Die ersten Jahrzehnte des Christentums (Teil 4)

Die ersten Jahrzehnte
des Christentums (Teil 4)

Eine Hilfe zum Studium der Apostelgeschichte

Kapitel 17, Verse 32 bis 34

Paulus schloss seine Rede in Athen mit der Verkündigung dreier großer Tatsachen:

  1. Gott gebietet jetzt allen Menschen allenthalben, Buße zu tun;
  2. Gott wird an einem bestimmten Tage den Erdkreis richten in Gerechtigkeit;
  3. Gott hat einen Mann zum Richter bestimmt, und Ihn zum sicheren Beweis dieser Tatsache aus den Toten auferweckt.

«Als sie aber von Toten-Auferstehung hörten, spotteten die einen, die anderen aber sprachen: Wir wollen dich darüber auch nochmals hören.» Die letztere Gruppe glich dem Landpfleger Felix, der zu Paulus gesagt hat: «Für jetzt gehe hin; wenn ich aber gelegene Zeit habe, werde ich dich rufen lassen» (Apg. 24,25). Etliche kamen zum Glauben, unter anderen Dionysius, der Areopagit, und eine Frau mit Namen Damaris. Aber es war nur eine kleine Zahl; das Evangelium fand unter den Intellektuellen Athens keinen günstigen Boden.

Die Predigt des Evangeliums macht sowohl die offenbar, die gerettet werden sollten, als auch die übrigen, die im Unglauben die Gnade ablehnten. In 2. Korinther 2,1 sagt der Apostel: «Denn wir sind Gott ein Wohlgeruch Christi in denen, die errettet werden, und in denen, die verloren gehen; den einen ein Geruch vom Tode zum Tode, den anderen aber ein Geruch vom Leben zum Leben.»

Jeder Mensch ist verantwortlich, zu glauben; Gott gebietet allen Menschen, Buße zu tun. Er «will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.» Gott hat niemand zum Verderben bestimmt. In Römer 2,5 lesen wir, dass sich der unbußfertige Mensch selbst Zorn aufhäuft. Gott erträgt mit vieler Langmut die Gefäße des Zornes, die durch die Sünde zum Verderben zubereitet sind (Röm. 9,22), hingegen heißt es im folgenden Vers ausdrücklich, dass Gott die Gefäße der Begnadigung zur Herrlichkeit zuvor bereitet hat. Wenn ein Mensch gläubig wird, weiß er, dass er seine Errettung der Gnade Gottes und der Tatsache zu verdanken hat, dass Gott über allem ist. Der Errettete kann sagen: Ich bin auserwählt. Niemand aber darf behaupten, er sei es nicht. Solange ein Mensch lebt, ist er verantwortlich zu glauben, um errettet zu werden.

Kapitel 18, Verse 1 bis 4

Von Athen aus ging Paulus nach Korinth, einer Stadt, die durch Philosophie, Reichtum und Verderbnis gekennzeichnet war. Der Gesandte des Herrn betrat diese Stadt der weltlich Reichen und Weisen nicht entsprechend ihrem Glanze, sondern mit den Kennzeichen, die der Herr, Der ihn sandte, hienieden geoffenbart hatte.

Die Verordnung des Klaudius, nach welcher sich alle Juden aus Rom entfernen mussten, hatte dazu geführt, dass Paulus bei Aquila und Priscilla ein Absteigequartier fand. Jahre vorher hatte eine Verordnung des Kaisers Augustus Joseph und Maria an den Ort geführt, wo Jesus geboren werden sollte. Gott stehen alle Mittel zur Verfügung, um Seine Ratschlüsse zu erfüllen. Paulus wohnte nun bei diesen Gläubigen, die er später seine «Mitarbeiter in Christo Jesu» nannte; sie nahmen also am Werke unter den Heiligen tätigen Anteil. Bei einer besonderen Gelegenheit, vielleicht anlässlich des Aufruhrs in Ephesus (Kap. 19), hatten sie sogar für den Apostel ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt (Röm. 16,3 und 4). Von Korinth aus reisten sie mit Paulus nach Ephesus. Die Versammlung war in ihrem Hause (1. Kor. 16,19). Dann traf man sie in Rom (Röm. 16,3); von Rom aus kehrten sie nach Asien zurück und empfingen dort durch Timotheus einen Gruß des Apostels (2. Tim. 4,19). Sie waren Zeltmacher; und auch Paulus übte bei ihnen das gleiche Handwerk als einfacher Arbeiter aus. Bei den Juden war es üblich, dass die jungen Leute ein Handwerk erlernten, ohne Rücksicht auf die Art ihrer Schulbildung.

«Er unterredete sich aber in der Synagoge an jedem Sabbath und überzeugte Juden und Griechen.» Die Gedanken, die der einfache Bericht der wenigen Eingangsverse dieses Kapitels vor uns hinstellt, werden im Brief an die Korinther ausführlich entwickelt. Der große Apostel, der seinem göttlichen Meister unmittelbar nachfolgte, führte sich in Korinth in der gleichen Niedrigkeit und Armut ein, die auch Den kennzeichneten, dessen Nachahmer er war. Gott wollte das Starke durch das Schwache zuschanden machen. Aber dieses Schwache nennt die Schrift «das Schwache Gottes» und erklärt es für stärker als die Menschen. Paulus sagte später: «Denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern göttlich mächtig zur Zerstörung von Festungen; indem wir Vernunftschlüsse zerstören und jede Höhe, die sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes, und jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam des Christus» (2. Kor. 10,4-5). Alle Macht ist auf Gottes Seite; Er bedarf daher keiner Werkzeuge, die viel vorstellen; Vorbedingung ist nur, dass sie sich Seiner Hand fügen. Der Mensch ist schwach; er braucht große Mittel, um kleine Dinge zu tun. Gottes Macht dagegen wirkt durch schwache Mittel, um große Dinge zu tun.

Verse 5 bis 11

Jetzt kehrten Silas und Timotheus zum Apostel zurück; er hatte Timotheus nach Thessalonich gesandt, um die Heiligen zu befestigen und zu ermuntern. Durch ihre Rückkehr wurde der Apostel im Hinblick auf die Thessalonicher, die ihm Sorge bereitet hatten, beruhigt. Jene Gläubigen waren jung im Glauben und waren, als er sie verlassen hatte, einer großen Verfolgung ausgesetzt. Er fürchtete, ihr Glaube könnte unter den erlittenen Drangsalen erschüttert worden sein. Timotheus aber brachte gute Nachrichten von ihrem Glauben und ihrer Liebe. Paulus konnte ihnen daher schreiben: «Deswegen, Brüder, sind wir in all unserer Not und Drangsal über euch getröstet worden durch euren Glauben; denn jetzt leben wir, wenn ihr feststehet im Herrn» (1. Thess. 3,7. 8). Man sieht daraus, in welchem Maße der Apostel die Liebe Christi zu Seiner Versammlung verwirklichte. Ihre Fortschritte, ihre Erbauung, ihr guter praktischer Zustand, ihre Gefahren – das alles waren Gegenstände seiner Sorge. Er sagt in 2. Korinther 11,28-29: «Außer dem, was außergewöhnlich ist, noch das, was täglich auf mich andringt: die Sorge um alle Versammlungen. Wer ist schwach, und ich bin nicht schwach? Wer wird geärgert, und ich brenne nicht?»

Wir leben hienieden nun in den letzten Tagen jener Versammlung, die Paulus mit soviel Liebe und Aufopferung aufgebaut hat. Wie sollten wir uns durch sein Vorbild anspornen lassen, dieser Versammlung inmitten des Verfalls größeres Interesse zuzuwenden, ohne dabei das Werk der Evangelisation zu vernachlässigen. Die Ergebnisse des letzteren Werkes sind augenfälliger als die Resultate der Erbauung und des Festhaltens an der Wahrheit in der Versammlung.

Als Silas und Timotheus aus Mazedonien herabkamen, wurde Paulus hinsichtlich des Wortes gedrängt. Das Wort ist die Waffe Gottes im Kampfe; es muss das Herz der Diener Gottes tatsächlich drängen. Auch bei jedem Gläubigen sollte es diese Wirkung haben.

Unter diesem Drange bezeugte der Apostel den Juden, dass Jesus der Christus sei. Da sie Ihn verworfen hatten, war das die Wahrheit, die sie annehmen mussten, um errettet zu werden. Den Heiden in Athen hatte Paulus den ihnen unbekannten Gott verkündigt.

Die Juden aber widerstrebten und lästerten. Der Apostel, der sich in seiner Verkündigung an allen Orten zuerst an sie gewandt hatte, überließ sie jetzt ihrem Widerstand gegen Christum. Bei der Kreuzigung hatten sie ausgerufen: «Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!» (Matth. 27,25). Hier aber rief ihnen der Apostel zu: «Euer Blut komme auf euren Kopf! Ich bin rein; von jetzt an werde ich zu den Nationen gehen.» Der Apostel war von jetzt an seiner Verantwortung gegenüber den Juden enthoben. (Vergl. Hes. 3,16-21). Durch die Verwerfung des Zeugnisses des Petrus hatten die Juden die Aufrichtung des Reiches verscherzt; denn wenn sie Buße getan hätten, wäre Christus wieder gekommen. Dadurch, dass sie nun auch noch das Evangelium verwarfen, das Paulus ihnen verkündigte, beraubten sie sich der Vorrechte des Christentums. Der Strom der Gnade wandte sich nun von ihnen ab und floss zu den Nationen hin.

Paulus kam jetzt «in das Haus eines Gewissen, mit Namen Justus, der Gott anbetete». Das kennzeichnete die Stellung, die Paulus fortan den Juden gegenüber einnahm. «Krispus aber, der Vorsteher der Synagoge, glaubte an den Herrn mit seinem ganzen Hause»; und auch viele der Korinther, als sie dies hörten, «glaubten und wurden getauft». Dieses Ergebnis hätte dem Apostel die Vermutung nahelegen können, seine Arbeit in dieser Stadt sei beendet; es hätte ihn veranlassen können, anderswohin zu gehen, um dort das Evangelium zu verkündigen. Wir haben schon früher gesehen, dass der Herr verschiedene Mittel gebraucht, um Seine Diener zu leiten. In Korinth, wo das Werk noch bei weitem nicht vollendet war, sagte der Herr in einem Nachtgesicht zu Paulus: «Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin mit dir, und niemand soll dich angreifen, dir Übles zu tun; denn ich habe ein großes Volk in dieser Stadt.» Der Apostel musste eine Verfolgung gewärtigen, wie er sie in anderen Städten erlitten hatte. Aber wenn der Herr, bis Sein Werk vollbracht war, den Hass der Menschen im Zaume hielt, so vermochte kein Mensch Seine Diener anzurühren.

Bevor noch ein Justus und ein Krispus zum Glauben gekommen waren, hatte der Herr schon die große Versammlung, die sich später in dieser Stadt bilden sollte, vor sich gesehen. Das erinnert an Psalm 139,16, wo gesagt wird: «Meinen Keim sahen deine Augen, und in dein Buch waren sie alle eingeschrieben; während vieler Tage wurden sie gebildet, als nicht eines von ihnen war.» Der Apostel blieb ein Jahr und sechs Monate in Korinth, also lange genug, um alle Menschen, die Glieder am Leibe Christi werden sollten, durch die Botschaft des Evangeliums zum Leben zu erwecken.

Außer der Verfolgung hatte Paulus noch einen anderen Grund zur Furcht; er fühlte seine Schwachheit angesichts der menschlichen Weisheit, die der Weisheit Gottes entgegenstand. Er sagt in 1. Korinther 2,3-5: «Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und in vielem Zittern; und meine Rede und meine Predigt war nicht in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, auf dass euer Glaube nicht beruhte auf Menschen-Weisheit, sondern auf Gottes-Kraft». In dieser Umgebung, wo die Weisheit des Menschen so sehr in Ehren stand, hielt er nicht dafür, etwas zu wissen, als nur Jesum Christum, und Ihn als gekreuzigt. Mit dem «Menschen» zu verhandeln, dem Gott am Kreuze ein Ende gesetzt hat, führt zu nichts. Das Kreuz ist die Grundlage, auf der das ganze Werk Gottes zugunsten einer verderbten und schuldigen Welt ruht. Deshalb muss man mit der Verkündigung des Kreuzes beginnen, wenn Gott Sein Werk vollbringen soll. Denn erst durch das Werk am Kreuze, das Ihn verherrlichte, wurde es Ihm möglich, den Sünder zu begnadigen und ihn in die Segnungen des Christentums einzuführen. So hat sich denn auch der Apostel bei der Verkündigung der Wahrheit Gottes nicht auf den niedrigen Boden gestellt, den die Menschliche Weisheit, die am Kreuze ihr Ende gefunden hat, Ihm aufzwingen wollte. Er tat vielmehr, was der Herr zu ihm sagte: «Rede und schweige nicht! denn ich bin mit dir.» Wenn der Apostel, der nicht die Götzen, sondern den wahren Gott, der alles gemacht hat, verkündigte, scheute er sich nicht, den Menschen zu sagen, dass sich dieser Gott im Fleische geoffenbart habe, um sich Seinen gefallenen Geschöpfen in Gnade kundzutun, dass Er in der Person Seines Sohnes unter die Menschen gekommen, und der Sohn dann gekreuzigt und ihnen so zum Heil geworden sei. Das war den Griechen eine Torheit, «den Berufenen selbst aber» war Christus «Gottes Kraft und Gottes Weisheit» (1. Kor. 1,24).

Kapitel 18, Verse 12 bis 17

In diesen Versen sehen wir wiederum die Juden am Werk. Sie traten einmütig gegen Paulus auf, führten ihn vor den Richterstuhl der Stadt und klagten ihn an, mit dem Gesetz in Widerspruch zu stehen. Doch Gott benützte die Gleichgültigkeit des Prokonsuls, ihren Plan zu vereiteln. Wären sie nicht so sehr durch ihren Hass verblendet gewesen, hätten sie begriffen, dass sich ein römischer Beamter nicht für Fragen des jüdischen Gesetzes interessierte. Gallion «trieb sie von dem Richterstuhl hinweg»; er war diesen Dingen gegenüber gleichgültig und ließ sogar zu, dass Sosthenes, der Vorsteher der Synagoge, vor dem Richterstuhl geschlagen wurde.

Vielleicht darf man annehmen, dass dieser Vorsteher der Synagoge, möglicherweise der Nachfolger des Krispus, bekehrt wurde und identisch ist mit dem Sosthenes, den Paulus im 1. Korintherbrief im Eingangsgruß erwähnt.

Verse 18 bis 23

Der durch die Juden in Szene gesetzte Tumult hinderte den Apostel nicht, sein Werk fortzusetzen; der Herr hatte ihm gesagt: «Rede, und schweige nicht!» Nachdem Paulus noch eine gewisse Zeit in Korinth geblieben war, nahm er Abschied von den Brüdern und segelte mit Priscilla und Aquila nach Syrien ab. Dieser Ausdruck «Abschiednehmen von den Brüdern» lässt erkennen, dass sich zwischen den Heiligen von Korinth und dem Apostel sehr feste Bande gebildet hatten. Umso trauriger ist es, feststellen zu müssen, dass sich die Korinther bald darauf von ihm abwandten, da sie bösen Arbeitern Gehör gaben.

Paulus kam nach Kenchreä, wo er sich das Haupt scheren ließ, weil er ein Gelübde hatte. Das war ein Überbleibsel vom Judentum; aber es wird uns nicht gesagt, aus welchem Grunde er es tat. Wiewohl er von allem frei war, hat er sich allen zum Sklaven gemacht (1. Kor. 9,19-23).

Darauf reiste er nach Ephesus, wo er Priscilla und Aquila zurückließ. Hier fand er weniger Widerstand von Seiten der Juden als anderswo, und er unterredete sich mit ihnen in der Synagoge. Obwohl sie ihn baten, längere Zeit bei ihnen zu bleiben, willigte er nicht ein, weil er das zukünftige Fest in Jerusalem zu feiern wünschte, aber er versprach, wiederzukommen, wenn Gott es erlaubte. Von Ephesus aus fuhr Paulus nach Cäsarea weiter, ging dort nach Jerusalem hinauf und begrüßte die Versammlung. Das ist alles, was der Geist Gottes von diesem Besuch in Jerusalem berichtet, und Er übergeht das Fest, das Paulus dort feiern wollte, mit Stillschweigen. Das hatte mit dem Bericht über den Dienst des Apostels der Nationen nichts zu tun. Sein Besuch in Jerusalem, am Ende seiner dritten Reise, ist jedoch beschrieben worden.

Nun musste er seinen freien Dienst in den schon gebildeten Versammlungen und in den Gegenden zu Ende führen, wo der Geist ihm vordem nicht erlaubt hatte, sich aufzuhalten (Kap. 16,6-7). Er ging nach Antiochien hinab, zum Ausgangspunkt seiner beiden ersten Reisen, und brach von hier zur dritten Reise auf, nachdem er sich einige Zeit dort aufgehalten hatte. Er zog der Reihe nach durch die galatische Landschaft, wo er auf seiner zweiten Reise das Evangelium verkündet hatte, reiste zum dritten Mal durch Phrygien und befestigte alle Jünger.

Nach der Evangelisation war die Auferbauung, die Befestigung, die geistliche Entwicklung der Heiligen und der Versammlungen das große Ziel seines Dienstes. Er schrieb den Kolossern: «Christus…, den wir verkündigen, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, auf dass wir jeden Menschen vollkommen in Christo darstellen; wozu ich mich auch bemühe, indem ich kämpfend ringe, gemäß seiner Wirksamkeit, die in mir wirkt in Kraft» (Kol. 1,28.29). Dieses Werk der Auferbauung scheinen viele Evangelisten unserer Tage zu vergessen oder zu verkennen. Sie meinen, die wichtigste Sache sei das Heil der Seelen, und betrachten die Lehre bezüglich der Befreiung und die Wahrheiten über die Versammlung, die Christo unterworfen sein soll und ein Gegenstand Seiner Fürsorge ist, als nebensächlich. Wie sollen denn die Erretteten zu einem individuellen und kollektiven Wandel geführt werden, der den Herrn verherrlicht? Aber man kann die Seelen nicht über das hinausführen, was man selber verstanden hat und verwirklicht.

Verse 24 bis 28

Während der Abwesenheit des Paulus kam Apollos, ein aus Alexandrien gebürtiger Jude, nach Ephesus. Er war beredt mächtig in den Schriften, in dem Wege des Herrn unterwiesen, inbrünstig im Geist und redete und lehrte sorgfältig die Dinge von Jesu. Aber er kannte nur die Taufe Johannes. Es war ein Mann, der für den Dienst, zu dem der Herr ihn jetzt führte, zubereitet war. Er besaß in der Kenntnis des Wortes eine gute Grundlage und wusste mehr davon, als die beiden Jünger auf dem Wege nach Emmaus, die beim Lesen der Schriften sich nur bei den Dingen aufhielten, welche sie selbst betrafen, und die das, was sich auf Jesum bezog, nicht darin gesehen hatten. Aber wenn das Herz dem Herrn anhängt, ist es auf dem Wege, der zu geistlichem Verständnis führt. Die Erkenntnis des Apollos reichte noch nicht bis zu einem auferstandenen und verherrlichten Christus. Als er mit Freimütigkeit in der Synagoge zu reden anfing, erkannten Aquila und Priscilla, was ihm fehlte. Sie verwirklichten das, was Paulus den Thessalonichern sagte (1. Thess. 5,19-21): «Den Geist löschet nicht aus; Weissagungen verachtet nicht; prüfet alles, das Gute haltet fest.» Doch legten sie ihm den Weg Gottes genauer aus. Sie belehrten ihn darüber, wie Gott Seinen Ratschluss durch den Tod, die Auferstehung und die Verherrlichung Seines Sohnes ausgeführt hat.

In Aquila und Priscilla sehen wir ein vorbildliches, christliches Ehepaar, das sich den Interessen des Herrn völlig hingab. Priscilla, manchmal vor ihrem Manne genannt, muss eine hervorragende Christin gewesen sein, aber ihre Erkenntnis verleitete sie nicht dazu, den Platz der Gehilfin, den Gott der Frau gegeben hat, zu verlassen. Beide zusammen unterwiesen Apollos im Stillen in den Wahrheiten, die ihm noch fehlten.

Bereichert durch die Kenntnis dieser christlichen Wahrheiten, nahm sich Apollos vor, nach Achaja zu reisen. Die Brüder von Ephesus, die eine völlige Gemeinschaft mit ihm und seinem Dienst verwirklichten, empfahlen ihn den Jüngern jener Gegenden. Dort trug er durch die Gnade Gottes viel zum Wachstum der Gläubigen bei; öffentlich und mit großer Kraft widerlegte er die Juden, indem er durch die Schriften bewies, dass Jesus der Christus ist. Er befand sich dort auf dem Boden, wo Paulus gepflanzt hatte, und er begoss ihn mit dem Segen des Herrn (1. Kor. 3,6). Ihr Dienst kam aus derselben Quelle; sie arbeiteten im selben Geiste, ohne sich gesehen zu haben. Apollos gehörte nicht zum Mitarbeiterkreis des Apostels, sondern war ein vom Herrn direkt abhängiger Diener und wurde als solcher von Paulus anerkannt. Paulus hatte ihm einmal viel zugeredet, zu den Korinthern zu gehen; aber Apollos war damals durchaus nicht willens, es zu tun; er wollte dahin gehen, wenn er dazu eine gelegene Zeit fand (1. Kor. 16,12). Das war eine Sache zwischen dem Herrn selbst und ihm.

