahren lässt, ergeht unter Tamburin- und Lautenspiel; … denn vorlängst ist eine Greuelstätte zugerichtet; … wie ein Schwefelstrom setzt der Hauch Gottes ihn in Brand.» Es ist klar, dass das hier erwähnte Geschehen noch zukünftig ist und zum Endgericht über den Assyrer führt, für welchen Tophet, das Feuer Gottes, bereitet ist. Diese Stelle beschreibt die Freudenfeste, die dem Gericht des Herrn über den mächtigen Feind Israels folgen werden, den Gott zum Wohle Seines Volkes als Zuchtrute gebraucht hatte.

Lasst uns noch einen Abschnitt aus dem Propheten Micha anführen: «Mit dem Stabe schlagen sie den Richter Israels auf den Backen» (Micha 4,14). «Nun wird er» (der Richter Israels, der Messias) «groß sein bis an die Enden der Erde. Und dieser wird Friede sein. Wenn Assyrien in unser Land kommen und es in unsere Paläste treten wird…» (Micha 5,3f). Christus selbst, von Seinem Volke geschlagen und verworfen, wird an dem von dem Propheten erwähnten künftigen Tage das Volk Israel aus der Macht des Assyrers befreien. In der Tat, dieses Kapitel umschließt in seiner Tragweite den Endsieg: «Und der Überrest Jakobs wird unter den Nationen, inmitten vieler Völker, sein wie ein Löwe unter den Tieren des Waldes» usw. (Vers 7). Gott selbst wird das Land und seine Bewohner reinigen. Innerlich wird Er sie von ihrem Götzendienst säubern, während Er nach außen hin Rache üben und Seinen Zorn über die Nationen ergießen wird, die sich gegen Zion erhoben haben. Aber angesichts dieser Dinge werden die wahren Heiligen in Sicherheit Frieden und Ruhe genießen, denn sie werden durch die Gnade in das Geheimnis der Gedanken Gottes über alle Dinge eingeführt. Jene mächtigen Nationen glauben ihren eigenen Willen vollbringen zu können. «Aber sie kennen nicht die Gedanken Gottes und verstehen nicht seinen Ratschluss; denn er hat sie gesammelt, wie man Garben auf die Tenne sammelt» (Micha 4,12). Gott selbst wird an jenem Tage ein Befreier sein; Er wird Sein Volk stärken und ihm einen völligen Sieg geben.

Schließlich lesen wir in Daniel 8, 5: «Siehe, da kam ein Ziegenbock von Westen her über die ganze Erde.» Damit ist Griechenland gemeint, und das «ansehnliche Horn zwischen seinen Augen» stellt Alexander den Großen dar. Aus den Trümmern seines Reiches «kam ein kleines Horn hervor; und es wurde ausnehmend groß.» Dieses «kleine Horn» ist ein ganz anderes als das «kleine Horn» von Kapitel 7, das einen westlichen Monarchen darstellt. Ohne Zweifel bezieht sich diese Bibelstelle teilweise auf Antiochus Epiphanes, König von Syrien und Mazedonien, eine in der Geschichte wohlbekannte Persönlichkeit. Aber im ganzen gesehen und besonders in der Erklärung, die am Ende des Kapitels darüber gegeben wird, geht diese Weissagung weit über die damaligen Ereignisse hinaus und deutet auf das Geschehen der letzten Tage hin (siehe Kapitel 8, 23-25). Von diesem «kleinen Horn» wird im 11. Vers gesagt: «Selbst bis zum Fürsten des Heeres» (Christus) «tat es groß; und es nahm ihm» (Christus, als Messias) «das beständige Opfer weg und die Stätte seines Heiligtums wurde niedergeworfen».

Welche Persönlichkeit an einem kommenden Tage über die Gebiete im Nordosten von Palästina, von dem hier die Rede ist, herrschen wird, können wir nicht sagen. Aber die Prophezeiung sagt deutlich aus, dass jener Mensch einen bemerkenswerten Verstand haben wird; er wird Rätsel erklären und sowohl mittels der Politik als auch durch Waffengewalt Erfolg haben. Er wird etliche der Obersten der Juden zu Fall bringen, in ihr religiöses System eingreifen und durch Betrug seine Ziele erreichen. Schließlich wird er sich gegen den «Fürsten der Fürsten» auflehnen (8, 25), wie der Antichrist sich wider den «Gott der Götter» erhoben hat (Dan. 11, 36).

Aus der geographischen Lage des von diesem König in Kleinasien besetzten Gebietes und auch aus anderen Gründen kann man schließen, dass es sich um den «Assyrer» handelt. Sein verderblicher Einfluss auf die Juden und die große Kraft seines Widerstandes entfalten sich in der letzten Zeit des Zornes (d. h. des Zornes Gottes gegen Israel) und «am Ende ihres Königtums, wenn die Frevler das Maß voll gemacht haben werden», also kurz vor dem Augenblick, wo der Herr zur Befreiung Seines Volkes und zur Aufrichtung Seines Reiches in Herrlichkeit geoffenbart werden wird. Wie wir schon bemerkt haben ist es klar, dass die Macht jenes Königs von außen kommt, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass er unter der Anführung und der Gewalt des Hauptes des Russischen Reiches handelt.

Welcher Art auch die Ränke und Listen gewissenloser Menschen und ihrer militärischen Erfolge sein mögen, alles hört in dem Augenblick auf, wo Gott zu Gunsten Seines Volkes eingreift: dieser Gegner wird «ohne Menschenhand zerschmettert werden» (Vers 25).


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