Kapitel 19, Verse 1 bis 7

Nachdem Paulus die Gegenden im Nordosten von Kleinasien besucht hatte, kam er nach Ephesus, während Apollos in Korinth war. Da fand der Apostel gewisse Jünger, bei denen er feststellen musste, dass sie den Heiligen Geist noch nicht hatten, der doch den Christen kennzeichnen soll. Sie waren nur mit der Taufe des Johannes getauft und hatten noch nicht einmal gewusst, dass der Heilige Geist da war, das heißt, dass Sein in den Schriften und durch Johannes angekündigtes Kommen schon erfolgt sei. In Johannes 7,39 lesen wir: «Denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war.» Der Apostel belehrte sie über die Bedeutung der Taufe des Johannes, die eine Taufe der Buße war. Die von Johannes Getauften anerkannten das Urteil, das Gott über den Menschen gefällt hat, und sie waren zubereitet, Jesum, der kommen sollte, zu empfangen. Christus hat durch Seine Verwerfung seitens der Menschen, durch Seinen Tod und Seine Auferstehung, für den Gläubigen den Weg zum Himmel geöffnet und dieser soll nun in dieser Welt einem verworfenen Christus nachfolgen, indem er auf Ihn, auf Seinen Tod hin, getauft ist. Die christliche Taufe bezieht sich auf einen gestorbenen Christus; die Taufe Johannes‘ aber auf einen Christus, der hienieden lebt. Nachdem sie den Apostel gehört hatten, wurden diese Jünger auf den Namen des Herrn Jesus getauft und so durch das Zeichen Seines Todes in einen neuen Zustand der Dinge eingeführt. Sie anerkannten die Herrschaft Jesu, und lernten all die Segnungen kennen, die sich auf das Werk des Kreuzes und auf die durch Christum eingenommene Stellung in der Herrlichkeit gründen. Paulus legte ihnen die Hände auf, und sogleich kam der Heilige Geist auf sie. Bis jetzt besaßen sie die göttliche Natur, wie alle Gläubigen des Alten Testamentes. Von nun an hatten sie Leben in Überfluss, und die Gegenwart des Heiligen Geistes gab sich in ihnen kund, wie am Tage der Pfingsten. Sie redeten in Sprachen und weissagten. Es waren etwa zwölf Männer.

Verse 8 bis 16

Der Apostel nahm nun den Dienst wieder auf, den er wegen seiner Reise nach Jerusalem verlassen hatte (Kap. 18,19-22), und wurde dabei vom Heiligen Geiste, der ihn früher verhindert hatte, das Wort in Asien zu reden, mächtig unterstützt. Drei Monate lang unterredete er sich in der Synagoge mit Freimütigkeit mit den Juden über die Dinge des Reiches Gottes. In Kapitel 20,2 sagte er zu den Ältesten der Versammlung, er habe unter ihnen «das Reich Gottes gepredigt». Was dieses Reich kennzeichnete, war Gott, so, wie Er Sich in Christo, der dieses Reich persönlich darstellte, geoffenbart hat. Man musste von neuem geboren sein, um in Seiner Person das Reich zu sehen (Joh. 3). In Lukas 17,21 finden wir das Wort des Herrn: «Das Reich Gottes ist mitten unter euch.» Es kam nicht in einer Weise, welche die Aufmerksamkeit auf sich zog. In Römer 14,17 lesen wir: «Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geiste.» Es ist ein Zustand der Dinge, wo die Rechte und das Wesen Gottes anerkannt und verwirklicht werden.

Paulus lehrte drei Monate unter den Juden. Als sich aber einige von ihnen verhärteten und nicht glaubten und vor der Menge übel redeten von dem Wege, zog er sich mit den Jüngern von ihnen zurück und verkündigte von da an, während zweier Jahre, das Wort in der Schule des Tyrannus. Wenn die Zuhörer das an sie gerichtete Wort nicht aufnehmen, übt es eine verhärtende Wirkung aus. So erging es dem Volke Israel, und so wird es auch der Christenheit ergehen und jedem, der das Wort nicht auf sein Gewissen einwirken lässt. Wie feierlich ernst ist dies! Die Zeit der Langmut Gottes war für die Juden vorüber. Wohl wandte sich der Apostel zuerst an sie, aber er wusste, dass er zu den Nationen gesandt war. Damit seine Predigt für die Nationen wirksam war, musste er sich von denen, die dem Worte widerstanden, trennen, und auch die Gläubigen von ihnen absondern. Denn der Einfluss der Juden war schädlich für die Menge, vor welcher sie von dem Wege übel geredet hatten, dem Wege des Zeugnisses, auf welchem Gott die Gläubigen führt, einem Wege, der in den Himmel mündet, durch eine Welt hindurch, die Gott widersteht.

Im Laufe der zwei Jahre, während welchen Paulus in der Schule des Tyrannus das Wort verkündigte, hörten alle, die in Asien wohnten – eine Provinz, wovon Ephesus die Hauptstadt war – das Wort des Herrn, sowohl Juden als Griechen.

Die Macht des Herrn wirkte in jenen Tagen ohne Hindernisse. Gott ließ durch Paulus außerordentliche Wunder geschehen: Kranke wurden geheilt und Dämonen ausgetrieben. Diese Macht kennzeichnet das Werk in diesem Kapitel. Durch das Auflegen der Hände des Apostels kam der Heilige Geist auf die zwölf Männer. Diese selbe Macht erwies sich auch siegreich über die Krankheiten und die Dämonen. Die Dämonen gaben dieser Macht Zeugnis, als die Söhne des Skeva glaubten, sich ihrer bedienen zu können, um sie auszutreiben. Schon früh hat der Feind die Tätigkeit des Geistes nachzuahmen versucht, wie wir es auch im 8. Kapitel bei Simon, dem Zauberer, gesehen haben. Aber, wie im Falle von Jannes und Jambres, wurde ihre Torheit bald offenbar. Der böse Geist sagte zu den Söhnen des Skeva: «Jesum kenne ich und von Paulus weiß ich; aber ihr, wer seid ihr?» Ihr Zustand wurde offenbar. Sie flohen nackt und verwundet aus dem Hause hinaus.

Verse 17 bis 20

Durch dieses Ereignis, bei dem die Betrügerei der Söhne des Skeva sowohl den Juden als auch den Griechen, die zu Ephesus wohnten, offenbar wurde, fiel Furcht auf sie alle, und der Name des Herrn wurde erhoben. Furcht ist die erste Wirkung auf eine Seele, die sich der Gegenwart Gottes bewusst wird. Aber es muss ihr eine heilsame Wirkung auf das Gewissen folgen, die dazu führt, die Befreiung zu suchen. Ohne Gewissensübungen ist die Furcht nur vorübergehend. Von Noah wird gesagt, dass er, als er einen göttlichen Ausspruch empfangen hatte, von Furcht bewegt zur Rettung seines Hauses eine Arche baute (Hebr. 11,7). Der Schächer am Kreuz sagte zu seinem Genossen: «Auch du fürchtest Gott nicht?» Er anerkannte das gerechte Urteil, unter dem sie standen. «Die Furcht Gottes ist der Weisheit Anfang» (Ps. 111,10).

Bei einer großen Anzahl Ephesern, unter welchen der Name des Herrn Jesus erhoben worden war, zeigten sich wunderbare Wirkungen. Der Name ist der Ausdruck der Person, die ihn trägt. Die Kraft des Namens Jesu vollbringt große Dinge.

Die Furcht wurde bei vielen von denen, die nicht nur ihren Zustand der Sünde vor Gott erkannten, sondern auch öffentlich bekannten, was sie getan hatten, vom Glauben begleitet. Als Zeugen der Vorgänge, durch die die Macht Satans enthüllt worden war, trugen viele von denen, die vorwitzige Künste getrieben hatten, die Bücher zusammen und verbrannten sie vor allen. Sie verurteilten damit ihre bösen Werke, sagten sich mit Entschiedenheit davon los und wurden von diesen Dingen befreit. Viele Gläubige sind wieder Opfer von Dingen geworden, die sie bei ihrer Bekehrung verurteilten; sie haben nicht radikal damit gebrochen. Diese Bücher stellten einen großen materiellen Wert dar; die Erwähnung dieser Tatsache zeigt, dass man nicht darauf sehen soll, was es kostet, Dinge aufzugeben, die mit dem christlichen Wandel unvereinbar sind. Diese Summe lässt auch den Zustand der Welt unter der Macht Satans erkennen: Bücher über okkulte Dinge haben einen großen Wert für sie. Die Menschen schätzen das Wort, das uns Gott und Seine große Liebe für die Sünder offenbart, nicht so hoch ein. Es ist betrübend, feststellen zu müssen, dass man in der Christenheit den Glauben an das Wort Gottes mehr und mehr aufgibt, um sich dämonischen Offenbarungen zuzuwenden. Man tut es auf eine feinere Weise als die Götzendiener von damals, aber es führt zur Anbetung des Menschen, zu einem Gericht Gottes gegenüber denen, die der Wahrheit nicht geglaubt haben.

Gott redete nicht nur durch Wunderwerke, die im 11. Vers erwähnt werden, zu den Menschen; durch Seinen Geist wirkte Er auch mittels des Wortes des Herrn; im 20. Vers lesen wir: «Also wuchs das Wort des Herrn mit Macht und nahm überhand.» Gott bestätigte dieses Wort durch Zeichen der Macht; siehe Hebräer 2,4: «Indem Gott außerdem mitzeugte, sowohl durch Zeichen als durch Wunder und mancherlei Wunderwerke.» Aber die Wirksamkeit auf das Gewissen und auf das Herz vollzog sich nicht durch die Wunder, sondern durch das Wort, das wir heute noch haben. Durch das Wort vollführt der Geist Gottes Sein Werk in den Seelen, auch wenn die Wundermacht in der Christenheit, die von einem toten Bekenntnis beherrscht wird, nicht mehr wirksam ist. Die Erweckung im letzten Jahrhundert, die dem Aufwachen der Jungfrauen (Matth. 25) entsprach, kam nicht aus Wundern hervor, sondern durch die Wirksamkeit des Wortes, das die Rückkehr des Herrn ankündigt.

Kapitel 19, Verse 21 bis 22

Nun ging die Zeit des öffentlichen Dienstes des Apostels ihrem Ende zu. Paulus setzte sich in seinem Geiste vor, nachdem er Mazedonien und Achaja durchzogen habe, nach Jerusalem zu reisen, und sprach: «Nachdem ich dort gewesen bin, muss ich auch Rom sehen.» Er verweilte aber noch eine Zeitlang in Asien, nachdem er Timotheus und Erastus nach Mazedonien gesandt hatte.

Dieser sein Wunsch, Rom zu sehen, entsprach dem Gedanken Gottes. Als er in Jerusalem gefangen genommen wurde, sagte ihm der Herr: «Sei guten Mutes! Denn wie du von mir in Jerusalem gezeugt hast, so musst du auch in Rom zeugen» (Apg. 23,11). Aber Paulus wusste nicht, unter welchen Umständen er dahin kommen würde.

Verse 23 bis 41

Während der ganzen Zeit des Dienstes des Apostels in Ephesus erlaubte der Herr dem Satan nicht, ihn zu verfolgen, oder einen offenen Widerstand gegen ihn herbeizuführen. Jetzt aber, als das Werk abgeschlossen war, ließ Er ihn einen Sturm entfachen, der jedoch nur dessen Ohnmacht zeigte. Die Gläubigen hatten den durch das Licht des Evangeliums bloßgestellten Götzendienst aufgegeben, und dies hatte zur Folge, dass die Hersteller von Gegenständen dieses heidnischen Kultes ihren Erwerb schwinden sahen. Satan bediente sich des Demetrius, und dieser versammelte die Künstler und Arbeiter, denen er durch die Anfertigung von silbernen Tempeln der Artemis Arbeit verschaffte, und sagte ihnen unter anderem: «Dieser Paulus hat nicht allein von Ephesus, sondern beinahe von ganz Asien eine große Volksmenge überredet und abgewandt, indem er sagt, dass es keine Götter seien, die mit Händen gemacht werden.»

Diese «Überredung» war nichts anderes als die Macht des Wortes des wahren Gottes, deren Auswirkungen sich zu allen Zeiten bemerkbar machen. So hatten auch die Juden festgestellt, dass der Herr sie «lehrte wie einer, der Gewalt hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten» (Matth. 7,29). Auch die Obersten des Volkes verwunderten sich beim Anhören der ungelehrten und ungebildeten Jünger (Apg. 4,13). Der Feind fürchtet sich vor der Macht des Wortes.

Um die Unterstützung der Volksmenge zu gewinnen, hob Demetrius die Bedeutung dieser großen Göttin hervor, die der ganze Erdkreis verehre. Wenn sie ihr Ansehen verlöre, würde dies zum Verlust ihrer aller Verdienstquelle führen. Da wurden sie von Wut erfüllt und schrien: «Groß ist die Artemis der Epheser!» Dabei geriet die ganze Stadt in Verwirrung. Einmütig stürmten sie nach dem Theater und rissen die Mazedonier, Gajus und Aristarchus, die Reisegefährten des Paulus, mit sich fort.

Paulus wollte unter das Volk gehen, aber die Jünger hielten ihn davon ab. Es hätte ihm nur  Schaden gebracht und dem Evangelium nichts genützt. Auch die Asiarchen, welche die religiösen Zeremonien und öffentlichen Spiele zu leiten hatten, redeten ihm zu und baten ihn, nicht nach dem Theater zu gehen. Diese Männer werden «seine Freunde» genannt. Das will nicht heißen, dass sie schon Christen waren, aber sie standen unter dem starken Eindruck der Lehre des Apostels. Gott benützte sie und die Jünger, um Paulus vor dem Bösen zu bewahren, dem er sich inmitten einer aufgebrachten Menge, die eigentlich gar nicht wusste, um was es ging, ausgesetzt hätte.

Die Juden stießen einen gewissen Alexander in den Vordergrund, der sich vor dem Volke verantworten wollte. Sobald sie aber erkannten, dass er ein Jude war, schrien sie zwei Stunden lang: «Groß ist die Artemis der Epheser!» In Jeremia 50,38 wird gesagt: «Sie rasen (haben allen Verstand verloren) durch ihre erschreckenden Götzen». Welch ohnmächtige Götzen, die man auf eine solche Weise verteidigen muss! Die Verantwortung Alexanders hatte wohl kein anderes Ziel als das, den Griechen klar zu machen, dass die Juden, obwohl sie keine anderen Gottheiten anerkannten als den wahren Gott, sich ebenfalls der Lehre des Paulus widersetzten. Da die Griechen aber die Juden verabscheuten, half ihre Intervention nur, den Tumult zu erhöhen.

Gott bediente sich der Weisheit des Stadtschreibers, um die Ruhe wieder herzustellen. Er stellte fest, dass die herbeigeführten Männer weder Tempelräuber seien noch ihre Göttin gelästert hätten, und zeigte, dass man diese Dinge nicht mit materiellen Interessen vermengen sollte, die vor dem Gericht abgeklärt werden müssten. Wenn wegen anderer Dinge ein Gesuch vorliege, so müsse es in der gesetzlichen Versammlung erledigt werden. Nachdem er in dieser Weise alles an seinen Platz gestellt hatte, entließ er die Versammlung.

Die Lehre des Paulus hatte dem Feinde keinerlei Angriffsfläche geboten. Er hatte das Wort Gottes verkündet und den Menschen die wunderbaren Ergebnisse des Werkes Jesu Christi vorgestellt. Er ging nicht darauf aus, die von den Ephesern so hoch verehrten Gottheiten anzugreifen. Das ist ein Beispiel, das wir nachahmen sollten, wo immer wir die Wahrheit zu bezeugen haben. Das Wort hat seine eigene Kraft und wird den Irrtum ins rechte Licht rücken. Wir sollen uns bemühen, durch die Wahrheit aufzuerbauen, und nicht ohne ihre Hilfe falsche Ansichten zu zerstören suchen, besonders dann nicht, wenn die Menschen diese Dinge, die sie festhalten, als heilig betrachten. Wird man aber von denen, die erleuchtet zu werden wünschen, befragt, wird der Herr zum Antworten Weisheit darreichen.

Kapitel 20, Verse 1 bis 6

Paulus nahm von den Christen in Ephesus Abschied und reiste nach Mazedonien ab. Unterwegs suchte er die Jünger auf und ermahnte sie mit vielen Worten. Wir haben schon einmal festgestellt, dass sich Paulus nicht daran genügen ließ, zu wissen, dass die Menschen, denen er das Evangelium verkündigte, gerettet waren. Damals wie heute ging es auch darum, die Versammlung Gottes zu bilden, und der Apostel widmete ihr alle Sorgfalt. Er schrieb den Kolossern (Kap. 1,24. 25): «Ich ergänze in meinem Fleische, was noch rückständig ist von den Drangsalen des Christus für seinen Leib, das ist die Versammlung, deren Diener ich geworden bin…» Der Herr hatte gelitten, um sie zu erkaufen und Paulus litt, um sie zu befestigen. Nachdem sie an verschiedenen Orten gebildet war, arbeitete er an ihrer Auferbauung und Befestigung, damit sie entsprechend der Höhe ihrer Berufung wandle und die Wesenszüge ihres Herrn im Zeugnis vor der Welt darstelle. Er trug Sorge um alle Versammlungen (2. Kor. 11,28). Er kannte die Wachsamkeit des Feindes Christi, der aus jeder Untreue der Gläubigen Nutzen zu ziehen weiß, um dem «Zeugnis unseres Herrn» zu schaden (2. Tim. 1,8). Wer bei der Verkündigung des Evangeliums nur das eine Ziel kennt, Seelen in den Himmel zu führen, bleibt hinter den Gedanken des Herrn weit zurück; denn Er ist gestorben, um «die zerstreuten Kinder Gottes in eins zu versammeln.» Er hat Vorsorge getroffen, damit sich die Bildung der Versammlung nach Seinen Gedanken vollziehen kann bis zu dem Augenblick, wo Er sie Sich in vollkommener Schönheit darstellen wird. Man darf daher das Evangelium von der Wahrheit über die Versammlung, wie wir sie in den Schriften des Apostels besitzen, nicht trennen.

Von Mazedonien aus gelangte Paulus nach Griechenland, wo er sich drei Monate aufhielt. Hierauf wollte er nach Syrien und Jerusalem abfahren; aber Gott fügte es, dass ihm durch die Feindseligkeit der Juden ein Hindernis in den Weg gelegt wurde, so dass er genötigt war, nach Mazedonien zurückzukehren, wo er noch von Nutzen sein sollte. Paulus handelte mit Vorsicht und setzte sich nicht unnötigerweise den Anschlägen der Juden aus. Bei aller Gewissheit, dass Gott uns beschützen wird, sollen wir uns nicht blindlings den Gefahren aussetzen. Im Blick auf Seine Jünger sagte der Herr: «Siehe, ich sende euch wie Schafe inmitten von Wölfen; so seid nun klug wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben. Hütet euch aber vor den Menschen» (Matth. 10,16.17).

Eine Anzahl Brüder begleiteten den Apostel; Sopater bis nach Asien, sechs andere aber, die im vierten Vers genannt sind, und wohl auch Lukas, der treue Begleiter, gingen ihm voraus und warteten in Troas auf ihn. Die Erwähnung ihrer Namen zeigt das Interesse, das der Herr an denen nimmt, die in irgendeiner Weise in Seinem Werke arbeiten. Diese Brüder umgaben den großen Apostel und dienten ihm in dem Werke, das ihm so viel Leiden von Seiten der Menschen eintrug. Jede Arbeit für den Herrn, die mit dem Wunsche getan wird, Seinen Namen bekannt zu machen, Seine Interessen zu verfechten und die Wahrheit auszurufen, ist kostbar in Seinen Augen und wird zu seiner Zeit belohnt werden. Unter den sechs Brüdern befand sich Timotheus, von dem der Apostel bezeugte, dass er, wie ein Kind dem Vater, ihm gedient habe an dem Evangelium (Phil. 2,19-22).

Über diese Reise, die in diesen Versen nur kurz zusammengefasst ist, finden wir in den Briefen an die Korinther und an die Römer nützliche Mitteilungen. Während seines Aufenthaltes in Ephesus schrieb Paulus den ersten Brief an die Korinther und ließ ihn durch Titus überbringen (2. Kor. 2,13; 7,13-14). Von Ephesus aus sandte er Timotheus und Erastus nach Mazedonien, während er noch eine Zeitlang in Asien blieb (Apg. 19,21-22). Als er sich dann selbst auf dem Wege nach Mazedonien befand, war er in Sorge um die Korinther und über die Wirkung seines ersten Briefes. Er kam nach Troas und hoffte dort Titus mit Nachrichten von Korinth zu finden. Als er ihn aber dort nicht fand, habe er keine Ruhe im Geiste und war daher nicht in der Lage, in jener Stadt das Wort zu verkündigen, obwohl ihm eine Tür des Evangeliums im Herrn aufgetan wurde (2. Kor. 2,12-13). Schließlich trafen sie sich, wir wissen nicht wo; Paulus schrieb seinen zweiten Brief an die Korinther und kam nach Griechenland. Von all diesem erwähnt der Bericht der Apostelgeschichte nur das, was wir in den ersten zwei Versen unseres Kapitels finden. Während seines dreimonatigen Aufenthaltes in Griechenland schrieb Paulus den Brief an die Römer, der die Andeutung über seine bevorstehende Reise nach Jerusalem enthält, bei welchem Anlass er die Beisteuer der Versammlungen in Mazedonien und Achaja für die Dürftigen in Jerusalem überbringen wollte (1. Kor. 16,1-4; 2. Kor. 8 und 9). Nach Erfüllung dieser Mission und nach Vollendung des Werkes in seinen bisherigen Arbeitsgebieten gedachte er nach Rom und von da nach Spanien weiterzureisen. Doch ist er vermutlich nie in jenes Land gekommen (Röm. 15,23-33).

Verse 7 bis 12

In Troas, wo sich Paulus das letzte Mal nicht hatte aufhalten können, weil er Titus entgegenging, verweilte er nur sieben Tage, und am ersten Tage der Woche waren sie versammelt, um Brot zu brechen. Wir haben hier also eine deutliche Erwähnung der Tatsache, dass sich die Versammlungen damals schon an diesem Tage zu versammeln pflegten, um Brot zu brechen. Wenn auch anfänglich, wie es scheint, das Brot täglich gebrochen wurde (Apg. 2,46), so wird hier doch der Tag des Herrn, dessen Bedeutung in Johannes 20,1 hervorgehoben wird, als der Tag bezeichnet, wo beim Brechen des Brotes Sein Gedächtnis gefeiert werden soll. «Am ersten Tage der Woche aber, als wir versammelt waren, um Brot zu brechen», wird hier gesagt. Es geschah also nicht gelegentlich, sondern regelmäßig. Diese eine Stelle genügt schon, um uns zu veranlassen, heute dasselbe zu tun. Das Wort enthält keine Andeutung, woraus hervorginge, dass man das Abendmahl nur nach längeren Zwischenräumen feiern sollte.

Nebenbei können wir uns merken, dass uns in drei Evangelien die Einsetzung des Abendmahls berichtet wird; in unserer Stelle haben wir ein Beispiel dieser Feier und in 1. Kor. 11 die Belehrung darüber.

Im Bewusstsein, dass er die Gläubigen dieser Gegenden wohl nicht mehr sehen würde, nahm Paulus die Gelegenheit wahr, um das Wort bis nach Mitternacht zu verkündigen. Er wusste, wie wichtig seine Belehrung bezüglich der Versammlung war, deren Geheimnis ja nur ihm geoffenbart wurde; auch stand er unter dem Eindruck, dass jetzt sein Dienst in diesen Gegenden zu Ende ging. Die damaligen Gläubigen hatten noch nicht das Vorrecht der Unterweisung durch das geschriebene Wort; sie besaßen im Blick auf die Wahrheiten der Versammlung nur diese mündliche Belehrung.

Damals schon kam es vor, dass sogar bei sehr wichtigen Wortverkündigungen das  Interesse  durch Schläfrigkeit beeinträchtigt wurde. Es hat dem Geist Gottes gefallen, uns die Umstände zu beschreiben, die den Schlaf des Eutychus begünstigten: Es brannten viele Fackeln in jenem Obersaal. Gott kam durch Paulus dem Verunglückten in Barmherzigkeit zu Hilfe. Der Jüngling wurde wieder lebendig.

Hierauf setzte Paulus die Wortverkündigung noch bis zum Anbruch des Tages fort. Die Umstände machen dies ohne weiteres verständlich. Am frühen Morgen reiste Paulus weiter.

Verse 13 bis 16

Auf Anordnung des Paulus gingen ihm seine Begleiter im Schiff nach Assos voraus; er selbst wollte ihnen zu Fuß folgen. Zweifellos empfand er das Bedürfnis, sich in Stille zu sammeln. Für jeden Diener des Herrn ist es ein unbedingtes Erfordernis, recht oft in der Gegenwart Gottes stille Augenblicke zu verbringen, fern von jeder Ablenkung. Auch der göttliche Diener zog sich in die Einsamkeit zurück, um die Nacht hindurch zu beten (Luk. 5,16; 6,12). Von Assos aus begaben sich Paulus und seine Mitarbeiter über Mitylene, Chios, Samos und Trogyllion nach Milet. Der Apostel wollte sich in Ephesus, wo ein Besuch mehr Zeit in Anspruch genommen hätte, als ihm zur Verfügung stand, nicht mehr aufhalten; denn er wünschte am Tage der Pfingsten in Jerusalem zu sein. Daher ließ er die Ältesten von Ephesus nach Milet kommen.

Kapitel 20, Verse 17 bis 21

Die Ansprache des Paulus an die Ältesten von Ephesus hat auf die ganze Versammlung Bezug und ist in der Geschichte der Kirche ein wichtiger Markstein.

Sein Dienst in Asien war vollendet. Er war im Begriff abzureisen und ließ die Versammlungen ohne apostolische Autorität und Fürsorge zurück, die er ihnen mit so viel Liebe und Hingebung hatte angedeihen lassen. Er übertrug sie nicht auf andere Apostel. Er gab ihnen keinerlei Nachfolger, sondern befahl sie Gott und dem Worte Seiner Gnade an. Das Schiff, das bis dahin von einem geschickten Steuermann geleitet worden war, sollte nun ohne ihn den Hafen verlassen, war aber im Besitz alles Nötigen, um den Gefahren der Überfahrt begegnen zu können.

Der Apostel stellte den Ältesten ihre Verantwortung vor, die Herde Gottes zu hüten und über sie zu wachen; denn der Feind werde nicht verfehlen, aus seiner Abwesenheit Nutzen zu ziehen; er werde durch Männer aus ihrer Mitte, wie auch durch von außen kommende Wölfe, sein Werk der Zerstörung tun. Diese Verantwortung liegt auf allen, die tatsächlich den Charakter von Ältesten besitzen, auch wenn sie nicht, wie zu den Zeiten der Apostel, öffentlich als solche bezeichnet worden sind.

Diese Ansprache lässt sich in vier Abschnitte einteilen. Der erste umfasst die Verse 17-21; die drei anderen beginnen in den Versen 22, 25 und 32 mit den Worten: «Und nun». Im ersten Abschnitt erinnert der Apostel an sein Verhalten und an seine Tätigkeit in Asien; im zweiten (Verse 22-24) spricht er von dem, was vor ihm persönlich lag: Seine geplante Reise nach Jerusalem, die Vollendung seines Laufes und des Dienstes, den er vom Herrn empfangen hatte; im dritten (Verse 25-31) kündigt er an, was sich nach seinem Weggang ereignen wird und gibt den Ältesten Ermahnungen. Sie sollen achthaben auf sich selbst und auf die Herde.

Im vierten Abschnitt, der mit dem 32. Vers beginnt, weist er auf die Hilfsquellen hin, woraus die Heiligen in den kommenden Zeiten, in welchen sie den Dienst des Apostels entbehren mussten, schöpfen konnten. Der Kirche blieben noch die inspirierten Schriften des Apostels; sie gehören zu dem ganzen Wort der Gnade Gottes, Dem er sie anbefahl.

Paulus übte sich von Anfang an, ein gutes Gewissen zu haben. Darum konnte er sich hier auf seinen Wandel berufen, um seine Ermahnungen zu bekräftigen. Er hatte dem Herrn mit aller Demut und mit Tränen gedient – Kennzeichen eines Dieners, der dem Beispiel seines göttlichen Meisters folgt. Was bei ihm Tränen verursachte, das waren die Gefahren jeder Art, denen er die Erlösten des Herrn ausgesetzt sah; sie kamen aus der Furcht, dass ihr Wandel nicht zur Verherrlichung des Herrn sein könnte. Paulus wurde besonders durch den Widerstand der Juden geprüft, die jedes Mal außer sich gerieten, wenn sie feststellten, dass er in seinem Dienst sowohl aus ihnen, wie auch aus den Heiden, auf demselben Boden Gefäße der Begnadigung machen wollte. Die Gnade hat bei den Selbstgerechten noch immer Widerstand hervorgerufen. Aber trotz dieser Feindschaft hatte er nichts zurückgehalten von dem, was allen nützlich war.

Der Apostel hebt vier wichtige Punkte hervor, die Gegenstände seiner Verkündigung waren: Er beharrte sowohl den Juden als auch den Griechen gegenüber auf der Notwendigkeit der «Buße zu Gott» und des «Glaubens an unseren Herrn Jesus Christus» (Vers 21). Er «bezeugte das Evangelium der Gnade Gottes» (Vers 24). Er predigte «das Reich Gottes» (Vers 25). Er hatte ihnen «den ganzen Ratschluss Gottes» verkündigt (Vers 27). In diesen Gegenständen, die die ganze Lehre des Christentums umfassen, gibt es eine Steigerung.

Die Buße zu Gott und der Glaube an unseren Herrn Jesus Christus stellen das Werk dar, das zu einer wahren Bekehrung nötig ist. Ohne Buße gäbe es keinen wahren Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, ohne Glauben aber auch keine wahre Buße. Die Buße ist eine Sinnesänderung im Herzen des Unbekehrten, eine Änderung in der Beurteilung seiner selbst und seines Tuns. Statt weiterhin zu meinen, er sei gut und gerecht, lernt er unter der Einwirkung des Wortes Gottes auf sein Gewissen verstehen, dass er ein elender, verlorener Sünder ist, der Gott durch seine Sünden beleidigt hat. Er sagt nun wie David in Psalm 51,4: «Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt, und ich habe getan, was böse ist in deinen Augen.» Dementsprechend ändern sich auch seine Gedanken Gott gegenüber, so, wie die Gedanken des «verlorenen Sohnes» über seinen Vater bei seiner Heimkehr ganz anders waren als jene, die ihn beim Verlassen des Vaterhauses erfüllten, und ganz anders als die Gedanken seines älteren Bruders. Der Bußfertige erkennt, dass er das Gericht Gottes verdient hat; aber es ist ihm Gnade angeboten, und er empfängt durch Glauben an den Herrn Jesus Christus, der an seiner Stelle das Gericht ertragen hat die Vergebung seiner Sünden, Das war es, was Paulus als Herold, Apostel und Lehrer der Nationen (2. Tim. 1,11) verkündet und gelehrt hat. Er tat es öffentlich und in den Häusern. Heute muss man bei der Evangeliumsverkündigung mehr denn je auf der Buße zu Gott beharren, damit echte Bekehrungen stattfinden. Denn, wenn nur Gnade gepredigt wird und keine wirkliche Sündenerkenntnis daraus hervorgeht, so lässt der Zustand derer, die das Evangelium annehmen, immer etwas zu wünschen übrig. – Das Werk der Buße setzt sich auch nach der Bekehrung fort und vertieft sich noch (Jer. 31,19); durch tiefere Selbsterkenntnis und bessere Einsicht in die Schrecklichkeit der Sünde gelangt der Erlöste auch zu einer tieferen Erkenntnis Gottes und Seiner Gnade.

Verse 22 bis 24

Paulus hatte nun die Reise nach Jerusalem vor sich, vielerlei Trübsale und das Ende des Dienstes, den er von dem Herrn empfangen hatte. Er ging nach Jerusalem, gebunden in seinem Geiste, gedrängt von einer unwiderstehlichen Kraft, nicht wissend, was ihm daselbst begegnen würde, außer dass ihm der Heilige Geist von Stadt zu Stadt bezeugte, dass Bande und Drangsale seiner warteten. Auch Agabus bestätigte dies (Kap. 21,10 und 11).

War es der Wunsch, die Beweise der Liebe und der Gemeinschaft die Gaben der Versammlungen von Mazedonien und Achaja den Gläubigen in Judäa zu überbringen, was ihn in seinem Geiste band? Oder war es seine innige Liebe zum Volke Israel (Röm. 9,1-5) und der große Wunsch, beim Passahfest in Jerusalem zu sein, der sein Herz mit so starken Banden anzog? Er hatte auch vor, nach Rom und nach Spanien zu gehen. Wie dem auch sei, die Hand des Herrn leitete seine Umstände hinter der Szene, damit der Apostel der Nationen seinen Dienst zur Verherrlichung seines Meisters vollenden konnte.

Der Apostel nahm keine Rücksicht auf sein Leben und suchte es nicht zu schonen; das Werk des Herrn war ihm kostbarer. «Auf dass ich meinen Lauf vollende» sagte er, «und den Dienst, den ich von dem Herrn Jesus empfangen habe, zu bezeugen das Evangelium der Gnade Gottes». Das Evangelium der Gnade ist das, was Gott in der Welt zum Heil der Sünder verkündigen lässt, und Paulus war der große Herold dieser Botschaft unter den Heiden. Sie umschließt die ganze Offenbarung Gottes in Gnade und Paulus wollte davon Zeugnis geben bis zur Vollendung seines Laufes, der bis zu dem vom Herrn gesteckten Ziel währte.

Der Apostel, das auserwählte Gefäß, um den Namen des Herrn «sowohl vor Nationen als Könige und Söhne Israels» zu tragen (Kap. 9,15), sagte nach seiner Verantwortung vor dem Hofe in Rom: «Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, auf dass durch mich die Predigt vollbracht werde, und alle die aus den Nationen hören möchten» (2. Tim. 4,17). Da erst war sein Dienst abgeschlossen und er konnte sagen: «Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt» (2. Tim. 4,7). Den Lauf vollenden heißt, alles das ausführen, was der Herr vom Gläubigen verlangt. Wer nicht treu ist, hat ihn nicht vollendet, auch wenn er am Ende seines Lebens anlangt.

Vers 25

In diesem und in den folgenden Versen ermahnt der Apostel die Ältesten und – im Bewusstsein, dass sie ihn nicht mehr sehen würden – zeigt er ihnen an, was sich nach seinem Abschiede ereignen würde.

Er hatte in ihrer Mitte das Reich Gottes verkündigt.

Der Ausdruck «Reich Gottes» stellt im allgemeinen den sittlichen Charakter dieses Reiches dar: Es ist von Gott und muss folglich durch das gekennzeichnet sein, was Gott in denen ist, die dazu gehören. Nachdem ich Jesum als Heiland erkannt habe, lerne ich Ihn auch als meinen Herrn kennen. Er hat alle Rechte an mir, Seinem Erlösten, und ich bin Ihm daher völligen Gehorsam schuldig. Es ist wichtig, immer wieder auf diese Kennzeichen des Reiches Gottes hinzuweisen. Der Gläubige soll zuerst «nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit» trachten und sich bemühen, vor allem die göttlichen Wesenszüge darzustellen; er soll die Interessen des Herrn seinen eigenen voranstellen.

Verse 26 bis 27

Paulus sagte den Ältesten, dass sie sein Angesicht nicht mehr sehen würden und bezeugte ihnen, dass er rein sei von dem Blute aller. Das ist eine Anspielung auf Hesekiel 3,19-21, wo Gott dem Propheten sagte, dass, wenn er den Gesetzlosen nicht warne, er dessen Blut von seiner Hand fordern werde; wenn er ihn aber warne und dieser nicht auf ihn höre, so habe der Prophet seine eigene Seele errettet.

Alle, die in Asien waren, hatten während seines zweijährigen Aufenthaltes in Ephesus das Wort des Herrn gehört (Kap. 19,10). Er hatte das Wort öffentlich und in den Häusern verkündigt und es sowohl Juden als Griechen bezeugt (Verse 20.21). «Ich habe nicht zurückgehalten, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen», sagte er (Verse 26.27). Er war daher «rein von ihrem Blute». Dieser Ausdruck wird hier im Zusammenhang mit der Belehrung der Gläubigen gebraucht. Als Verwalter der Geheimnisse Gottes hinsichtlich der Versammlung hatte Paulus alle erleuchtet, «welches die Verwaltung des Geheimnisses sei» (Eph. 3,9). Er hat das Wort Gottes vollendet, «das Geheimnis, welches von den Zeitaltern und von den Geschlechtern her verborgen war, jetzt aber seinen Heiligen geoffenbart worden ist» (Kol. 1,25.26).

Im Besitze alles dessen, was den Ratschluss Gottes ausmachte, sollten die Ältesten auf sich selbst und auf die ganze Herde achthaben. Ja, zuerst auf sich selbst! Das Wort Gottes muss zunächst in denen wirksam sein, die es weitergeben, sie müssen selbst in einem guten Zustand aufrecht gehalten werden, um die Herde weiden und ihr die «zugemessene Speise» geben zu können zur rechten Zeit, damit sie den Anläufen des Feindes zu widerstehen vermag. Der Heilige Geist setzt die Ältesten in der Mitte der Herde ein, damit sie eine heilige Wachsamkeit ausüben, eingedenk des Wertes, den jedes Lamm für das Herz des Herrn darstellt. Die Herde bildet «die Versammlung Gottes… welche er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.» Paulus bezeichnet hier den Charakter dieser Versammlung (sie ist von Gott) und den Preis, den Er ihr beimisst: Er hat sie sich um den Preis Seines eigenen Sohnes erworben. Diese Überlegung sollte die Ältesten von Ephesus und auch uns zur Wachsamkeit anspornen und uns veranlassen, bei der Beschäftigung mit einem so wunderbaren Gegenstand gebührenden Ernst und Eifer zu zeigen.

In den Schriften des Paulus begegnen wir diesem Ausdruck «Versammlung Gottes» oft, besonders in der ersten Epistel an die Korinther. Er will dort den Abstand zwischen dem praktischen Zustand jener Brüder und dem, was die Versammlung in den Augen Gottes war, dartun. Sie duldeten allerlei Böses in ihr und bewiesen damit, dass sie sie gering einschätzten und ihrem göttlichen Charakter nicht Rechnung trugen.

Durch die Versammlung wird den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern die gar mannigfaltige Weisheit Gottes kundgetan; in der Versammlung, die in Christo Jesu ist, wird auch die Herrlichkeit Gottes auf alle Geschlechter des Zeitalters der Zeitalter hin geoffenbart (Eph. 3,1-21). Sie wird einst mit der Herrlichkeit Gottes vom Himmel herniederkommen, um ein Lichtglanz zu sein, sowohl während des tausendjährigen Reiches (Offb. 21,10.11), als auch im ewigen Zustand (Vers 2), wo sie auf der neuen Erde die Hütte Gottes sein wird. Diese herrliche, für Gott und Seinen Sohn so kostbare Versammlung muss von denen, die zu ihr gehören, in ihrem ganzen Werte und ihrer Herrlichkeit betrachtet werden, besonders aber von denen, die einen Platz der Verantwortung darin einnehmen, damit alles ihrem göttlichen Charakter entspreche. Sie setzt sich aus den Erlösten des Herrn zusammen, die geweidet werden müssen, indem man ihnen die Person Christi vorstellt. In Hesekiel 34,15.16 wird uns gezeigt, wie der Herr sich Seiner Schafe annehmen wird: Er weidet und lagert sie; Er sucht das Verlorene, führt das Versprengte zurück, verbindet das Verwundete und stärkt das Kranke. Welch nachahmenswertes Beispiel!

Der Apostel wusste, dass die Versammlung nach seinem Abschiede verschiedenerlei, von innen und von außen her kommenden Gefahren ausgesetzt sein würde und ihnen nicht zu entrinnen vermag.

Aus ihr selbst würden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger hinter sich her abzuziehen. Das Tun dieser Männer wird in Matthäus 13,33 mit der Wirksamkeit des Sauerteigs verglichen, der den ganzen Teig durchsäuert. Solche Menschen lenken die Seelen von Christo ab und ziehen sie hinter sich her, im Gegensatz zu den wahren Dienern, die sie zu Christo führen, indem sie ihnen Seine Schönheiten bekannt machen. In 2. Johannes 10 wird der «auserwählten Frau» geboten, solche, die die Lehre des Christus nicht bringen, weder aufzunehmen noch zu grüßen.

Die von außen kommenden Wölfe sind die, die in der Christenheit fremde Lehren verbreiten und so der Herde Schaden zufügen. Der Geist Gottes nennt sie Wölfe; aber wenn sie sich den Schafen nähern, haben sie durchaus nicht dieses Aussehen. Der Herr warnt vor ihnen: «Hütet euch aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe» (Matth. 7,15). «Durch süße und schöne Reden verführen sie die Herzen der Arglosen» (Röm. 16,17.18). Die Wölfe vermögen die Versammlung Gottes, die durch Christum gebaut wird, nicht zu zerstören; sie ist auf ihr Fundament gegründet; wenn man sie aber vom Standpunkt ihres Zeugnisses aus betrachtet, so hat sie versagt. Als Herde stehen die Schafe in großen Gefahren, denn sie sind schwach; sie bedürfen der Pflege und der Nahrung.

Kapitel 20, Verse 31 bis 38

Während dreier Jahre hatte Paulus nicht aufgehört, einen jeden mit Tränen zu ermahnen. Die Ältesten sollten nun fortfahren, in derselben Weise und Gesinnung zu wachen, wie es Paulus in ihrer Mitte getan hatte. Sie hatten während seines dreijährigen Aufenthaltes in Ephesus die Möglichkeit, «seine Lehre, sein Betragen, seinen Vorsatz» zu erkennen, drei Dinge, auf die er am Anfang seiner Abschiedsrede hinwies. Auch wies er darauf hin, dass er nichts zurückgehalten habe von dem, was nützlich ist (Vers 20), und dass er ihnen den ganzen Ratschluss Gottes verkündigt habe (Vers 27). Für Brüder, die der Heilige Geist dazu bestimmt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, sind das alles Dinge, die heute wie damals in Betracht gezogen werden sollen. Inmitten des heutigen Verfalls besitzt sie in den Augen Gottes und für den Glauben immer noch dieselbe Größe und denselben Wert.

Die Verse 32-38 bilden den vierten Teil der Rede des Paulus. Zunächst machte er auf die unerschöpflichen und unveränderlichen Hilfsquellen aufmerksam, die der Versammlung jederzeit zur Verfügung stehen. Er sagte den Ältesten nicht, sie sollten die Herde bei ihrem Hinschiede wieder anderen Ältesten anvertrauen; weder er noch Petrus sprachen in irgendeiner Weise von einer apostolischen Nachfolge.

Der freie Dienst des Apostels war zu Ende; aber Gott, der sich die Versammlung durch das Blut Seines eigenen Sohnes erkauft und Paulus Seinen Ratschluss mitgeteilt hat, wird zum Wohle Seiner Versammlung Derselbe bleiben, das heißt so, wie das Wort Ihn selbst Seinen Willen und die Hilfsquellen Seiner Gnade beschreibt. Dieses Wort vermag aufzuerbauen und ein Erbe zu geben unter allen Geheiligten. Es enthält alles, was zur persönlichen und kollektiven Auferbauung erforderlich ist; es führt die Geheiligten, d. h. die in dieser Welt im Hinblick auf das ewige Erbteil für Gott Abgesonderten zum verheißenen Erbe in der Herrlichkeit hin. Gott und Sein Wort sind eins. Siehe auch Hebräer 4,12.13: «Das Wort Gottes ist… ein Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens; und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben.» Dieses Wort bleibt durch alle Jahrhunderte hindurch unveränderlich, wie auch Der, von Dem es herrührt. Was bleibt uns da noch zu wünschen übrig? Wir besitzen es heute in derselben Frische und in derselben Kostbarkeit, wie in den schönsten Tagen der Kirche. Aber lasst es uns denen gegenüber, die seine volle Inspiration leugnen, mit großer Überzeugung festhalten und dabei das, was die Versammlung in Philadelphia kennzeichnete, zu offenbaren suchen: Sie hat das Wort bewahrt und den Namen des Heiligen und Wahrhaftigen nicht verleugnet.

Im 33. Vers wird uns gesagt, was der Apostel nicht tat. Kein selbstsüchtiger Beweggrund hatte ihn zu seiner Tätigkeit unter den Ephesern getrieben, im Gegensatz zum Verhalten einer so großen Zahl unter denen, die an einer sogenannten apostolischen Nachfolge festhalten.

In den Versen 34 und 35 erinnert er an seine Handlungsweise in diesem Zusammenhang: Er hatte den Herrn zum Vorbild genommen. Wenn er ihnen einerseits den Ratschluss Gottes verkündigt hatte und sie später im Epheserbrief daran erinnerte, so zeigte er ihnen anderseits in jenem Brief auch, welches ihr Verhalten unter den Lebensbedingungen sein soll, denen jeder Mensch auf der Erde unterworfen ist: Im Gehorsam gegenüber Gott soll jeder Mensch arbeiten, auch der Christ, aber nicht nur für die eigenen, sondern auch für die Bedürfnisse der Schwachen, und so wird er göttliche Liebe erweisen können. Paulus schrieb den Ephesern (Kap. 4,28): «Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern arbeite vielmehr und wirke mit seinen Händen das Gute, auf dass er dem Dürftigen mitzuteilen habe». (Siehe auch 1. Thess. 4,11. 12.)

Um das Gesagte zu unterstreichen führte Paulus ein Wort des Herrn an, das sich in den Evangelien nicht wörtlich wiederfindet: «Geben ist seliger als nehmen.» In Lukas 14,12-14 ist in einem Bilde dargestellt, was dieses Wort zum Ausdruck bringt.

Diese denkwürdige Begegnung in Milet endete mit einem gemeinsamen, inbrünstigen Gebet. «Es entstand aber viel Weinens bei allen; und sie fielen Paulus um den Hals und küssten ihn sehr, am meisten betrübt über das Wort, das er gesagt hatte, sie würden sein Angesicht nicht mehr sehen. Sie geleiteten ihn aber zu dem Schiffe.»

Es ist möglich, dass Paulus nach seiner ersten Gefangenschaft in Rom eine Zeit der Freiheit genoss. Aus 2. Timotheus 4,13 geht hervor, dass er bei Karpus in Troas einen Mantel und in Milet Trophimus krank zurückließ (Vers 20); auch hatte er beschlossen, in Nikopolis zu überwintern (Tit. 3,12). Aber sonst sagen die inspirierten Schriften über diesen Zeitabschnitt nichts. Das Werk des freien Apostels war mit seiner Gefangennahme abgeschlossen (Apg. 21).

Dank seiner aus Rom und anderen Orten geschriebenen Briefe besitzt die Kirche die den damaligen Versammlungen durch den großen Apostel mündlich erteilten Belehrungen und auch die Unterweisungen, deren wir für die Zeiten des Endes, in denen wir jetzt angelangt sind, bedürfen.

Kapitel 21

Man kann dieses Kapitel nicht lesen, ohne tiefe Traurigkeit zu empfinden. Der geliebte Apostel, den Gott erweckt hat, um den Nationen Seinen Ratschluss zu verkünden, wirft sich aus Liebe zu seinem Volke nach dem Fleische, oder doch wenigstens zu seinen Brüdern in Jerusalem, in die Hände der Juden, wodurch seiner freien Tätigkeit ein Ende gesetzt wird! Nachdem sie den Herrn zu Tode gebracht und das Zeugnis des Heiligen Geistes verworfen haben, werden sie jetzt auch Paulus in die Hände der Nationen ausliefern. Er folgte darin seinem Meister nach. Sie aber hatten nun alles verscherzt und nur noch den Einzelnen blieb der Weg zur Bekehrung offen. Israel ist zum Teil Verstockung widerfahren bis dass die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird; dann aber werden sie als Gegenstände des Erbarmens – auf Grund derselben Gnade, die den Nationen zuteil wurde – die ihnen gegebenen irdischen Verheißungen erlangen, eine Gnade, die ihren Hass immer wieder in so hohem Maße erregt hatte (Röm. 11,25-36).

Was Paulus drängte, nach Jerusalem hinaufzugehen, verhüllte dem Apostel in jenem Augenblick die klare Sicht für die besondere Aufgabe, die ihm gegeben worden war. Es war gewiss eine gute Sache, die Beisteuer der Versammlungen von Mazedonien und Achaja den notleidenden Brüdern in Jerusalem zu überbringen; der Christ soll sich aber nicht nur von dem beherrschen lassen, was an sich gut ist, sondern vom Willen Gottes. Als Paulus nach seiner Bekehrung nach Jerusalem kam, sagte ihm der Herr in einem Gesicht: «Eile und gehe schnell aus Jerusalem hinaus, denn sie werden dein Zeugnis über mich nicht annehmen.» Und: «Ich werde dich weit weg zu den Nationen senden» (Apg. 22,18-21). Die Zwölfe konnten noch in Jerusalem bleiben, obwohl der Herr auch ihnen die Anweisung gegeben hatte, allen Nationen das Evangelium zu verkündigen, anfangend von Jerusalem. Aber das Zeugnis des Paulus von einem himmlischen Christus, in welchem sowohl die Gläubigen aus den Juden als auch die aus den Nationen zu einem einzigen Leibe vereinigt sind, war den Juden viel unerträglicher als das der Zwölfe.

Paulus hätte dem, was der Herr ihm gesagt hatte, Rechnung tragen und vor dem Schmerz über den Abbruch seiner jüdischen Beziehungen mit dem Volke (Röm. 9,3) nicht zurückschrecken sollen. Er teilte die Liebe des Herrn zu Israel, welcher über Jerusalem weinte (Luk. 19,41) und durch den prophetischen Geist ausrief: «Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt.» Der Herr besaß aber den Trost: «Ich habe dich zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde» (Jes. 49,4. 6). Paulus hatte sich dieser Worte bedient, als er den Juden zu Antiochien in Pisidien anzeigte, dass er sich nun zu den Nationen wenden werde (Kap. 13,47). Und nun? … Man sieht, dass sich die Vollkommenheit nur beim Herrn findet. Der glückliche Apostel ist Ihm sehr nahe nachgefolgt; aber er war ein Mensch. Durch seine Schwachheit kommen die Vollkommenheiten des göttlichen Vorbildes nur umsomehr zum Vorschein.

Trotz eines gewissen Maßes von eigenem Willen, der Paulus vom eigentlichen Wege abgelenkt haben mochte, vollführte Gott durch ihn das ganze Werk, das Er Sich vorgenommen hatte. Nur musste jetzt Sein geliebter Diener auf der Straße durch Jerusalem schmerzliche Erfahrungen machen, wo es doch noch einen anderen Weg gab, um nach Rom zu kommen. Der Herr verließ ihn nicht und blieb bei ihm bis zum Ende seines Laufes.

Verse 1 bis 14

Paulus und seine Begleiter schifften sich ein, nachdem sie sich von den Umarmungen der brüderlichen Liebe der Ältesten von Ephesus losgerissen hatten. In Patara angekommen, stiegen sie in ein Schiff um, das nach Phönizien übersetzte, und gingen in Tyrus an Land, wo sie sich sieben Tage aufhielten. Die Jünger sagten Paulus durch den Geist, er möge nicht nach Jerusalem hinaufgehen. Das war eine klare Wegweisung des Heiligen Geistes. Es wird aber nicht erwähnt, welchen Eindruck sie auf den Apostel machte. Am Ende der sieben Tage wurden sie von allen Brüdern, samt ihren Frauen und Kindern, zur Stadt hinaus begleitet, wo sie auf den Knien miteinander beteten.

Es ist bemerkenswert, dass auch die Kinder dabei waren. Die Gläubigen sollen ihre Kinder in alles, was das christliche Leben kennzeichnen soll, einführen. Sie gehören zum Hause des christlichen Vaters und sollen auch dessen Kennzeichen tragen. Das sieht man schon im Alten Testament: «Ich aber und mein Haus, wir wollen Gott dienen!» sagte Josua. (Josua 24,15; siehe auch 2. Mose 13,8; 5. Mose 6,7; 11,19; 32,46). In 2. Chronika 20,13 lesen wir: «Und ganz Juda stand vor Gott, samt ihren Kindlein, ihren Weibern und ihren Söhnen.» Es ist zu befürchten, dass man dies in unseren Tagen oft außer acht lässt und die Kinder nicht veranlasst, sich in den Elementen des christlichen Lebens aufzuhalten. Sie gleichen dann jenen Kindern, von denen in Nehemia 13,24 gesagt wird, dass sie nicht jüdisch, die Sprache des Volkes Gottes, redeten, sondern die Sprache der Welt, mit der sich ihre Väter verbunden hatten.

Von Tyrus gelangten sie nach Ptolemais, wo sie sich einen Tag bei den Brüdern aufhielten. Des folgenden Tages kamen sie nach Cäsarea und gingen in das Haus des Philippus, des Evangelisten, der einer der sieben von der Versammlung in Jerusalem gewählten Diener war (Kap. 6). Er hatte als erster den Städten Samarias das Evangelium gebracht. Der Geist hatte ihn vom Kämmerer weg nach Asdod entrückt (Kap. 8,40) und Philippus verkündigte darauf in allen Städten das Evangelium, bis nach Cäsarea hin, wo er, wie es scheint, wohnte. Er hatte seine Aufgabe als Diener in Jerusalem treu erfüllt und «sich eine schöne Stufe und viel Freimütigkeit im Glauben, der in Christo Jesu ist, erworben» (1. Tim. 3,13). Die Glieder seiner Familie wandelten auf demselben Wege wie er. Er hatte vier Töchter, Jungfrauen, welche weissagten. Diese Tatsache ist durchaus nicht in Widerspruch zu den Unterweisungen des Apostels in 1. Tim. 2,12 und 1. Kor. 14,34-35. Weissagen bedeutet nicht nur, Dinge sagen, die noch nicht geoffenbart sind. Von der Wiederkunft des Herrn zu reden oder einer Seele das Licht der Wahrheiten des Wortes nahezubringen, ist auch ein Weissagen; jede Schwester soll dazu imstande sein; soll es aber nicht in der Versammlung tun. Die Töchter des Philippus taten also einen gesegneten Dienst. Ihr Herz war von Christo erfüllt, und sie redeten auch zu ihren Mitmenschen davon. Der Segen Gottes ruhte auf dem Hause des Philippus, um seiner Treue willen.

Agabus, der Prophet, der schon im 11. Kapitel erwähnt wird, kam von Judäa herab und prophezeite, dass Paulus in Jerusalem gebunden und in die Hände der Nationen überliefert werden würde. Das war nicht nur eine Wegleitung des Geistes durch die Worte von Brüdern, wie im vierten Vers, sondern eine direkte Warnung des Heiligen Geistes, bekräftigt durch eine bildliche Handlung, vor dem, was Paulus begegnen würde. Diese Offenbarung war nicht den Töchtern des Philippus, sondern einem Bruder gegeben worden.

Als die Begleiter des Paulus und die Brüder von Cäsarea dies hörten, baten sie ihn, doch nicht nach Jerusalem hinaufzugehen. «Paulus aber antwortete: Was machet ihr, dass ihr weinet und mir das Herz brechet? Denn ich bin bereit, nicht allein gebunden zu werden, sondern auch in Jerusalem für den Namen des Herrn Jesus zu sterben.» Wunderbare Selbstverleugnung und Hingebung! Aber es war nicht das, was der Herr in jenem Augenblick von ihm verlangte. Er sollte vielmehr seinen Lauf vollenden und den Dienst, den er vom Herrn Jesus empfangen hatte, um das Evangelium der Gnade Gottes zu bezeugen (Kap 20,24). Hatte er nicht vor, nach Rom und nach Spanien zu reisen? (Kap. 19,21; Röm. 1,14. 15; 15,22-24). Jerusalem lag nicht auf dieser Reiseroute. Der Dienst, den er dort ausüben wollte, war der eines Diakons und nicht ein apostolisches Werk.

«Als er sich aber nicht überreden ließ, schwiegen wir und sprachen: Der Wille des Herrn geschehe!» Der Herr ist über allem; Sein Wille wird zur Ausführung kommen. Paulus wird nach Rom gehen, aber in einer ganz anderen Weise, als er es vorgesehen hatte; er wird dem Herrn in Treue dienen; der Feind wird nicht den Sieg haben. Von Rom aus wird er schreiben: «Ich will aber, dass ihr wisset, Brüder, dass meine Umstände mehr zur Förderung des Evangeliums geraten sind» (Phil. 1,12).

Kapitel 21, Verse 15 bis 29

Paulus verließ Cäsarea, begleitet von einigen Jüngern jenes Ortes und von Mason, einem Cyprier, einem alten Jünger, bei dem sie in Jerusalem herbergen sollten. Als sie in dieser Stadt ankamen, wurden sie von den Brüdern freudig aufgenommen. Wahrscheinlich waren die dortigen Brüder auch froh, die Frage, die sie bewegte, nun behandeln zu können. Sie wünschten von Paulus die Zusicherung zu erhalten, dass auch er selbst in der Beobachtung des Gesetzes wandelte. Denn sie hatten gehört, dass er alle Juden, die unter den Nationen waren, Abfall von Moses lehre und sage, dass sie die Kinder nicht beschneiden, noch nach den Gebräuchen wandeln sollten. Paulus und seine Begleiter gingen zu Jakobus, und alle Ältesten kamen auch dahin.

Paulus erzählte nun eines nach dem anderen, was Gott unter den Nationen durch seinen Dienst getan hatte. Als sie dies alles gehört hatten, verherrlichten sie Gott. Bis dahin ging alles gut. Die gläubigen Juden waren glücklich zu sehen, dass auch die Nationen an den Segnungen des Christentums teilnehmen konnten.

Aber für sich selbst hielten sie am Judentum fest, obwohl sie erkannt hatten, dass weder sie noch ihre Väter das Joch der Verordnungen zu tragen vermocht haben (Kap. 15,10). Man sieht daraus, dass sie in den christlichen Wahrheiten keine Fortschritte gemacht hatten. Sie sagten zu Paulus: «Du siehst, Bruder, wie viele Tausende der Juden es gibt, welche glauben, und alle sind Eiferer für das Gesetz. Es ist ihnen aber über dich berichtet worden, dass du alle Juden, die unter den Nationen sind, Abfall von Moses lehrest… Was ist es nun? Jedenfalls muss eine Menge zusammenkommen, denn sie werden hören, dass du gekommen bist. Tue nun dieses, was wir dir sagen: Wir haben vier Männer, die ein Gelübde auf sich haben. Diese nimm zu dir, und reinige dich mit ihnen und trage die Kosten für sie, damit sie das Haupt scheren lassen; und alle werden erkennen, dass nichts an dem ist, was ihnen über dich berichtet worden, sondern dass du selbst auch in der Beobachtung des Gesetzes wandelst.»

Bevor Paulus in die Hände der Juden fiel, fiel er in die der jüdisch gesinnten Christen. Sie verlangten, dass Paulus sich mit den Männern, die ein Gelübde auf sich hatten, einsmache, sich mit ihnen reinige und die Kosten für sie trage, damit öffentlich bekannt werde, dass er von den Juden, die Christen geworden waren, nicht die Loslösung vom Judentum fordere. Paulus war jetzt ohne Kraft ihnen zu widerstehen; er musste tun, was die Ältesten von ihm verlangten, in direktem Widerspruch mit dem, was er einige Jahre vorher den Galatern und später den Kolossern geschrieben hatte (Kap. 2,16-23). Wie muss Paulus darunter gelitten haben, dass er nicht widerstehen und die Wahrheit geltend machen konnte! Wie wahr ist es doch, dass wir nur auf dem Wege des Gehorsams dazu Kraft haben! Ein Opfer darzubringen, kam doch einer Verleugnung des Wertes des Opfers Christi gleich. In Hebräer 10,12 lesen wir: «Er aber, nachdem er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht, hat sich auf immerdar gesetzt zur Rechten Gottes», und in Vers 14: «Denn mit einem Opfer hat er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden.» Paulus wurde davor bewahrt, das Opfer darzubringen, das von dem gefordert wurde, der das Gelübde eines Nasirs erfüllt hatte (4. Mose 6); denn vor Erfüllung der sieben Tage bis zur Darbringung hatten die Juden aus Asien ihn im Tempel gesehen, die Volksmenge erregt und ihre Hände auf ihn gelegt.

Die Ältesten erinnerten an die im Blick auf die Gläubigen aus den Nationen getroffene Verfügung (Kap. 15). Sie waren ganz damit einverstanden, dass man jene nicht den Verordnungen unterwerfen soll, da diese nur für das Volk der Juden galten. Sie selbst aber hielten daran fest.

Die Juden aus Asien, die zweifellos zum Feste der Pfingsten nach Jerusalem gekommen waren (Kap. 20,16), sahen Paulus im Tempel und brachten die ganze Volksmenge in Aufregung, indem sie schrien: «Männer von Israel, helfet!» In Asien hatten sie ihn nicht festnehmen können, denn dort befand er sich unter göttlichem Schutz, um in der Mitte der Nationen sein Werk zu tun. Aber in Jerusalem, auf jüdischem Boden, fanden diese bösen Menschen Helfer genug gegen ihn, konnten aber gleichwohl die Grenze, die der Herr ihrer Bosheit gesetzt hatte, nicht überschreiten. Für sie war er «der Mensch, der alle allenthalben lehrt gegen das Volk und das Gesetz und diese Stätte; und dazu hat er auch Griechen in den Tempel geführt und diese heilige Stätte verunreinigt.» Vier falsche Anklagen. Auch Stephanus war bezichtigt worden, dass er Worte geredet habe gegen die heilige Stätte und das Gesetz und man habe ihn sagen hören: «Jesus, der Nazaräer, wird diese Stätte zerstören und die Gebräuche verändern, die uns Moses überliefert hat» (Kap. 6,13.. 14). Ihre Anklage gegen diese Diener Gottes bestand in der Verdrehung ihrer Worte. Paulus verkündigte das Evangelium und hatte nie etwas gegen das Gesetz oder gegen den Tempel gesagt. Man habe Trophimus in seiner Begleitung gesehen, aber nicht im Tempel. Unter der Macht des Fürsten dieser Welt, dem Mörder und Lügner, trugen die Taten der Juden den Stempel seiner Wesenszüge.

Verse 30 bis 40

«Und die ganze Stadt kam in Bewegung, und es entstand ein Zusammenlauf des Volkes». Auch durch die Gegenwart des Herrn war es in Jerusalem zu Unruhen gekommen, schon bei Seiner Geburt (Matth. 2,3) und auch, als Er als König Seinen Einzug hielt (Matth. 21,10). Bei dem bösen Zustand, in welchem sich das Volk befand, brachte die Gegenwart des Guten Widerstand hervor. So ist es immer gewesen. Paulus war auf der Erde ein Gesandter für Christum, und wo er hinkam, fand sich auch die Macht des Feindes. Sie ergriffen ihn, schleppten ihn aus dem Tempel, schlossen die Türen und suchten ihn zu töten. Satan wollte mit diesem mächtigen Werkzeug der Wahrheit Schluss machen. Aber der Herr ließ es nicht gelingen. Der Oberste hörte davon, dass ganz Jerusalem in Aufregung sei und lief mit seinen Kriegsknechten und Hauptleuten zu ihnen hinab. Als die Juden dies sahen, hörten sie auf, den Paulus zu schlagen. Die Wege Gottes gegenüber Seinen Dienern sind ganz verschieden. Stephanus starb, denn sein Dienst war beendet. Paulus aber wurde befreit, um seinen Lauf zu vollenden.

Das Volk der Juden, das sich unter der Herrschaft der Römer befand, besaß nicht das Recht über Leben und Tod. Die Tatsache, dass das Volk Paulus töten wollte, veranlasste den Obersten, dazwischenzutreten. Von da an blieb der Apostel in den Händen der Römer und war, wie der Herr, den Nationen ausgeliefert. Von diesem Augenblick an ist von der Versammlung zu Jerusalem nicht mehr die Rede. Das Werk setzte sich unter den Nationen fort und einige Jahre später, nachdem die Epistel an die Hebräer geschrieben war, zerstreuten sich die Gläubigen, bevor die Stadt durch die Römer zerstört wurde. Der Oberste befahl, ihn mit zwei Ketten zu binden, und erkundigte sich, wer er denn sei, und was er getan habe. Da er von der Volksmenge des Tumultes wegen nichts Gewisses erfahren konnte, befahl er, ihn in das Lager zu führen. Um ihn der Gewalt des Volkes zu entreißen, welches schrie: «Hinweg mit ihm!» trugen ihn die Kriegsknechte. Als sie im Begriff waren, in die Burg einzutreten, bat Paulus um die Erlaubnis, zu reden. Der Oberste vergewisserte sich, ob er nicht der Ägypter sei, der vor diesen Tagen eine Empörung gemacht habe. Aber Paulus antwortete: «Ich bin ein jüdischer Mann aus Tarsus, Bürger einer nicht unberühmten Stadt in Cilicien; ich bitte dich aber, erlaube mir, zu dem Volke zu reden. Als er es aber erlaubt hatte, winkte Paulus, auf den Stufen stehend, dem Volke mit der Hand: nachdem aber eine große Stille eingetreten war, redete er sie in hebräischer Mundart an und sprach: Brüder und Väter, höret jetzt meine Verantwortung an euch!»

Kapitel 22,1 bis 10

Paulus hat sich dreimal verantwortet: hier, dann in Cäsarea vor dem Landpfleger Felix und den Obersten der Juden (Kap. 24) und schließlich vor dem König Agrippa (Kap. 26). Als die Juden erkannten, dass er hebräisch redete, beobachteten sie desto mehr Stille.

Paulus erinnerte daran, dass er Jude sei, geboren zu Tarsus, aber auferzogen in Jerusalem «zu den Füßen Gamaliels, unterwiesen nach der Strenge des väterlichen Gesetzes», als Eiferer für Gott, wie sie alle es waren. Er habe diesen Weg verfolgt bis zum Tode, habe sowohl Männer als Weiber gebunden und in die Gefängnisse überliefert, wie auch der Hohepriester bezeugen könne. Er erinnerte auch an seine Mission in Damaskus und erzählte seine Bekehrung.

Dieser Bericht hätte das Volk von der Aufrichtigkeit des Paulus überzeugen sollen. Er zeigte Ihnen, dass er seinen Lebensweg deshalb so plötzlich geändert habe, weil der Herr ihm erschienen sei und er sich von da an Seiner Autorität unterwerfe und Ihm gehorche. Aber gerade die Autorität dieses Jesus von Nazareth wollten die Juden nicht anerkennen. Sie hörten zu, bis er die Worte des Herrn anführte: «Gehe hin, denn ich werde dich weit weg zu den Nationen senden.» Dieses Wort brachte ihnen in Erinnerung, dass das über die Grenzen des Volkes Israel hinausgetragene Evangelium die Umzäunung niederriss, die sie von den Nationen trennte.

Verse 11 bis 13

Im Bericht über seine Bekehrung stellte Paulus Tatsachen in den Vordergrund, die das Gewissen seiner Zuhörer hätten erreichen müssen, wenn es nicht völlig verhärtet gewesen wäre. Der Herr hatte ihm zum voraus gesagt, dass sie sein Zeugnis nicht annehmen würden. Der Apostel erzählte, dass die Herrlichkeit jenes Lichtes aus dem Himmel ihn zu Boden geworfen und blind gemacht habe – ein unbestreitbarer Beweis der Macht Gottes. Dann kam er auf das gute Zeugnis zu sprechen, das alle Juden von Damaskus dem Ananias gaben (Vers 12), einem frommen Mann nach dem Gesetz, der gleichwohl Christ geworden sei. Gerade dieser Mensch war es, der im Auftrag des Herrn zu Saulus kam, um ihm zu sagen, was er zu tun hatte, und nicht einer der Apostel, den die Juden hassten. Aber alle diese Tatsachen machten auf diese Menschen keinen Eindruck. Sie waren entschlossen, im Unglauben zu verharren, trotz allem, was der Heilige Geist in ihrer Mitte von Anfang an gewirkt hatte.

Ananias (= «Gott ist gnädig») fand Saulus auf dem Boden des Glaubens an den Herrn Jesus. Er nannte ihn «Bruder». Sogleich vollzog sich eine neue Tat der Macht Gottes. Saulus wurde wieder sehend. Gleichzeitig mit der Wiedererlangung seiner physischen Sehkraft besaß er nun auch Licht, um den mit Ehre und Herrlichkeit gekrönten Sohn Gottes fortan betrachten zu können. Die ganze Vergangenheit des Saulus von Tarsus, sein Eifer für das Gesetz, seine Werke, mit denen er Gott wohlgefallen wollte, seine Gerechtigkeit nach dem Gesetz, sein Hass gegenüber dem Herrn und den Seinen, alles war verschwunden. Die sittliche Finsternis, in der er sich bis dahin bewegte, habe dem Lichte Platz gemacht, das aus dem Schoße der Herrlichkeit hervorstrahlte, in der er nun Jesum betrachten konnte, den er einst verfolgt hatte. Damit begann für Saulus ein neues Leben; der verherrlichte Herr war nun sein Gegenstand und seine Gerechtigkeit.

Verse 14 bis 15

Ananias sagte zu Saulus: «Der Gott unserer Väter hat dir zuvor verordnet, seinen Willen zu erkennen und den Gerechten zu sehen und eine Stimme aus seinem Munde zu hören. Denn du wirst ihm an alle Menschen ein Zeuge sein von dem, was du gesehen und gehört hast.» Die Juden hätten bei der Tatsache, dass es sich um den Gott ihrer Väter, um den Gott handelte, der in der Sendung Seines Sohnes Seine Verheißungen erfüllen wollte, stehen bleiben sollen. Da der Sohn aber verworfen war, konnten sie noch nicht in Erfüllung gehen; Gott wollte, dass zuvor Seine Ratschlüsse bezüglich der Kirche zur Ausführung kamen. Das Geheimnis dieses Willens wurde dann Paulus dadurch geoffenbart, dass er einen himmlischen Christus erkennen durfte und im Zusammenhang damit alles, was aus der Stellung, die Er bis zu Seiner Erscheinung in Herrlichkeit einnimmt hervorgeht. Paulus schrieb den Galatern (Kap. 1,15): «Als es aber Gott, der mich von meiner Mutter Leibe an abgesondert und durch seine Gnade berufen hat, wohlgefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren, auf dass ich ihn unter den Nationen verkündigte…», In Epheser 3,1-10 wird zum Ausdruck gebracht, was den Dienst dieses Apostels kennzeichnete.

In zweiter Linie sollte er «den Gerechten sehen». Der einzige Gerechte, der über die Erde ging, war verworfen und gekreuzigt worden. Auch Petrus nennt Ihn den «Gerechten» (1. Petr. 3,18) und Stephanus sagte: «Sie haben die getötet welche die Ankunft des Gerechten zuvor verkündigten» (Apg. 7,52). Diesen Gerechten betrachteten die Menschen als Übeltäter, der den Tod verdient hatte. Aber Gott hat Ihn in die Herrlichkeit erhoben und damit Sein Wohlgefallen an Ihm und an Seinem ganzen Werke bezeugt. Dieser Ausdruck «der Gerechte» hätte das Gewissen der Zuhörer, die in Ihm keinerlei Schönheit gesehen hatten, treffen sollen.

Das Dritte, was Ananias sagte, war dies: Saulus sei berufen «eine Stimme aus seinem Munde zu hören». Denn sprach er, «du wirst ihm an alle Menschen ein Zeuge sein von dem, was du gesehen und gehört hast.» Dieses Zeugnis umschloss den ganzen Ratschluss Gottes, der bis zur endgültigen Verwerfung des Herrn Jesus seitens des Volkes nicht hatte geoffenbart werden können. Die anderen Apostel waren Zeugen von dem, was sie gesehen hatten. Sie hatten gesehen, wie der Herr hienieden wandelte und das Werk ausführte, das der Vater Ihm zu tun gegeben hatte. Sie waren Zeugen Seiner Auferstehung aus den Toten, und auf diese Wahrheit gründete sich ihr Zeugnis. Paulus jedoch, der den Herrn nicht auf der Erde gesehen hatte, sollte Ihn als den Verherrlichten erblicken und aus Seinem Munde wunderbare Dinge vernehmen, die bis dahin noch niemandem mitgeteilt worden waren. Deshalb sagte er: «Wenn wir aber auch Christum nach dem Fleische gekannt haben, so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr also» (2. Kor. 5,16).

Kapitel 22, 16 bis 21

«Und nun, was zögerst du? Stehe auf, lass dich taufen und deine Sünden abwaschen, indem du seinen Namen anrufst.» Der Herr war da und breitete Seine Arme aus, um Seinen früheren Verfolger aufzunehmen. Weshalb sollte er zögern, wie so viele Seelen es tun, denen die Gnade angeboten wird? Er sollte alles dahinten lassen und durch die Taufe davon Ausdruck geben, dass er im Glauben durch den Tod hindurchgegangen war, in welchem seine ganze Vergangenheit, alle seine Sünden verschwunden waren, und dass er sich nun in einer neuen Ordnung der Dinge befand, indem er den Namen des Herrn anrief, wie jene, die er verfolgt hatte (Kap. 9,14). Saulus hatte die Gnade unverzüglich angenommen und erhob sich, um festen Schrittes den Weg des Zeugnisses zu betreten, in der Gewissheit, dass seine Sünden vergeben waren. Er ist darin das Muster einer wahren Bekehrung: Gott glauben, seinen Platz im Zeugnis einnehmen, den Namen des Herrn bekennen, dem Himmel entgegenwandeln und dabei Christum zum Gegenstand und Ziel haben, wie der Apostel dies in Philipper 3 zum Ausdruck bringt, wo er ebenfalls auf seine Bekehrung hinweist.

Im Bericht, den der Verfasser der Apostelgeschichte über die Bekehrung des Saulus gibt (Kap. 9), bemerkt er, dass Saulus drei Tage blind war und weder aß noch trank. Während dieser kurzen Zeitspanne wirkte Gott in ihm das Werk der Buße, die notwendige Zubereitung jeder Seele, um eine wirkliche Befreiung erlangen zu können. Sobald dieses Werk geschehen ist, kann ihr das Heil vorgestellt werden durch jemand, den Gott zu diesem Zweck zu ihm sendet: Ananias zu Saulus, Philippus zum Kämmerer, Petrus zu Kornelius. Als der Kerkermeister in Philippi sagte: «Ihr Herren, was muss ich tun, auf dass ich errettet werde?» konnte ihm Paulus antworten: «Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden, du und dein Haus.» – «Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort» (Röm. 10,17).

Was Paulus in den Versen 17-21 erwähnt, fand drei Jahre nach seiner Bekehrung statt. Das geht aus Galater 1,17-18 deutlich hervor. Er ging nach Arabien hinab, kehrte nach Damaskus zurück und ging von da nach Jerusalem hinauf (Kap. 9,26-30). Damals war es, dass er beim Gebet im Tempel in Entzückung geriet. Das Wort schweigt über das, was sich während seines Aufenthaltes in Arabien zutrug; wie wir aber schon bei der Betrachtung des 13. Kapitels bemerkt haben, lässt der Herr die Gläubigen, die Er zu einem besonderen Dienst beruft, durch eine Zeit der Zubereitung hindurchgehen, die unbedingt nötig ist. So wurde zweifellos auch Saulus zu diesem Zweck dorthin geführt.

Wir kennen die Zuneigung des Paulus zu seinem Volke; als er damals in Jerusalem ankam, war es zweifellos sein Wunsch, unter den Juden zu arbeiten. Als er im Tempel betete, geriet er in Entzückung und sah den Herrn, wie Ananias ihm gesagt hatte. Wohl als Antwort auf sein Gebet sagte ihm der Herr: «Eile und gehe schnell aus Jerusalem hinaus, denn sie werden dein Zeugnis über mich nicht annehmen.» In voller Freimütigkeit durfte Saulus vor dem Herrn das geltend machen, was in seinen Augen sein Zeugnis gegenüber den Juden fruchtbar machen musste: Das Evangelium wurde ihnen durch den verkündigt, der die an Jesum Glaubenden ins Gefängnis warf und in den Synagogen schlug. Selbst als das Blut des Stephanus vergossen wurde, hatte er dazu eingewilligt und die Kleider derer, die ihn steinigten, verwahrt. Er hatte, wie der wiederhergestellte Petrus, Buße predigen und sich selbst als ein Beispiel hinstellen wollen von dem, was die Gnade zu tun imstande ist. Aber das war nicht der Wille Gottes für ihn. Jener Dienst war durch die Apostel vor ihm getan worden, ganz besonders durch Petrus, und die Juden hatten nichts davon wissen wollen. Saulus war zu einem anderen Dienst berufen; er sollte unter den Nationen die Gnade verkündigen: «Geh hin, denn ich werde dich weit weg zu den Nationen senden.» Ach, der teure Apostel musste nun schmerzliche Erfahrungen machen, weil er jene, vom Herrn empfangenen Weisungen, jetzt nicht beachtet hatte. Seine Zuneigung für sein Volk nach dem Fleische hatte ihn nach Jerusalem gebracht; aber selbst die ausgezeichnetsten Wünsche unserer Herzen müssen dem Willen des Herrn untergeordnet werden. Vom vollkommenen Diener lesen wir das Wort: «Der Herr, Gott, hat mir das Ohr geöffnet, und ich bin nicht widerspenstig gewesen, bin nicht zurückgewichen» (Jes. 50,5). So sollten auch wir in völliger Abhängigkeit vom Herrn und Seinem Worte vorangehen.

Verse 22 bis 30

Die Juden hörten Paulus zu bis zu dem Worte, durch das er ihnen zu verstehen gab, dass die von ihnen zurückgewiesenen Segnungen nun das Teil der von ihnen im höchsten Grade verachteten Nationen sein würden. Der Oberste, der von den Ursachen, die das Volk jetzt so rasend machten, nichts verstand, befahl, dass Paulus in das Festungslager gebracht und mit Geißelhieben ausgeforscht werde, auf dass er erführe, um was es sich handelte. Als sie ihn mit den Riemen festspannten, fragte er, der die Römischen Gesetze kannte, den Hauptmann, ob es ihm erlaubt sei, einen Römer unverurteilt zu geißeln. Als der Oberste erfuhr, dass Paulus von Geburt Römer sei, bekam er es mit der Angst zu tun, und die, welche ihn ausforschen sollten, standen von ihm ab. Der Herr benützte diese Berufung des Paulus auf sein Recht, um ihm die ungerechtfertigte Geißelung zu ersparen. Er hätte ihn auch auf eine andere Weise befreien können. Seine Rechte geltend machen und auf seinen Rechten bestehen, ist nicht dasselbe. Die Obrigkeit ist von Gott eingesetzt, um der Gerechtigkeit gemäß zu handeln. Wenn sie es einem Christen gegenüber nicht tut, so darf dieser darauf aufmerksam machen, jedoch nicht auf seinen Rechten bestehen. Die Obrigkeit ist Gott gegenüber verantwortlich, und der Christ, der das Opfer einer Ungerechtigkeit ist, übergibt sich Dem, «der recht richtet» (1. Petri 2,23).

Als der Oberste des folgenden Tages mit Gewissheit erfahren wollte, weshalb Paulus «von den Juden angeklagt sei, machte er ihn los und befahl, dass die Hohenpriester und das ganze Synedrium zusammenkommen sollten; und er führte Paulus hinab und stellte ihn vor sie.»

Kapitel 23, 1 bis 5

Vor das Synedrium gestellt, konnte der Apostel Paulus sagen: «Brüder! Ich habe mit allem guten Gewissen vor Gott gewandelt bis auf diesen Tag.» Nichts hinderte ihn, in vollem Frieden vor ihnen zu erscheinen, und sein ganzes Auftreten zeugte davon. Er hatte seinen Wandel in dem reinen Lichte der Gegenwart Gottes geführt. Er übte sich, «allezeit ein Gewissen ohne Anstoß zu haben vor Gott und den Menschen» (Kap. 24,16).

Das Gewissen ist die Fähigkeit, zwischen Gutem und Bösem zu unterscheiden; es ist aber nicht der Maßstab für das Gute. Um nach göttlichem Maße Gutes und Böses zu unterscheiden, muss das Gewissen durch Gottes Wort erleuchtet werden. Durch das Werk Christi sind wir vom bösen Gewissen gereinigt worden, da alle unsere Sünden durch das Blut des Kreuzes getilgt worden sind. Das ist das Teil eines jeden Gläubigen. Fortan müssen wir uns üben, ein gutes Gewissen zu haben, indem wir jedes Böse im Lichte Gottes, das heißt im Lichte Seines Wortes richten. In dieser Übung sollen wir Fortschritte machen. Es kann vorkommen, dass wir eine Zeitlang in Dingen wandeln, die das Gewissen nicht beschweren, aber hernach im Lichte des Wortes entdecken, dass sie nicht Gott gemäß sind, und sie dann richten. Der Apostel sagt in 1. Korinther 4,4: «Denn ich bin mir selbst nichts bewusst, aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt. Der mich aber beurteilt ist der Herr.» Er behauptete nicht, jetzt schon alles so zu sehen, wie der Herr es offenbaren wird an Seinem Tage, auf den Paulus im nächsten Vers anspielt: «Bis der Herr kommt, welcher auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Ratschläge der Herzen offenbaren wird.» – «Wenn unser Herz uns verurteilt, Gott ist größer als unser Herz und kennt alles» (1. Joh. 3,20). Zu den Hebräern konnte der Schreiber jenes Briefes sagen: «Betet für uns; denn wir halten dafür, dass wir ein gutes Gewissen haben…» (Kap. 13,18).

Dass Paulus von einem guten Gewissen zeugen konnte, traf das Gewissen des Ananias, und er gab Befehl, ihn auf den Mund zu schlagen. Paulus, der nicht wusste, dass er es mit dem Hohenpriester zu tun hatte, konnte diesen Schimpf nicht ertragen, ohne zu antworten: «Gott wird dich schlagen, du getünchte Wand! Und du, sitzest du da, mich nach dem Gesetz zu richten, und, gegen das Gesetz zu handeln, befiehlst du mich zu schlagen?» Als Paulus erfuhr, dass es der Hohepriester war, bekannte er sich schuldig und zitierte in einem etwas veränderten Wortlaut die Stelle aus 2. Mose 22,28: «Von den Obersten deines Volkes sollst du nicht übel reden.» Der Ausdruck «getünchte Wand» war in der Sprache der Juden ein wohlbekannter Ausdruck, um die Heuchelei zu bezeichnen. Obwohl zu Recht ausgesprochen, standen ihm diese Worte doch nicht wohl an. Das erinnert an eine ähnliche Begebenheit, in der aber die Schönheit des einzigen vollkommenen Menschen zum Vorschein kam: Als man zu Jesu sagte: «Antwortest du also dem Hohenpriester», gab Er zur Antwort: «Wenn ich übel geredet habe, so gib Zeugnis von dem Übel; wenn aber recht, was schlägst du mich?» (Joh. 18,22-23). Er sagte nicht wie Paulus: «Ich wusste nicht.» Bleibt man unter der Führung des Geistes Gottes, so wird man in jeder Hinsicht in der Wahrheit geleitet. Die Unvollkommenheiten der Männer Gottes heben die Vortrefflichkeiten des Herrn Jesus, des göttlichen Menschen, des vollkommenen Vorbildes, nur umso mehr hervor.

Verse 6 bis 10

«Da aber Paulus wusste, dass der eine Teil von den Sadducäern, der andere aber von den Pharisäern war, rief er in dem Synedrium: Brüder, ich bin ein Pharisäer, ein Sohn von Pharisäern; wegen der Hoffnung und Auferstehung der Toten werde ich gerichtet.» Gewiss, diese Worte entsprachen der Wahrheit. Doch ist man erstaunt, dass er aus der Zusammensetzung des Synedriums Nutzen zog und eine Spaltung verursachte: Er stellte sich als Pharisäer vor, der für eine Sache vor Gericht gezogen wurde, welche die Pharisäer ja auch festhielten. Hatte er nicht, wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, alles, was ihm dem Fleische nach Gewinn war, also auch sein Pharisäertum, für Verlust geachtet? Das Ergebnis seiner Diplomatie war ein Zwiespalt, ein großes Geschrei. Die Pharisäer schienen ihn zu verteidigen, denn sie sagten: «Wir finden an diesem Menschen nichts Böses; wenn aber ein Geist oder ein Engel zu ihm geredet hat…» Das Ganze endete in einem großen Tumult. Da der Oberste fürchtete, «Paulus möchte von ihnen zerrissen werden», ließ er ihn aus ihrer Mitte wegreißen und in das Festungslager führen.

Vers 11

«In der folgenden Nacht aber stand der Herr bei ihm und sprach: Sei guten Mutes! Denn wie du von mir in Jerusalem gezeugt hast, so musst du auch in Rom zeugen.» Derselbe Herr, der einst auf dem sturmgepeitschten See zu Seinen schwachen Jüngern gesagt hatte: «Seid guten Mutes, ich bin’s; fürchtet euch nicht», wusste, dass jetzt Sein treuer Diener in gleicher Weise eine Ermunterung nötig hatte. Wie viele Gedanken mussten sich in dessen Geist zusammendrängen; und der Feind verfehlte gewiss nicht, ihm die Veranlassung zu dieser Lage, in der er sich jetzt befand, vorzuhalten. Der Herr, der Grund gehabt hätte, ihm Vorwürfe zu machen, kam und ermunterte ihn! Er rechnete ihm das Zeugnis an, das er jetzt in Jerusalem abgelegt hatte, obwohl er ja gar nicht in diese Stadt hätte kommen sollen. Er war hier ein Zeugnis für den Herrn und die Dinge, die Ihn betrafen. Er hatte sich nicht auf Kosten der Treue zum Herrn geschont wie wir es so leicht tun. Vielmehr sagte der Apostel zu denen, die ihn zurückhalten wollten: «Ich bin bereit, nicht allein gebunden zu werden, sondern auch in Jerusalem für den Namen des Herrn Jesus zu sterben.» Und er hatte auch erklärt: «Ich nehme keine Rücksicht auf mein Leben als teuer für mich selbst, auf dass ich meinen Lauf vollende und den Dienst, den ich von dem Herrn Jesus empfangen habe, zu bezeugen das Evangelium der Gnade Gottes» (Kap. 21,13; 20,24). Es mochte ihm zum Bewusstsein gekommen sein, dass die Erfüllung dieses Dienstes durch die Tatsache, dass er hieher kam, um sich in Jerusalem gefangen nehmen und den Nationen überliefern zu lassen, ernstlich gefährdet worden war. Aber der Herr kam, um ihn zu ermuntern und ihm zu versichern, dass er nach Rom kommen würde. Und am Ende seines Laufes, in Rom, konnte er sagen: «Der Herr stand mir bei und stärkte mich, auf dass durch mich die Predigt vollbracht werde» (2. Tim. 4,17). Gott hat sich der Gefangenschaft des Paulus bedient, um uns seine Briefe zu geben, die der Versammlung während der Zeit ihres Aufenthaltes hienieden dienen sollten. Und so schrieb er den Philippern: «Ich will aber, dass ihr wisset, Brüder, dass meine Umstände mehr zur Förderung des Evangeliums geraten sind» (Phil. 1,12).

Kapitel 23, 12 bis 35

Neben dem Wirken des Herrn sehen wir das Tun des Menschen, unter der Macht Satans. Mehr als vierzig Juden verschwörten sich, nicht zu essen und nicht zu trinken, bevor sie Paulus getötet hätten. Um diesen verbrecherischen Plan auszuführen, machten sie die Hohenpriester und die Ältesten zu Mitwissern und baten sie, den Obersten zu veranlassen, dass er Paulus zu ihnen herabführen lasse, als wollten sie seine Sache genauer entscheiden. «Wir aber sind bereit, ehe er nahekommt, ihn umzubringen», fügten sie bei. Gott fügte es, dass der Apostel durch einen Neffen von diesem Anschlag Kenntnis erhielt, und er sandte ihn zum Obersten. Dieser empfing den jungen Mann und ordnete sofort an, dass zweihundert Kriegsknechte, siebzig Reiter und zweihundert Lanzenträger, sowie Reittiere bereitgemacht würden, um Paulus in der dritten Stunde der Nacht nach Cäsarea zu bringen. Er schrieb an den Landpfleger Felix einen Brief, worin er ihm mitteilte, warum er diesen Gefangenen zu ihm sandte; er habe ihn der Wut der Juden entrissen, aber nichts an ihm gefunden, das des Todes oder der Bande wert wäre; es handle sich nur um Streitfragen ihres Gesetzes.

Es ist interessant, festzustellen, dass Gott in allem, was Paulus betraf, die Hand im Spiele hatte. Die Lage, in der sich das Zeugnis und im besonderen der Apostel Paulus befand, war nicht mehr die gleiche wie am Anfang, als Gott noch in Macht dazwischen trat: Petrus wurde in der Nacht vor der geplanten Hinrichtung durch einen Engel aus der Hand des Herodes befreit (Kap. 12); in Philippi wurden die Grundfesten des Gefängnisses erschüttert, die Türen geöffnet und die Bande der Gefangenen gelöst (Apostelg. 16). Hier ist alles mittelbarer: Gott ist hinter der Szene verborgen, aber Seine Hand leitet gleichwohl in göttlicher Weise alle Umstände zu Gunsten Seines Dieners und Seines Werkes. Die gleiche Macht und die gleiche Liebe waren noch in Tätigkeit, handelten aber mehr in indirekter Weise. Die Geschicklichkeit des Paulus, mit der er im Synedrium einen Zwiespalt hervorrief, war die Veranlassung, dass der Apostel in Sicherheit gebracht wurde. Gott fügte es, dass Paulus‘ Neffe von der Verschwörung erfuhr, den Onkel besuchen durfte, von dem Obersten väterlich empfangen und bei der Hand genommen wurde. Der die Herzen der Könige zu allem, was Ihm wohlgefällig ist, wie Wasserbäche zu leiten vermag, ließ den Obersten alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen treffen, um Paulus der Wut der Juden zu entreißen. Jener ließ eine ganze Armee aufbieten, um ihn nach Cäsarea zu eskortieren. Gottes Gnade ist wunderbar! Für uns, die wir heute in einem Zustand von großer und selbstverschuldeter Schwachheit sind, ist es interessant, solches festzustellen. Wenn Gott unserer Schwachheit wegen nicht mehr unmittelbar zu Gunsten der Seinen und Seines Zeugnisses eingreift, so waltet Er doch über allem und leitet alles, was sie betrifft, mit der gleichen, unveränderlichen Liebe.

Kapitel 24, 1 bis 21

«Nach fünf Tagen aber kam der Hohepriester Ananias mit den Ältesten und einem gewissen Redner Tertullus herab, und sie machten bei dem Landpfleger Anzeige gegen Paulus.» Der Mensch sucht durch schöne Reden die Wahrheit zu verfälschen und schmeichelt den Hörern, wenn er eine faule Sache durchbringen will. Aus diesem Grunde stellten die Juden den Redner Tertullus voran. Wie es scheint, war aber Felix der Schmeichelei nicht sehr zugänglich und die von den Juden vorgebrachte Anklage vermochte ihn nicht zu überzeugen; er kannte ihre Gefühle den Römern gegenüber. Das einfache und klare Zeugnis des Paulus machte ihm mehr Eindruck.

Sie stellten Paulus dar als eine Pest, als einen Mann, der unter allen Juden, die auf dem Erdkreis sind, Aufruhr errege. Er sei ein Anführer der Sekte der Nazaräer und ein Tempelschänder. Von allen diesen Anklagepunkten war es wohl nur die Aufstachelung des Volkes zum Aufruhr, was den Landpfleger interessieren konnte. Das übrige waren, wie Klaudius Lysias sagte, für ihn nur «Streitfragen ihres Gesetzes». Paulus tat an dem Tage, an welchem die Juden Hand an ihn legten, nichts Unrechtes. Die Behauptung, er habe Heiden in den Tempel eingeführt, war falsch; die Juden hatten diesen Schluss gezogen, weil sie Trophimus mit ihm in der Stadt gesehen hatten.

Nach Anhörung der Anklage der Juden winkte der Landpfleger dem Paulus, zu reden. Felix war einigermaßen mit den jüdischen Bräuchen vertraut, so dass Paulus Freimütigkeit hatte, sich vor ihm unter Bezugnahme auf das Gesetz und die Propheten zu verteidigen. Er beschränkte sich auf die Tatsachen, die zu seiner Verhaftung geführt hatten. Es war Felix bekannt, dass kaum zwölf Tage vergangen waren, seit Paulus nach Jerusalem hinaufging, um anzubeten. Die Juden konnten ihm daraus keinen Vorwurf machen. Dagegen war es nicht in Übereinstimmung mit dem, was der Herr in bezug auf die Anbetung zu der Samariterin gesagt hatte (Joh. 4,21-23). Sein Verhalten im Tempel gab jedoch keinen Anlass zu einer berechtigten Anklage; die Dinge, die sie gegen ihn vorbrachten, waren unbegründet.

Wenn es sich um den Weg handelte, den sie eine Sekte nannten, war der Apostel bereit, die nötigen Erläuterungen zu geben. Er sagte: «Aber dies bekenne ich dir, dass ich nach dem Wege, den sie eine Sekte nennen, also dem Gott meiner Väter diene, indem ich allem glaube, was in dem Gesetz und in den Propheten geschrieben steht, und die Hoffnung zu Gott habe, welche auch selbst diese annehmen, dass eine Auferstehung sein wird, sowohl der Gerechten als der Ungerechten.» Der große Gegenstand des Gesetzes und der Propheten ist Christus; durch Ihn werden alle Verheißungen Gottes an Sein irdisches Volk erfüllt werden. Zu diesem Zweck ist der Christus erschienen, aber Er wurde verworfen. Infolge dieser Verwerfung wurde das Christentum eingeführt, an dessen Segnungen auch die Menschen aus den Nationen teilhaben. Aber gerade diese Tatsache erregte den leidenschaftlichen Hass der Juden gegen Paulus und die Christen. Sie nannten sie «Nazaräer», wie ihren Meister und hatten für sie dieselbe Verachtung wie für ihren Herrn, bezüglich Dessen einer gefragt hatte: «Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?» (Joh. 1,46).

Paulus sagte von den Juden, es sei auch ihre Hoffnung zu Gott, dass eine Auferstehung sein werde, sowohl der Gerechten als der Ungerechten. Wenn auch der Messias verworfen worden ist, so werden sich die Verheißungen in der Auferstehung der Nation und in der leiblichen Auferstehung erfüllen, wie die Propheten es unter anderen in folgenden Stellen vorausgesagt haben: In Bezug auf die Auferstehung der Nation – Jes. 26,19; Hes. 37; Dan. 12,2-3; Hosea 6,1-3. In Bezug auf die Auferstehung des Leibes – Jes. 25,8; Hosea 13,4; wie auch die ganze Belehrung des Neuen Testamentes über diese Tatsache. Aber von welchem Gesichtspunkt aus man auch die Auferstehung betrachten mag – dort werden die Ungerechten im Gerichte Gottes ihr Teil finden. Diese Wahrheit musste das Gewissen der Zuhörer des Apostels treffen, besonders derer, die sich – nach seinen Worten – zu dieser Hoffnung bekannten: «Die Hoffnung zu Gott…, welche auch selbst diese annehmen.» Hatten sie aber die gleiche Hoffnung wie der Apostel, weshalb ihn denn umbringen wollen? Für den Apostel war diese Hoffnung eine der christlichen Wahrheiten.

Weil es eine Auferstehung der Gerechten sowohl als auch der Ungerechten gibt, übte sich der Apostel «allezeit ein Gewissen ohne Anstoß zu haben vor Gott und den Menschen.» Dass der Apostel wiederholt das Wörtchen «auch» verwendete, (Verse 15 und 16), weist darauf hin, dass er die Juden trotz ihres traurigen Zustandes immer noch in ihren Vorrechten und ihrer Verantwortlichkeit betrachtete: Auch sie hegten die Hoffnung zu Gott und auch sie mussten für sich die Notwendigkeit erkennen, ein gutes Gewissen zu haben, da sie ja an eine Auferstehung der Gerechten und der Ungerechten glaubten. Da sie sich zum Judentum bekannten, hätte dies ihre innere Haltung sein sollen. Der Apostel sagte später: «Ich stehe vor Gericht wegen der Hoffnung auf die von Gott an unsere Väter geschehene Verheißung, zu welcher unser zwölfstämmiges Volk, unablässig Nacht und Tag Gott dienend, hinzugelangen hofft» (Kap. 26,6-7).

Nun legte Paulus die Tatsachen dar, wie sie sich wirklich zugetragen hatten (Verse 17-21). «Nach vielen Jahren aber kam ich her, um Almosen für meine Nation und Opfer darzubringen», sagte er. Im Anschluss an seine Tätigkeit unter den Nationen war er gekommen, um die Gaben der Versammlungen von Mazedonien und von Achaja nach Jerusalem zu bringen. (Siehe 2. Kor 8 und 9; Röm. 15,25-33). In den Worten des 17. Verses scheint er die Versammlung in die Nation, zu welcher er gekommen war, um Almosen und Opfer zu bringen, einzuschließen. Er nimmt hier auf die im 21. Kapitel beschriebenen Ereignisse Bezug, wo die Juden aus Asien die Volksmenge gegen ihn erregten, obwohl er sich ruhig verhalten und keinerlei Anlass zu Auflauf oder Tumult gegeben hatte. Jene Juden hätten hier anwesend sein sollen, um ihn anzuklagen, wenn sie an jenem Tage irgendwelche Ungerechtigkeit an ihm gefunden hätten. Er bedauerte nur den Ausruf: «Wegen der Auferstehung der Toten werde ich heute von euch gerichtet.» Der Apostel fühlte wohl, dass er nicht zu diesem Mittel hätte greifen sollen, um unter den Versammelten einen Zwiespalt zu erregen; aber das war es ja nicht, was man ihm vorwarf.

Verse 22 bis 27

Felix vertagte die Verhandlungen bis zum Eintreffen Lysias des Obersten. Felix besaß genauere Kenntnis des Weges, denn seine Frau war Jüdin, und das Christentum machte unter den Heiden Fortschritte. Es scheint, dass er von Paulus mehr davon zu hören wünschte. Er erkannte, dass an den Dingen, deren Paulus angeschuldigt wurde, nichts Ernstes war und ordnete an, dass er zwar verwahrt werde, dabei aber einige Freiheiten genießen dürfe; es sollte keinem verwehrt werden, ihm zu dienen (Cäsarea war der Wohnsitz Philippus des Evangelisten). Über der ganzen Szene waltete die Hand des Herrn zugunsten Seines geliebten Dieners.

Einige Tage später kam Felix mit Drusilla, seiner Frau, herbei und ließ den Paulus holen «und hörte ihn über den Glauben an Christum». Jetzt befand sich der Apostel nicht mehr vor den Juden, denen gegenüber er ihrem Bekenntnis, auf Gott zu hoffen, Rechnung tragen und sich an ihr Gewissen wenden musste. Zu diesem Heiden und seiner jüdischen Frau redete er von Christo und breitete die ganze Wahrheit vor ihnen aus, die sie dazu führen konnte, den Heiland der Juden und der Nationen anzunehmen. Er redete über Gerechtigkeit, Enthaltsamkeit und das kommende Gericht. Als er dies hörte, sagte Felix voller Furcht: «Für jetzt gehe hin; wenn ich aber gelegene Zeit habe, werde ich dich rufen lassen.» Es ist begreiflich, dass angesichts der Wahrheit von der praktischen Gerechtigkeit, der Enthaltsamkeit und des kommenden Gerichtes, den Landpfleger Furcht befiel. Das waren alles Dinge, um die er sich als Heide nicht gekümmert hatte. Wäre Felix zum Heil aufgeschreckt worden, hätte er sich beeilt, mehr zu erfahren, und Paulus hätte ihm die Gnade Gottes anbieten können, die zur Tilgung der Schuld des Sünders nötig ist. Aber statt dessen wollte er sein Gewissen zum Schweigen bringen und sich von dem unbequemen Licht entfernen. Er verwies Paulus auf eine gelegenere Zeit, die sich wahrscheinlich nie gefunden hat.

Die Grenze der Geduld Gottes, in der Er den Menschen warnt und einladet, kann eines Tages überschritten werden. Wieviele Menschen gehen verloren, weil sie sich diese Warnungen nicht zu Herzen nehmen! Und wieviele Christen haben ein verfehltes Leben, weil sie im gegebenen Zeitpunkt mit dieser oder jener Sünde nicht entschieden gebrochen und einen Weg eingeschlagen haben, den Gott mit Seinem Lichte nicht erleuchtete!

So gibt es auch eine Zeit, um die Füße auf den Boden der Wahrheit zu setzen. Zu einem gewissen Zeitpunkt wird uns das Licht gegeben; benützen wir es nicht, hört es auf zu leuchten. Das ist es, was der Christenheit als Gesamtheit nach der Ankunft des Herrn widerfahren wird.

Trotz der Furcht, die Felix bei seiner ersten Zusammenkunft mit Paulus befallen hatte, unterhielt er sich des öftern mit ihm; aber sein Gewissen war mit Geldliebe gepanzert, so dass es von der Wahrheit nicht getroffen werden konnte. Wenn er den Apostel zu sich kommen ließ, geschah es nur in der Hoffnung, Geld zu bekommen. Er wollte die Gunst der Juden – um welche er sich nicht gekümmert hätte, wenn ihm von Paulus Geld gegeben worden wäre – gewinnen und ließ Paulus zwei Jahre lang im Gefängnis, bis Felix durch Porcius Festus abgelöst wurde. Von diesen zwei Jahren sagt der inspirierte Bericht nichts Näheres. Gewiss war diese Zeit dem Apostel nützlich; er wurde für das Zeugnis und den Dienst in Rom zubereitet.

Kapitel 25, Verse 1 bis 12

Als Festus nach Jerusalem hinaufging, um mit seinen neuen Untergebenen Fühlung zu nehmen, ergriffen die Juden die Gelegenheit, um gegen Paulus Anzeige zu erstatten. Die zwei seit seiner Verhaftung verflossenen Jahre hatten ihren Hass nicht abgeschwächt. Die Feindschaft gegen den Herrn schlummert nicht. Sie baten Festus, den Gefangenen nach Jerusalem kommen zu lassen, in der Absicht, ihren zwei Jahre zuvor fehlgeschlagenen verbrecherischen Vorsatz auszuführen. Der Herr ließ es aber nicht zu. Sie hatten sich damit eine besondere Gunst erbeten; denn es war nach den römischen Gesetzen nicht erlaubt, einen römischen Bürger von einem Volk aburteilen zu lassen, das den Römern unterworfen war.

«Festus nun antwortete, Paulus werde in Cäsarea behalten, er selbst aber wolle in Kürze abreisen. Die Angesehenen unter euch nun, sprach er, mögen mit hinabreisen und, wenn etwas an diesem Manne ist, ihn anklagen.»

Sie ließen nicht auf sich warten; kaum war der Landpfleger wieder in Cäsarea, kamen auch sie herab, und schon am folgenden Tage setzte sich Festus auf den Richterstuhl und befahl, Paulus vorzuführen. Für keine der vielen und schweren Beschuldigungen, die nun die Juden gegen den Apostel vorbrachten, hatten sie Beweise. Paulus aber, mit einem guten Gewissen vor ihnen und vor Gott, konnte zu ihnen sagen: «Weder gegen das Gesetz der Juden, noch gegen den Tempel, noch gegen den Kaiser habe ich etwas gesündigt.»

Statt von seiner Autorität zur Befreiung des Paulus Gebrauch zu machen, suchte Festus, der den Juden gefallen wollte, auf Kosten der Gerechtigkeit seinen eigenen Vorteil und sagte zu Paulus: «Willst du nach Jerusalem hinaufgehen und dort dieserhalb von mir gerichtet werden? Paulus aber sprach: Ich stehe vor dem Richterstuhl des Kaisers, wo ich gerichtet werden muss; den Juden habe ich kein Unrecht getan, wie auch du sehr wohl weißt. Wenn ich nun unrecht getan und etwas Todeswürdiges begangen habe, so weigere ich mich nicht zu sterben; wenn aber nichts an dem ist, wessen diese mich anklagen, so kann mich niemand ihnen preisgeben. Ich berufe mich auf den Kaiser.» Das sind Worte aus einem geraden Herzen und einem guten Gewissen, an dem Orte ausgesprochen, wo die Gerechtigkeit zwischen Gut und Böse hätte richten und ihn hätte loslassen sollen, wie Agrippa später zu Festus sagte: «Dieser Mensch hätte losgelassen werden können, wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte.»

So hätte es geschehen können, aber eine solche Wendung der Dinge lag nicht in den Wegen Gottes. Wie wir schon bemerkt haben: Gott stand hinter der Szene und leitete alles nach Seiner Weisheit. Er griff in das Geschehen ein, ohne dass die von Ihm benutzten Werkzeuge es wussten. Er tat es nicht unmittelbar, durch die Macht Seines Geistes, wie wir es in den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte und am Anfang des Dienstes des Paulus sehen. Festus wurde daran gehindert, Paulus den Juden auszuliefern; zweifellos hatte er im Sinn, das Urteil, das sie über Paulus fällen würden, zu überprüfen und zu bestätigen, um sich hernach, wie Pilatus, im Blick auf dieses Justizverbrechen die Hände zu waschen, ohne sie daran zu hindern.

Inmitten dieser Szene blieb Paulus fest und aufrecht, und Gott lenkte die Umstände nach Seinem Willen. Paulus sollte nach Rom gehen, so, wie der Herr es ihm gesagt hatte, als Er ihn in der letzten Nacht, die er in Jerusalem zubrachte, ermunterte; er sollte auch in Rom von Ihm zeugen, wie er es in Jerusalem getan hatte. Um dorthin zu kommen, wäre es nicht nötig gewesen, sich auf den Kaiser zu berufen, aber der Herr erfüllte Sein Wort durch dieses Mittel. Ob er in Rom frei oder gefangen war – sein Dienst zum Wohle der Versammlungen aller Zeiten sollte dort erfüllt werden.

Er ist dem Herrn auf dem Wege, den Er ging, nahe nachgefolgt. Auch die gegen ihn erhobene Anklage wurde durch falsche Zeugen gestützt, die nichts beweisen konnten. Er war Gegenstand desselben Hasses der Juden und legte vor den Menschen dieselbe Geradheit an den Tag und war von der gleichen Liebe getrieben wie sein Herr. Wenn es nach den Menschen gegangen wäre, so hätte auch diese Gerichtsverhandlung zum Tode des Angeklagten geführt, denn, wie Festus zu Agrippa sagte, suchten die Juden seinen Tod.

Verse 13 bis 22

Der Herr hatte zu Ananias gesagt, Saulus sei ein auserwähltes Gefäsß, um Seinen Namen sowohl vor Nationen als Könige und Söhne Israels zu tragen. Die Gefangenschaft des Paulus war kein Hindernis, sondern eines der Mittel, um diesen Dienst zu vollbringen. Der Herr hätte Paulus auf einem anderen Wege zu den Königen führen können, aber nun wurde er auf diese Weise durch die Umstände, in denen er sich jetzt befand, hindurchgeleitet. Er hatte den Namen des Herrn vor die Nationen gebracht, und der Besuch Agrippas war die erste uns berichtete Gelegenheit, bei welcher dieser Name vor einen König gebracht wurde.

Agrippa und Bernice waren nach Cäsarea gekommen, um Festus zu begrüßen; und dieser benützte die Gelegenheit, um dem König die Sache des Paulus vorzulegen. Er erzählte ihm, die Juden hätten die Anwesenheit des Festus in Jerusalem dazu benützt, um von ihm einen Urteilsspruch über den Gefangenen zu verlangen. Er habe ihnen aber geantwortet, dass es bei den Römern nicht Brauch sei, einen Angeklagten auszuliefern, ehe der Angeklagte seine Ankläger persönlich vor sich habe und ihm Gelegenheit gegeben sei, sich zu verteidigen. Er fügte hinzu, die Juden seien schon nach seiner Rückkehr aus Jerusalem, am darauffolgenden Tage da gewesen; aber seine Ankläger hätten etwas ganz anderes vorgebracht, als er angenommen habe. Es seien Anklagen bezüglich ihres eigenen Gottesdienstes und wegen eines gewissen Jesus gewesen, der gestorben sei, von welchem aber Paulus sage, dass Er lebe.

Es handelte sich also um Dinge, die das Judentum betrafen, und es ist verständlich, dass, als der Landpfleger eine Untersuchung über solche Gegenstände vornehmen sollte, er in Verlegenheit geriet. Er sagte zu Agrippa, er habe Paulus vorgeschlagen, nach Jerusalem zu gehen, um dort gerichtet zu werden; doch verschwieg er ihm, dass er diesen Vorschlag machte, um sich bei den Juden in Gunst zu setzen.

Aus der Art und Weise, wie Festus gegenüber dem König von diesem Fall sprach, spürt man Ehrerbietung und Diplomatie eines Untergebenen gegenüber einem Vorgesetzten heraus, im Gegensatz zu der Offenheit und Geradheit des Paulus. Die Berufung des Paulus auf den Kaiser musste dem Festus zu erkennen gegeben haben, dass dies geschah, weil Festus von seiner Autorität, in der er ihn hätte freigeben können, keinen Gebrauch gemacht hatte. Dessen Worte: «So kann mich niemand ihnen preisgeben» erinnerten ihn daran, dass er nicht das Recht hatte, den Juden einen römischen Bürger auszuliefern.

Außerdem sieht man, dass Paulus durch seine Berufung auf den Kaiser die Autorität, die Gott der Obrigkeit gibt, anerkennt, wie er es schon im Römerbrief bezeugt hat (Kapitel 13). Dabei hat man sich nicht um die Eigenschaften dessen zu kümmern, dem die Gewalt in die Hand gegeben ist, selbst wenn es sich um den schrecklichen Kaiser Nero handelte.

Als Agrippa den Festus angehört hatte, sprach er zu ihm: «Ich möchte wohl auch selbst den Menschen hören.» – «Morgen», antwortete dieser, «sollst du ihn hören.»

Gerade das, was Festus nicht verstand, rief des Königs Aufmerksamkeit hervor: Die Fragen bezüglich des Gottesdienstes und die Andeutungen über diesen «gewissen Jesus», der gestorben war, und von dem Paulus sagte, Er lebe.

Die ganze Wahrheit, die Paulus predigte, beruhte auf der Tatsache, dass Jesus, der von den Menschen umgebracht worden ist, lebt. Die übrigen Apostel verkündigten die Auferstehung des Herrn, deren Augenzeugen sie gewesen waren. Was aber das Zeugnis des Paulus kennzeichnet, der nicht Zeuge der Auferstehung des Herrn gewesen war, ist der Umstand, dass er Ihn in der Herrlichkeit lebend gesehen hat. Festus wiederholt nicht die ganze Rede des Paulus; er hat hauptsächlich die große Tatsache festgehalten, dass die Juden Paulus umbringen wollten, weil er immer wieder erklärte, dieser Jesus, der gestorben war, sei lebend.

Verse 23 bis 27

Des folgenden Tages kamen Agrippa und Bernice mit großem Gepränge in den Verhörsaal und mit ihnen die Obersten und die Vornehmsten der Stadt. Für sie war Paulus nur ein Gefangener in Ketten. Für den Herrn aber war er ein Botschafter, ein Mann, der zu einem Adel gehörte, der alles überragt, was in dieser Welt groß genannt wird. Paulus war sich dessen bewusst; er wünschte, dass nicht allein Agrippa, sondern alle, die ihn hörten, solche würden wie er war, ausgenommen seine Bande. Was für Gott und den Christen groß ist, scheint den Menschen unansehnlich. So mochte auch Jakob dem Pharao gering erschienen sein. In Bezug auf sein irdisches Leben bekannte dieser, dass die Tage seiner Lebensjahre wenig und böse gewesen seien. Doch, bevor er sich von dem Pharao zurückzog, segnete er diesen großen Alleinherrscher. «Ohne allen Widerspruch aber wird das Geringere von dem Besseren gesegnet» (Hebr. 7,7) Der Christ sollte vor der Welt immer in dem Bewusstsein seiner Würde der Gotteskindschaft auftreten, eine Überlegenheit, die sich in Demut, in der Widerspiegelung der Wesenszüge Christi kundgibt.

Festus führte Paulus dem König Agrippa und seiner ganzen glänzenden Gesellschaft vor, um zu erfahren, wie der König über diese Angelegenheit dachte. Das konnte ihm bei der Abfassung seines Briefes, den er an den Kaiser im Blick auf den Gefangenen senden musste, behilflich sein. Es war ungereimt, einen Gefangenen zum Kaiser zu senden, ohne die gegen ihn vorliegenden Beschuldigungen darzulegen.

Kapitel 26, Verse 1 bis 18

Als Paulus die Erlaubnis erhielt, für sich zu reden, hielt er seine Verteidigungsrede. Gleichzeitig aber stellte er seinen Zuhörern die Wahrheit vor, in ihrer vollen geistlichen Frische und ganzen Schönheit, mit großer Freimütigkeit, in der Kraft des ungehemmt wirkenden Geistes. Während seiner zweijährigen Gefangenschaft, in der völligen Zurückgezogenheit von allem, hatte er in der Gemeinschaft mit seinem Heiland neue Kraft geschöpft.

Hier hatte er nicht zu den feindseligen Juden zu reden, und der Apostel schätzte sich glücklich, sich an den König Agrippa wenden zu können. Die Liebe, die sein Herz trieb, ließ ihn hoffen, dass der König aus seinen Worten Nutzen ziehen werde; der 29. Vers zeigt, dass dies sein Wunsch war. Agrippa war zwar idumäischer Herkunft, bekannte sich aber zum Judentum; er kannte die jüdischen Bräuche und auch die Fragen, die sie bewegten, worunter gewiss auch die Frage der Auferstehung Jesu.

Paulus verstand es, sich alle Zeit allen anzupassen und bei seinen Zuhörern einen Berührungspunkt zu finden, der es ihm ermöglichte, ihnen die Wahrheit vorzustellen. Bei den Heiden von Athen gab ihm der «dem unbekannten Gott» geweihte Altar, den er im Vorbeigehen gesehen hatte, Gelegenheit, seinen Gegenstand einzuführen. Das ist ein nachahmenswertes Beispiel für alle, die das Wort darbieten. Es gilt, das, was die Hörer beschäftigt, zu erfassen und bei der Einführung des Gegenstandes, den man darlegen will, darauf Rücksicht zu nehmen. Der Herr selbst tat das auf bewunderungswürdige Weise bei der Samariterin.

Der Apostel brauchte über seinen Lebenswandel von Jugend an nicht viel zu sagen; die Juden kannten ihn; er hatte als Pharisäer unter ihnen gelebt. Und wenn er jetzt vor Gericht erschien, so war es nicht einer Ursache wegen, die dem Judentum fremd war, sondern er stand hier wegen der Hoffnung auf die von Gott an die Väter geschehene Verheißung. Diese Verheißung war Christus, der in Seinem tausendjährigen Reich die volle Segnung des Volkes Israel einführen sollte, eine Segnung, die sich auch auf die Nationen ausdehnen wird. Aber sie konnte sich noch nicht verwirklichen.

Wie Elias angesichts des geteilten Volkes auf dem Karmel einen Altar von zwölf Steinen aufbaute, so sah auch Paulus das Volk Israel trotz seines Zustandes in seiner Einheit. «Zu welcher», sagt er, «unser zwölfstämmiges Volk, unablässig Nacht und Tag Gott dienend, hinzugelangen hofft.»

Vor seiner Bekehrung war er in der gleichen Verfassung wie diese Juden, von denen er, trotz ihres Unglaubens, im Blick auf den Messias sagen konnte: «Denn ich gebe ihnen Zeugnis, dass sie Eifer für Gott haben, aber nicht nach Erkenntnis» (Römer 10,2).

In Lukas 2,36-38 wird von der Prophetin Anna berichtet, dass sie «Nacht und Tag mit Fasten und Flehen diente»; sie «redete von ihm zu allen, welche auf Erlösung warteten in Jerusalem.» Der gläubige Überrest, der Christus angenommen hat, ist in die «Versammlung» eingegangen. Nach der Entrückung wird sich wiederum ein Überrest bilden, der die gleichen Charakterzüge aufweist, und das wahre Israel werden.

Der Herr, der erschienen ist, um die Verheißungen zu erfüllen, ist umgebracht worden, aber Gott hat Ihn auferweckt. Dieser großen Tatsache widersetzten sich die Juden; das war die Ursache, weshalb sie Paulus anklagten. Was der Apostel bei dieser Gelegenheit sagte, umfasste auch die Einführung des Christentums durch die Auferstehung Christi, aber bis dahin redete er nur von dem, was auf das Volk Israel Bezug hatte.

Die Frage, die Paulus dem König vorlegte: «Warum wird es bei euch für etwas Unglaubliches gehalten, wenn Gott Tote auferweckt?» scheint anzudeuten, dass Agrippa die Lehren der Sadduzäer teilte. Wenn es keine Auferstehung der Toten gäbe, was sollte dann aus den Vätern werden und aus allen, die im Glauben gestorben sind und die Verheißungen nicht empfangen haben (Hebr. 11,13)? Ohne Auferstehung kann sich keine Verheißung erfüllen. Jesus ist auferstanden, und durch Ihn wird sich seinerzeit alles verwirklichen, was sich sowohl auf die Versammlung als auch auf Israel bezieht.

Kapitel 26, Verse 9 bis 23

Paulus meinte einst, viel Widriges gegen den Namen Jesu, des Nazaräers, tun zu müssen. Er scheute sich nicht, Ihn mit Seinem verachteten Namen zu nennen; Seine Person hatte für sein eigenes Herz einen unermesslichen Wert, und er schätzte es als eine Ehre, Seine Schmach teilen zu dürfen. Sein einstiger Hass gegen Jesum war dadurch zum Ausdruck gekommen, dass er denen, die an Ihn glaubten und die er jetzt «die Heiligen» nannte, Leiden zufügte. Er beschreibt hier all das Böse, das er ihnen angetan hatte, um die Veränderung hervorzuheben, die sich nachher in ihm und in seiner gesamten Tätigkeit vollzogen hatte. Das Mittel, durch das seine Bekehrung zustande kam, sollte bei den Hörern hier die Veränderung in seinem Leben rechtfertigen. Der Herr ließ ihn die Seinigen sogar bis in die ausländischen Städte verfolgen, aber auf der Straße nach Damaskus gebot Er ihm Einhalt. Von da an wollte Er die ganze Energie, die Aufrichtigkeit, die Charakterstärke eines solchen Mannes unter Seiner Abhängigkeit dazu gebrauchen, Sein Werk unter den Nationen zu erfüllen.

Paulus erzählt seine Bekehrung. Durch die größten Feinde Christi mit Gewalt und Vollmacht ausgestattet, verfolgte er die Jünger bis nach Damaskus. Da «sah ich mitten am Tage», so sagt er, «auf dem Wege, o König, vom Himmel her ein Licht, das den Glanz der Sonne übertraf, welches mich, und die mit mir reisten, umstrahlte. Als wir aber alle zur Erde niedergefallen waren, hörte ich eine Stimme in hebräischer Mundart zu mir sagen: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Es ist hart für dich, gegen den Stachel auszuschlagen.» Alle wurden durch dieses helle Licht zu Boden geworfen, aber die Stimme war für Saul. In Kapitel 22,9 wird gesagt, dass die Mitreisenden wohl das Licht sahen, aber die Stimme Dessen, der mit ihm redete, nicht hörten. Paulus lernte durch das, was diese Stimme des Herrn zu ihm sprach, die große Wahrheit verstehen, dass jeder Gläubige als Glied des Leibes Christi mit dem Herrn verbunden ist. «Was verfolgst du mich?» sagte Er zu ihm. Indem Saulus die Christen verfolgte, verfolgte er den Herrn. Saulus kämpfte gegen sein Gewissen, in das der Stachel der Wahrheit eingedrungen war, wenn er ihr so heftigen Widerstand leistete. Durch das Zeugnis der verfolgten Jünger mochte sein Gewissen getroffen worden sein. Das Zeugnis des Stephanus zum Beispiel war gewiss von großer Kraft. Der «Stachel» war ein mit einer Spitze bewehrter Stab, den die Ackersleute und die Viehhüter in jenen Gegenden benutzen, um die Tiere vor sich her zu treiben. Er wird als Sinnbild für das gebraucht, was das Gewissen in Tätigkeit bringt. Salomo sagt: «Die Worte der Weisen sind wie Treibstacheln, und wie eingeschlagene Nägel die gesammelten Sprüche» (Pred. 12,11). Der Widerstand des Saulus gegen die Macht der Gnade des Herrn, den er verfolgte, war nutzlos.

Saulus hatte auf jenem Wege nach Damaskus sofort begriffen, dass die Stimme, die er hörte, von jemandem kam, der Gewalt über ihn hatte. Er antwortete daher: «Wer bist du, Herr?» Die erste Frucht der Wirksamkeit Gottes in einer Seele besteht in der Anerkennung der Autorität und der Rechte des Herrn. Der Schächer am Kreuze bekannte Jesum als seinen Herrn, obwohl auch Er gekreuzigt war. In Römer 10,9 lesen wir: «Wenn du mit deinem Munde Jesum als Herrn bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, wirst du errettet werden.»

Der Herr antwortete ihm nicht: «Ich bin der Herr», sondern: «Ich bin Jesus, den du verfolgst.» In diese Weh gekommen, war Er verachtet und verworfen worden. Aber Gott hat Ihn sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht, wie Petrus zu den Juden sagte. Noch mehr: In der Herrlichkeit, in die Ihn Gott aufgenommen hat, ist Er nun das Haupt eines Leibes, der aus allen denen besteht, die an Ihn glauben. Sie sind als Glieder Seines Leibes durch das Leben und durch die Kraft des Geistes mit Ihm vereinigt. Wenn Saulus sie also verfolgte, so verfolgte er Jesum, den Herrn. Die Vereinigung der Versammlung mit Christo in der Herrlichkeit ist die große Wahrheit, die Paulus in seinem Dienste ans Licht brachte.

Wenn die Stimme, die Saulus hörte, sich auch mit der Autorität eines Herrn an ihn wandte, so war es doch die Stimme der Gnade. Der Herr erschien ihm nicht als ein Richter, sondern als einer, der ihn brauchen wollte. «Richte dich auf», sagt Er zu ihm, «und stelle dich auf deine Füße; denn hierzu bin ich dir erschienen, dich zu einem Diener und Zeugen zu verordnen, sowohl dessen, was du gesehen hast, als auch worin ich dir erscheinen werde.» Das ist Gnade. Er machte ihm keine Vorwürfe, sondern berief ihn zu einem besonderen Dienst. Gott hatte ihn von seiner Mutter Leibe an abgesondert (Gal. 1,15), und durch Seine Gnade berufen.

Mit dem «was du gesehen hast» ist der verherrlichte Herr gemeint. Um Apostel zu sein, musste er den Herrn gesehen haben. Weil Paulus Ihn nicht hienieden lebend gesehen hatte, erschien Er ihm vor Damaskus und auch später noch, um ihm den großen Gegenstand seines Dienstes zu offenbaren. So konnte auch er sagen: «Bin ich nicht ein Apostel? Habe ich nicht Jesum, unseren Herrn gesehen?» (1.Kor. 9,1). Er sollte einen himmlischen und verherrlichten Christus verkündigen, also so, wie er Ihn gesehen hatte. Er nennt sein Evangelium: «Das Evangelium der Herrlichkeit des Christus» (2. Kor. 4,4).

Von den andern Aposteln hat er nichts empfangen. Der Herr selbst hatte ihm die Wahrheiten der Versammlung geoffenbart und ihm dabei Mitteilungen über das Abendmahl gegeben, das Er eingesetzt hatte, indem Er auch Belehrungen über den Tisch des Herrn hinzufügte, wo die Einheit des Leibes Christi verwirklicht wird (1. Kor. 10,14-22). Das war den andern Aposteln nicht geoffenbart worden.

Ferner sagte der Herr zu Saulus: «Indem ich dich herausnehme aus dem Volke und den Nationen, zu welchen ich dich sende, ihre Augen aufzutun, auf dass sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott, auf dass sie Vergebung der Sünden empfangen und ein Erbe unter denen, die durch den Glauben an mich geheiligt sind.» Saulus war aus den Juden und aus den Nationen herausgenommen worden, um in aller Freiheit unter ihnen arbeiten zu können. Der Diener Gottes und überhaupt jeder Christ wird aus der Welt, aus der er kommt, herausgenommen. Er wird geheiligt, abgesondert und kann nun mit Recht von sich selbst sagen, er sei in die Welt gesandt, weil er nun nicht mehr zu ihr gehört. Der Herr sagt: Gleichwie du mich in die Welt gesandt hast, habe ich auch sie in die Welt gesandt» (Joh. 17,18). Damit sagt Er gleichsam: «Ich bin vom Himmel gekommen; auch ihr seid nun vom Himmel und seid wie Ich in diese Welt gesandt.»

Vier Dinge kennzeichneten den wunderbaren Dienst, den der Herr dem Saulus anvertraute:

  1. Die Augen derer, zu denen er gesandt war, sollten aufgetan werden, auf dass sie sich von der Finsternis zum Licht bekehrten.
  2. Sie sollten von der Gewalt Satans zu Gott geführt werden.
  3. Als Sünder sollten sie die Vergebung der Sünden empfangen.
  4. Sie sollten das Erbe kennen lernen, das denen gegeben ist, die durch den Glauben an den Herrn Jesus geheiligt sind.

In dem Reiche der Finsternis, in das Satan ihn eingeführt hat, steht der Mensch unter seiner Gewalt. Werden ihm die Augen geöffnet, so verlässt er die Finsternis, um zu Gott geführt zu werden. Dieser Gott, der «Licht» ist, hat in unsere Herzen geleuchtet «zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Christi», sagt der Apostel (2. Kor. 4,6). Hat er sich diesem Gott, der Licht und Liebe ist, zugewandt, so empfängt er die Vergebung seiner Sünden und noch weit mehr: ein Erbe unter den Geheiligten. Wir lesen in Kolosser 1,12-13: «Danksagend dem Vater, der uns fähig gemacht hat zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem Lichte, der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe.» Wer gerettet wird, hat Anteil an diesem Erbe mit allen, die geheiligt sind, und ist fähig gemacht, alles das in Besitz zu nehmen, was Gott nach Seinen ewigen Ratschlüssen Seinen Auserwählten geben wollte. Sie sind von dieser Welt abgesondert und durch das Werk Christi zu «berufenen Heiligen» geworden (vergl. 1. Kor. 1,2 und Römer 1,7).

Wir sind nicht berufen, Heilige zu werden. Die praktische Heiligung vollzieht sich im christlichen Wandel nicht mit dem Ziel, dass der Christ heilig werde, sondern weil er heilig ist. Er soll seiner Stellung entsprechen und heilig sein wie Christus es ist. «Seid heilig, denn ich bin heilig» (1. Petr. 1,16).

«Der Glaube an mich», an Jesus, den Heiland, ist das Mittel, durch das der Mensch solche Segnungen empfängt «Denn auch kein anderer Name ist unter dem Himmel, der unter den Menschen gegeben ist, in welchem wir errettet werden müssen» (Kap. 4,12).

Als Paulus, von der Macht des Herrn ergriffen, von dieser seiner Berufung hörte, war er dem himmlischen Gesicht nicht ungehorsam. Sofort begann er denen in Damaskus, in Jerusalem, in der ganzen Landschaft von Judäa und den Nationen seine herrliche Botschaft zu verkündigen und sie aufzurufen: «Buße zu tun und sich zu Gott zu bekehren, indem sie der Buße würdige Werke vollbrächten.» Der Mensch hat sich durch die Sünde von Gott abgewandt; jetzt aber wird er eingeladen, mit bußfertigem Herzen zu Ihm zurückzukehren. Buße ist eine Sinnesänderung im Blick auf sich selbst und gegenüber Gott. Der verlorene Sohn meinte, er könne fern von seinem Vater das Glück finden; die Buße aber brachte ihn zu der Einsicht, dass das Glück nur bei seinem Vater zu finden war. Der Buße würdige Werke sind solche, die von dem Vorhandensein der Buße Zeugnis geben. Bei dem verlorenen Sohn bestanden diese Werke in der Rückkehr zum Vater und im Bekenntnis der Schuld. Auch Johannes der Täufer ermahnte die Menschen, die sich von ihm taufen lassen wollten, zu solchen Werken.

«Dieserhalb». fuhr Paulus fort, «haben mich die Juden in dem Tempel ergriffen und versucht, mich zu ermorden.» Dass sowohl den Juden als auch den Nationen das gleiche Evangelium verkündigt wurde, erregte den Hass dieses hochmütigen Volkes gegen Paulus, und sie suchten ihn zu töten.

Da ihm aber die Hilfe Gottes zuteil wurde, war er bis dahin erhalten geblieben. Trotz aller Anstrengungen des Feindes hat er seinen Dienst erfüllen können, «bezeugend sowohl Kleinen als Großen», indem er nichts sagte außer dem, was auch die Propheten und Moses geredet hatten, dass es geschehen werde, «nämlich dass der Christus leiden sollte, dass er als Erster durch Totenauferstehung Licht verkündigen sollte, sowohl dem Volke als auch den Nationen.» Der große Gegenstand der Prophetie ist: Christus, Seine Leiden und Seine Verherrlichung. Das war es auch, was der Herr die Jünger auf dem Wege nach Emmaus lehrte. Er musste leiden; das war eine absolute Notwendigkeit, wenn Gottes Ratschlüsse erfüllt werden sollten. Der Tod Christi setzte dem durch die Sünde verunreinigten Zustand der Dinge ein Ende und durch die Auferstehung aus den Toten führte der Herr eine neue Ordnung der Dinge ein. Er, der «Erstgeborene der Toten», ließ dem Volke und den Nationen Licht verkündigen. Er ist die «Garbe der Erstlinge», die der Priester «am anderen Tage nach dem Sabbath» weben sollte (3. Mose 23,10 und 11). So hat Er mitten im Schauplatz des Todes «Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht durch das Evangelium» (2. Tim. 1,10).

Kapitel 26, Verse 24 bis 29

Festus, der in der Finsternis war, verstand die Sprache des Paulus nicht und hielt ihn für einen Rasenden. Er billigte ihm wohl ein großes Wissen zu, meinte aber, dieses bringe ihn außer sich. «Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit» (1. Kor. 2,14). Paulus sprach besonnene und wahre Worte. Wenn der Gläubige durch den Geist Worte aussprechen kann, die dem Unerlösten unbegreiflich sind, so tut er es nicht, ohne selbst ein Verständnis davon zu haben, im Gegensatz zu den Menschen, die unter dem Einfluss von Dämonen redeten. «Die Geister der Propheten sind den Propheten untertan». Sie waren sich immer dessen bewusst, was sie sagten und fähig, es zu überprüfen.

Paulus sprach vor Agrippa umso kühner, als er wusste, dass dem König alle diese Dinge bekannt waren; denn, sagt er, «nicht in einem Winkel ist dies geschehen». Damit meinte er das, wovon er in seiner Rede berichtete. Paulus wusste, dass der König an die Propheten glaubte. Agrippa, von dieser Aussage des Paulus vor einer solchen Zuhörerschaft überrascht, wollte deren Wirkung durch die Worte abschwächen: «In kurzem überredest du mich, ein Christ zu werden.» Paulus aber, im Bewusstsein der Erhabenheit seiner christlichen Stellung, antwortete ihm: «Ich wollte zu Gott, dass über kurz oder lang nicht allein du, sondern auch alle, die mich heute hören, solche würden, wie auch ich bin, ausgenommen diese Bande.» Die Liebe Christi drängte ihn; er wünschte, alle möchten das gleiche Glück genießen wie er, jedoch ohne die Ketten, die er nur darum trug, weil er «dem himmlischen Gesicht» gehorsam gewesen war. Die Menschen mochten begehrt haben, am Platz des Königs Agrippa zu stehen; aber Paulus wünschte im Gegenteil, Agrippa möchte so werden wie er. Er genoss ein Glück, das ihn über alles Sichtbare erhob, seien es Herrlichkeiten oder Leiden.

Verse 30 bis 32

Alle waren von der Unschuld des Paulus überzeugt. Sie zogen sich zurück und sagten zueinander: «Dieser Mensch tut nichts, was des Todes oder der Bande wert wäre. Agrippa aber sprach zu Festus: Dieser Mensch hätte losgelassen werden können, wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte.» Als der Herr am Kreuze war, ließ Gott durch den Übeltäter ausrufen: «Dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan.» Dem Apostel, der seinem Meister so nahe nachgefolgt war und der auch seinerseits als Jünger Christi in den Augen der Juden zu den Übertretern gehörte, wurde Ähnliches bezeugt. Auch später wurde es vor dem ganzen Prätorium und vor allen offenbar, dass die Bande des Paulus nicht die eines Übeltäters, sondern «Bande in Christo» waren (Phil. 1,12.13).

Paulus musste nach Rom gehen, nicht nur, weil er sich auf den Kaiser berufen hatte, sondern vor allem, weil er den Namen des Herrn vor ihn tragen sollte (Kapitel 9,15).

Kapitel 27, Verse 1 bis 44

Paulus und etliche andere Gefangene wurden einem Hauptmann, mit Namen Julius, übergeben, um nach Rom gebracht zu werden. Sie stiegen in ein adramyttisches Schiff, das der Küste Asiens entlang fahren sollte. Paulus hatte Aristarchus zum Begleiter, dem wir schon, zusammen mit Gajus, in Ephesus begegnet sind (Kap. 19,29), und der auch bei denen war, die Paulus von Griechenland nach Asien begleiteten (Kap. 20,4). Paulus nennt ihn seinen Mitgefangenen (Kol. 4,10) und seinen Mitarbeiter (Philemon 24). Auch Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, und zweifellos noch andere Brüder waren bei der Reisegesellschaft.

Der Herr wachte über Paulus, Seinen treuen Botschafter; Er sorgte dafür, dass er einem Hauptmann übergeben wurde, der ihn menschlich behandelte. In Sidon angekommen, erlaubte er ihm, «zu den Freunden zu gehen, um ihrer Fürsorge teilhaftig zu werden». Von dort kamen sie nach Myra in Lycien, wo sie in ein alexandrinisches Schiff stiegen, das nach Italien segelte.

Hier begannen nun die Schwierigkeiten dieser Reise, auf welcher sich Paulus wiederum als Mann Gottes zeigte, der immer in Übereinstimmung stand mit den Gedanken Gottes und sich seiner Stellung bewusst war, wie vorher vor dem König Agrippa.

Die Fahrt war von Anfang an mühsam; der Wind war nicht günstig. Der Insel Kreta entlang fuhren sie nach Schönhafen, in der Nähe der Stadt Lasea. Viel Zeit war schon verflossen und die Fahrt war gefährlich geworden, weil die Fasten schon vorüber waren (die Fasten entsprachen dem Versöhnungsfest, das im siebenten Monat stattfand, also im Herbst, zu welcher Jahreszeit es damals üblich war, die Seefahrt bis zum Frühling zu unterbrechen). Paulus warnte sie davor, die Fahrt fortzusetzen, da sie mit Ungemach und großem Schaden, nicht nur für die Ladung und das Schiff, sondern auch für ihr Leben geschehen würde. Es wäre weise gewesen, auf ihn zu hören und nicht weiter zu fahren; aber der Hauptmann hatte mehr Vertrauen zum Steuermann und zum Schiffsherrn als zu Paulus. «Da aber der Hafen zum Überwintern ungeeignet war», wurde beschlossen abzufahren, um, wenn möglich, nach Phönix zu gelangen, einem Hafen am Ende der Insel Kreta, und dort zu überwintern. Ein Südwind schien ihren Vorsatz zu begünstigen; aber von der Insel herab, in deren Schutz sie zu segeln gedachten, erhob sich ein Sturmwind und riss das Schiff mit sich fort; man gab es preis und ließ es dahintreiben. Sie ergriffen auch alle Maßnahmen, um das Schiff zu erleichtern, damit es nicht auf die Sandbänke der Syrte verschlagen würde. Viele Tage lang sahen sie weder Sonne noch Sterne, alle Hoffnung auf Rettung war entschwunden.

Während dieser Zeit nahm Paulus Zuflucht zu seinem Gott. Nachdem er seinen Gefährten zu verstehen gab, man hätte ihm freilich gehorchen und nicht von Kreta abfahren sollen, um Ungemach und Schaden zu vermeiden – man sieht, dass Paulus gegenüber materiellen Verlusten nicht gleichgültig war – ermahnte er sie, guten Mutes zu sein, denn sie alle würden am Leben bleiben. «Denn», sagte er zu ihnen, «ein Engel Gottes, dessen ich bin und dem ich diene, stand in dieser Nacht bei mir und sprach: Fürchte dich nicht, Paulus! Du musst vor den Kaiser gestellt werden; und siehe, Gott hat dir alle geschenkt, die mit dir fahren. Deshalb seid gutes Mutes, ihr Männer; denn ich vertraue Gott, dass es so sein wird, wie zu mir geredet worden ist. Wir müssen aber auf eine gewisse Insel verschlagen werden.» Paulus, der in den Augen der Menschen ein Gefangener war, wie ein anderer, war Gottes Eigentum und diente Ihm. Gott, der Schöpfer aller entfesselten Elemente, die sich Seinen Vorsätzen entgegenzustellen schienen, hatte alles in Seiner Hand. Er sandte Seinen Diener nach Rom, und wer konnte Ihn daran hindern? Die Worte des Paulus, die er mit göttlicher Vollmacht aussprach, die diesen Menschen völlig fremd war, brachte diese unter seine Abhängigkeit; von nun an war er es, dem sie gehorchten.

Als die vierzehnte Nacht angebrochen war, ermittelten die Matrosen mit dem Senkblei die Tiefe des Wassers und merkten, dass sie irgendwelchem Land nahten und suchten aus dem Schiffe zu fliehen. Paulus aber sprach zu dem Hauptmann und den Kriegsleuten: «Wenn diese nicht im Schiffe bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden.» Dann hieben die Kriegsleute die Taue des Bootes ab, das die Matrosen ins Meer hinabgelassen hatten, um darin zu fliehen.

Paulus sagte zu ihnen: «Ihr könnt nicht gerettet werden.» Dass er selbst gerettet werden würde, wusste er, darin war er nicht von den Matrosen abhängig. Aber wenn wir auch in allem von Gott abhängig sind, dürfen wir doch nicht die natürlichen Mittel vernachlässigen, die Gott in unsere Reichweite stellt. Es geht nicht an, zu sagen: «Bewahre mich, Gott!» und sich dann willentlich dem Unglück auszusetzen. Das wäre Gott versucht. So sind wir zum Beispiel auch im Blick auf unseren Lebensunterhalt von Gott abhängig, müssen aber, weil Gott es so angeordnet hat, arbeiten, um zu leben. Nimmt Er jemandem die Fähigkeiten weg, es zu tun, so wird Er für das Nötige sorgen, unter Anwendung von Mitteln, die Er für gut findet.

Paulus ermahnte die Besatzung und die Passagiere des Schiffes, Speise zu sich zu nehmen: «denn dies gehört zu eurer Erhaltung; denn keinem von euch wird ein Haar des Hauptes verloren gehen.» Ihr Leben war gesichert; aber wenn Gott ihnen Speise gegeben hatte, um es zu erhalten, so war ein jeder verantwortlich, Nutzen daraus zu ziehen. Will Gott, dass ein Mose oder ein Elias vierzig Tage lang fasten, so ist Er mächtig, sie dabei aufrecht zu halten; es war nicht der Eigenwille dieser Männer, so lange ohne Essen zu bleiben.

Nachdem Paulus seine Begleiter ermahnt hatte, Speise zu sich zu nehmen, und er selbst Brot genommen hatte, «dankte er Gott vor allen, und als er es gebrochen hatte, begann er zu essen. Alle aber, guten Mutes geworden, nahmen auch selbst Speise zu sich.» Paulus zeigte, dass er sein Bekenntnis, Gott anzugehören, und Ihm zu dienen, ernst nahm. Von Ihm bekam er seine Speise und Ihm dankte er auch vor allen. Er gibt uns da ein schönes Beispiel von Gottesfurcht. Durch das Dankgebet vor einer Mahlzeit bezeugt der Christ vor allen, dass er seine Speise von Gott bekommen hat; das sollte keiner zu tun unterlassen. Kann man es nicht laut tun, so tue man es still. Paulus war inmitten dieser 275 Menschen des Schiffes wie ein Anführer, dessen Autorität sich wie von selbst den andern aufdrängte.

«Als sie sich aber mit Speise gesättigt hatten, erleichterten sie das Schiff, indem sie den Weizen in das Meer warfen.» Da das Schiff aus Ägypten kam, hatte die Ladung wahrscheinlich aus Weizen bestanden. Ohne Geräte und Fracht war es nun leichter; man überließ seine Anker dem Meere, trieb das Schiff auf die Küste zu und ließ es stranden. Hier benützte Gott wiederum den Hauptmann, um das Leben des Paulus zu retten; denn die Kriegsleute wollten die Gefangenen töten, um so deren Flucht zu verhindern. Der Hauptmann «befahl, dass diejenigen, welche schwimmen könnten, sich zuerst hinabwerfen und an das Land gehen sollten; und die übrigen teils auf Brettern, teils auf Stücken vom Schiffe.» Wie Paulus es vorausgesagt hatte, «geschah es, dass alle an das Land gerettet wurden». Der Herr hatte sie ihm geschenkt, wir hoffen, nicht nur für das irdische Leben, sondern auch für die Ewigkeit.

Die Beschreibung dieser Reise, die uns der Geist Gottes mit soviel Einzelheiten gibt – im Gegensatz dazu füllt die Beschreibung der Schöpfung nur ein kurzes Kapitel – lehrt uns, dass Gott über allem sieht, um die Umstände so zu leiten, dass Seine Ratschlüsse erfüllt werden. Das finden wir übrigens vom Anfang bis zum Ende der Bibel bestätigt. Gott führte Seinen Diener nach Rom, obgleich menschliche Weisheit und Vorsicht inmitten entfesselter Elemente zu Schanden geworden waren. Der Sturm diente dazu, dieses zu beweisen. Die Menschen vertrauen nicht auf Gott. Sie ziehen es vor, einen passenden Hafen zum Überwintern zu suchen, und der Südwind scheint ihr Vorhaben zu begünstigen. Die Umstände mögen den Menschen, die nicht auf Gott hören, scheinbar recht geben; sie können sich aber von einem Augenblick zum andern ändern.

Von der Insel aus, deren Schutz sie suchten, kam der Sturmwind über sie. Alle Maßnahmen, die sie gegen den Willen Dessen trafen, der da «spricht und bestellt einen Sturmwind, der hoch erhebt seine Wellen» (Ps. 107,25), erwiesen sich als eitel. Als alle Hoffnung entschwunden war (Vers 20), trat durch den Apostel die Hilfe Gottes auf den Plan. Will man nicht auf Gott hören, muss man die Folgen tragen; aber Gott hat immer das letzte Wort, zum Nutzen der Seinen und zu Seiner eigenen Verherrlichung.

Diese Reise ist auch eine Illustration von dem Leben des Christen durch die Schwierigkeiten dieser Welt hindurch. Zu Beginn scheint es eine unbeschwerte Überfahrt zu werden. Aber der Gegenwind macht sich bald in Form verschiedener Versuchungen und Prüfungen bemerkbar. Die Maßnahmen, die gegen die Schwierigkeiten getroffen werden, führen nicht zum Ziel; man muss hindurchgehen und Dinge opfern, die man für unentbehrlich hielt; häufen sich die Schwierigkeiten, so sind wir gezwungen, alles über Bord zu werfen, und wir verlassen schließlich das Schiff, die Behausung des eigenen Leibes, um das jenseitige Ufer zu erreichen. Wie glücklich sind wir zu wissen, dass, wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, der innere Tag für Tag erneuert wird und dass, wenn unser irdisches Haus, die Hütte, zerstört wird, wir in den Himmeln einen Bau von Gott haben.

Die gleiche Anwendung lässt sich auch auf die Kirche machen, im Blick auf ihre Verantwortung. Unter günstigen Winden in die See gestochen, hat sie dem vom Feind entfachten Sturmwind nicht zu widerstehen vermocht. Da sie, statt auf den Herrn zu vertrauen, menschliche Mittel gebrauchte, um ihm zu begegnen, erlitt sie Schiffbruch. Aber der Herr kennt, die Sein sind; sie werden durch Gottes Gnade heil und wohlbehalten ankommen, müssen aber das Schiff der Christenheit in den Fluten des Gerichtes über die Welt, mit welcher sie sich einsgemacht hat, untergehen lassen.

Kapitel 28, Verse 1 bis 6

Die Schiffbrüchigen, die mit heiler Haut ans Land gekommen waren, erfuhren die Güte Gottes. «Die Inselbewohner erzeigten uns eine nicht gewöhnliche Freundlichkeit», sagt der Verfasser des Berichtes. Da es regnete und es zudem kalt war, zündeten sie ein Feuer an. Paulus blieb nicht untätig, sondern gab dem Feuer Nahrung, indem er zusammengeraffte Reiser darauf legte. Dabei hängte sich plötzlich eine Natter an seine Hand, die der Hitze entflohen war. Als die Leute dies sahen, schlossen sie daraus, dass er ein dem Schiffbruch entronnener Übeltäter sei, dem die Göttin der Vergeltung nicht erlaube, dass er lebe. Sie änderten aber sogleich ihre Meinung, als sie sahen, dass er die Schlange ins Feuer abschüttelte und nichts Böses davon trug. Sie sagten sogar zueinander, er sei ein Gott.

Bei Paulus ging hier in Erfüllung, was der Herr von denen gesagt hatte, die glauben würden: «Sie werden Schlangen aufnehmen, und wenn sie etwas Tödliches trinken, so wird es ihnen nicht schaden» (Mark. 16,17-18). Auch der übrige Inhalt jenes 18. Verses hat sich hier erfüllt: «Schwachen werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden.» Paulus tat nichts, um sich von den übrigen Gefangenen zu unterscheiden. Gott wollte diesen 359  Leuten zeigen, dass Paulus nicht ein Gott war, sondern Sein Diener, ein Mensch, dem der wahre Gott Seine Macht mitteilte, die in ihrer Mitte tätig sein wollte.

Verse 7 bis 10

In der Nähe des Ortes, wo die Schiffbrüchigen sich gestärkt hatten, befanden sich die Besitzungen des Publius, des Landpflegers der Insel, der den Titel «Erster der Insel» trug. Dieser Mann nahm sie freundlich auf und beherbergte sie drei Tage – vermutlich Paulus und seine Begleiter. Der Apostel wurde zu dem Vater des Publius hingeführt, der krank daniederlag. Er betete, legte ihm die Hände auf und heilte ihn. Als dies bekannt wurde, kamen alle Kranken der Insel herbei und wurden geheilt.

Es wird hier nicht gesagt, Paulus habe auf dieser Insel das Evangelium verkündigt; aber die Wunder waren den Ungläubigen als Zeichen gegeben; sie waren für sie die Bestätigung des Wortes Gottes. Zweifellos wurde durch die Wunder die Aufmerksamkeit dieser Leute wachgerufen, und der Apostel hat ohne Frage daraus Nutzen gezogen, indem er von Dem zu ihnen redete, Dessen Macht sie gesehen hatten. Da aber der öffentliche Dienst des Apostels mit seiner Verhaftung in Jerusalem zu Ende gegangen war, wird hier seine Verkündigung und auch ihre Ergebnisse mit Stillschweigen übergangen.

Die Bewohner der Insel, unter welchen die Macht Gottes gewirkt hatte, ehrten Paulus und die Seinen mit vielen Ehren und versahen sie mit allem Nötigen.

Verse 11 bis 16

Nach einem Aufenthalt, der drei Monate gedauert hatte, fuhren sie alle mit einem Schiffe ab, das auf der Insel überwintert hatte. Bei günstigem Wind kamen sie nach Puteoli, wo sich Brüder befanden, mit denen sie sieben Tage zusammen sein durften. Als die Brüder von Rom von den Dingen Kunde bekamen, die Paulus und seinen Begleitern zugestoßen waren, kamen sie ihnen bis Appii-Forum entgegen. «Als Paulus sie sah, dankte er Gott und fasste Mut.» Wie der Apostel den Korinthern gegenüber erwähnt hatte, trug er den geistlichen Schatz in einem irdenen Gefäß herum. Dieses Gefäß, durch das sich Gottes Macht entfaltete, war dem Einfluss der Umstände ausgesetzt. Seine Schwachheit war eine Wirklichkeit; aber der Herr ermunterte Seinen Diener, hatte Er hienieden doch selbst erfahren, was es bedeutet, Mensch zu sein und dabei Gottes Ermunterungen zu empfangen. Er wusste, welche Ermunterungen Er auf den Weg Seines Dieners legen musste. Paulus war nun bald in Rom, und welche Gedanken mochten sich nun in seinem Geiste zusammendrängen! Was wird mir dort alles begegnen? Schon bin ich zwei Jahre in Gefangenschaft, stille gelegt in meinem Dienst, und jetzt werde ich ein Gefangener der Heiden sein…

Es bestand in Rom eine Versammlung, die, wie aus Römer 16 hervorgeht, vom Herrn selbst gebildet worden war; und nun kamen dem Apostel auf seinem dunklen Wege diese Brüder entgegen. Das war für ihn wie ein Gruß aus dem Himmel, waren sie doch Glieder des Leibes Christi, die Paulus auf seinem Herzen trug. Das war für ihn eine große Stärkung; er dankte Gott und fasste Mut.

In Rom angekommen, wurden die Gefangenen dem Befehlshaber der kaiserlichen Leibwache übergeben. Paulus war es erlaubt, mit dem Kriegsknecht, der ihn bewachte, für sich zu bleiben.

Auf diese Weise war nun der Apostel, wie vorausgesagt, in die Hauptstadt des Römischen Reiches gekommen.

Verse 17 bis 22

Paulus verlor keine Zeit. Schon nach drei Tagen rief er die Ersten der Juden zusammen. Wie er es immer getan, beschäftigte er sich auch hier zuerst mit den Juden. Es lag ihm am Herzen, sie darüber zu unterrichten, weshalb er sich nun in Rom und in diesen Umständen befand. Er sei von den Juden in Jerusalem gefangen genommen und in die Hände der Römer überliefert worden, die ihn hätten loslassen wollen, weil sie nichts Todeswürdiges an ihm gefunden hatten; er aber sei gezwungen gewesen, sich auf den Kaiser zu berufen, weil sich die Juden seiner Freilassung widersetzten. Paulus war ein Gefangener, dessen Unschuld anerkannt war; er hatte nichts wider das Volk noch gegen das Gesetz getan, und er hatte auch keine Anklage wider seine Nation vorzubringen. Trug er jetzt eine Kette, so war dies wegen der Hoffnung Israels, das heißt wegen des Herrn, auf den Israel hoffte, also nicht etwa wegen eines Verbrechens. Der die Hoffnung Israels ist, hatte die gleichen Umstände durchlebt, wie der Apostel. Er war von Seinem Volk den Römern überliefert worden, und Pilatus hatte Seine Unschuld anerkannt, aber die Juden hatten Seinen Tod gefordert. Paulus verkündigte einen Christus, den die Juden verworfen hatten und, infolge dieser Verwerfung, auch das Heil, das sich auf alle erstreckte.

Die Juden sagten zu Paulus, sie hätten keinen Bericht von Judäa erhalten, und niemand habe ihnen Böses über ihn gesagt; doch wünschten sie von ihm zu hören über diese Sekte, denn es sei bekannt, dass man ihr allenthalben widerspreche. Sie hatten also von den Versammlungen, die an verschiedenen Orten entstanden waren und die überall Widerstand fanden, reden hören. Sobald die Wahrheit ans Licht kommt, gibt es Widerstand; denn in dem finsteren Reich des Feindes begegnet das Licht dem Hass derer, die sich ihm widersetzen und sich in ihrem Tun durch das Licht verurteilt fühlen. Das hat sich im ganzen Verlauf der Kirchengeschichte immer wiederholt, bis auf den heutigen Tag. Die Wahrheit wird nie verstanden werden; damit muss der Gläubige sich abfinden. Er aber soll bis zum Ende treu bleiben, indem er das Wort des Herrn bewahrt, den Namen des Heiligen und Wahrhaftigen nicht verleugnet und auch das Wort seines Ausharrens festhält.

Verse 23 bis 31

Die Juden bestimmten Paulus einen Tag, an welchem mehrere zu ihm kamen, um ihn zu hören, wie er «seine Gesinnung», wie sie es nannten, darlegte (Vers 22). Diese Gesinnung war nichts anderes als die Wahrheit. Er legte sie ihnen aus, «indem er das Reich Gottes bezeugte und sie zu überzeugen suchte von Jesu, sowohl aus dem Gesetz Moses als auch den Propheten, von frühmorgens bis zum Abend.» Das Reich Gottes ist der Bereich, in welchem Gottes Rechte und Seine Autorität anerkannt werden. Die in Christo völlig geoffenbarten Charakterzüge dieses Reiches leiten und beherrschen alle, die dazu gehören. In dieses Reich, das in Christo gesehen worden war, wird man durch die Wiedergeburt eingeführt. Die Juden wollten nichts wissen von einem solchen Reich, das Buße forderte. Das Gesetz und die Propheten hatten Christum zum Gegenstand, und es handelte sich einfach darum, zu glauben. «Und etliche wurden überzeugt von dem, was gesagt wurde, andere aber glaubten nicht.» Die Juden hatten die Geduld Gottes zum Endpunkt getrieben. Zuerst hatten sie Jesum und dann auch das Zeugnis des Heiligen Geistes verworfen, das Petrus abgelegt hatte. Durch Gottes Barmherzigkeit wurde ihnen nochmals, «den Juden zuerst, dann den Griechen», durch den Dienst des Paulus die Gnade angeboten, durch deren Annahme sie in die Versammlung eingetreten wären. Aber sie lehnten alles ab, und so hatten sie nur noch die Vollziehung des achthundert Jahre vorher durch Jesaja verkündeten Gerichtes zu erwarten (Kap. 6,9-10). Das ist es, was Paulus ihnen in Erinnerung brachte. Sie aber hörten und verstanden nicht; sie sahen und erkannten nicht. Eine gerichtliche Verblendung hatte das Volk befallen; sie wollten sich nicht bekehren und konnten nicht geheilt werden, denn sie hatten Gottes Langmut missbraucht. Das gleiche Gericht wird auch über die Christenheit kommen. Paulus sagte ihnen zum Schluss: «So sei euch nun kund, dass dieses Heil Gottes den Nationen gesandt ist; sie werden auch hören. Und als er dies gesagt hatte, gingen die Juden weg und hatten viel Wortwechsel unter sich.»

Dies ist die dritte Anführung im Neuen Testament des in Jesaja 6 angekündigten Gerichtes. In Matthäus 13 sonderte der Herr den Ihn umgebenden Überrest ab und wendete diese Prophezeiung auf die Masse des Volkes an. Auch in Johannes 12 bezieht Er sie auf das Volk, das nach so vielen Offenbarungen Seiner göttlichen Herrlichkeiten nicht glauben wollte. Hier bringt Paulus dieses Gericht wiederum in Erinnerung, nachdem jetzt die Juden den Herrn, wie auch das Zeugnis des Heiligen Geistes und das Zeugnis der Gnade für alle verworfen hatten.

Der Herr wachte über Seinen treuen Diener und verschaffte ihm jede Erleichterung, die man einem Gefangenen gewähren konnte. «Er aber blieb zwei ganze Jahre in seinem eigenen gemieteten Hause und nahm alle auf, die zu ihm kamen, indem er das Reich Gottes predigte und die Dinge, welche den Herrn Jesus Christus betreffen, mit aller Freimütigkeit ungehindert lehrte.»

In seiner Abgeschiedenheit in Rom hat Paulus das Wort Gottes hinsichtlich der Wahrheiten, die das Geheimnis der Versammlung betreffen, durch seine Briefe an die Epheser, an die Kolosser, an die Philipper, an Philemon und wahrscheinlich auch an die Hebräer, vollendet. Wie man allgemein annimmt, schrieb er zwischen seiner ersten und seiner zweiten Gefangenschaft in Rom den ersten Brief an Timotheus sowie den Titusbrief, den zweiten Timotheusbrief aber vor dem Ende seiner zweiten Haft. So besitzt die Versammlung nun alle Belehrungen, die sie bis zur Ankunft des Herrn benötigt. Alsdann wird Er Seine Beziehungen zu Seinem irdischen Volk wieder aufnehmen, um die den Vätern gemachten Verheißungen zu erfüllen.


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