Die ersten Jahrzehnte des Christentums (Teil 3)

Die ersten Jahrzehnte
des Christentums (Teil 3)

Eine Hilfe zum Studium der Apostelgeschichte

Kapitel 10, Verse 44 bis 48

In der Rede des Petrus lassen sich die vier verschiedenen Seiten des Werkes des Heiligen Geistes erkennen, von denen der Herr gesprochen hat:

  1. Er erinnerte an alles, was Jesus gesagt hatte und was die Jünger damals nur wenig oder gar nicht verstanden hatten (= Inhalt der Evangelien, vergl. Joh. 14,26 – Apostelg. 10,36-40).
  2. Er gibt Zeugnis von einem verherrlichten Christus (= Inhalt der Apostelg., vergl. Joh. 15,26. 27 – Apg. 10,41)
  3. Er führt in die ganze Wahrheit ein, die nun geoffenbart worden ist (Inhalt der Briefe, vergl. Joh. 16,13 – Apg. 10,42).
  4. Er verkündigte das Kommende (Offenbarung) und im weiteren Sinne die neuen Dinge, die aus dem Werke Christi am Kreuze hervorgegangen sind (Joh. 16,13).

Kaum hatte Petrus die Worte ausgesprochen, die Kornelius und den Seinen aufzeigten, was Ihrem Glauben noch mangelte, fiel der Heilige Geist auf sie. Gott hatte nur auf diesen Augenblick gewartet, um sie mit Seinem Geiste zu versiegeln und sie in die Vorrechte des Christentums einzuführen, die sich aus der Taufe des einen Geistes zu einem Leibe, der sowohl Juden als Griechen umfasst, ergeben. Die Brüder, die Petrus begleitet hatten, gerieten außer sich, dass auch auf die Nationen die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen worden war und dieselben Wirkungen hervorbrachte, die am Anfang auch unter den Gläubigen in Jerusalem zu sehen waren: «Sie hörten sie in Sprachen reden und Gott erheben.» Sie verherrlichten Gott in der Kraft des Geistes, denn sie hatten nun die Wunder der Gnade kennengelernt und konnten sie jetzt genießen. Der Herr hatte zu der Samariterin gesagt: «Das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm eine Quelle Wassers werden, das ins ewige Leben quillt» (Joh. 4,14). Dieses Wasser kehrt zur Verherrlichung Gottes zu seiner Quelle zurück. Gemäß Johannes 7,38 zeigt sich bei dem, der davon getrunken hat, noch eine andere Wirkung: «aus dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen.» Die Segnungen, die der Gläubige in der Kraft des Heiligen Geistes empfängt, fließen von ihm aus in zwei Richtungen weiter: Sie steigen wieder zu Gott empor, verbreiten sich von ihm aus aber auch unter die Menschen.

In Apostelgeschichte 8 wird uns mitgeteilt, dass die Samariter den Heiligen Geist erst empfingen, nachdem sie getauft worden waren. Hier aber gibt Gott den Heiligen Geist vor der Taufe, um den Juden zu zeigen, dass Er die Gläubigen aus den Nationen auf der gleichen Grundlage annimmt wie sie, das heißt, auf Grund des Glaubens an den Herrn Jesus. Gott wusste, welche Schwierigkeit es den jüdischen Brüdern bereiten würde, die aus den Nationen in das christliche Bekenntnis aufzunehmen. Nachdem aber die hier versammelten Gläubigen den Heiligen Geist wie sie empfangen hatten, stellte Petrus die Frage, ob ihnen jetzt wohl jemand die Taufe verwehren dürfe.

Er taufte sie nicht in apostolischer Autorität; sondern stellte den Brüdern aus der Beschneidung die Sache zur Beurteilung vor, damit auch sie darüber geübt sein möchten. Er handelte in wahrem christlichem Geist, der das Gewissen anderer achtet und übt, sich ihm aber niemals aufzwingt.

Aus dieser Stelle ist ferner ersichtlich, dass das Gebot nicht lautet: «lasst euch taufen!», sondern: «taufet!» (Vergl. Matthäus 28,19). Die Erkenntnis des Gedankens des Herrn soll für das Herz des Gläubigen wegleitend sein; es handelt sich für ihn nicht um ein Gesetz. Man beachte auch, dass die Ausübung der Taufe nicht einer besonderen Klasse von Christen vorbehalten war. Hier war es nicht Petrus, der taufte. Er befahl vielmehr, dass sie in dem Namen des Herrn getauft würden. Die Brüder, die mit ihm gekommen waren, übten diesen Dienst aus. Man sieht, wie die Belehrung des Wortes dem Geiste der Priesterherrschaft widerspricht, der in der Kirche soviel Unheil angerichtet hat.

Petrus willigte ein, etliche Tage bei ihnen zu bleiben. Zweifellos benützte er diese Zeit, um sie in den Wahrheiten des Christentums zu unterweisen.

Kapitel 11, Verse 1 bis 18

Die Kunde, dass Menschen aus den Nationen das Wort Gottes angenommen hatten und Petrus bei Unbeschnittenen eingekehrt war und mit ihnen gegessen hatte, brachte bei den Brüdern in Judäa große Beunruhigung hervor. Das Gesicht, das Petrus gehabt hatte, musste nun auch dazu dienen, diese gläubigen Juden vom Gedanken Gottes hinsichtlich der Nationen zu überzeugen. Petrus verantwortete sich und setzte ihnen die Dinge der Reihe nach auseinander, in der unbedingten Gewissheit, dem Gedanken Gottes gemäß gehandelt zu haben und Seine Zustimmung zu besitzen. Auf diese Weise wurde die Wahrheit dem Geiste derer offenbar, die sich ihr aus bloßer Unkenntnis widersetzt hatten. Petrus führte alles ins Feld: das Gesicht mit den unreinen Tieren; die Ankunft der Boten des Kornelius; seine Hinreise mit ihnen auf Weisung des Heiligen Geistes; der Bericht des Kornelius und die Tatsache, dass der Heilige Geist auf die Versammelten gefallen ist, wie im Anfang auf die jüdischen Jünger. Petrus hatte dabei an das Wort des Herrn gedacht: «Johannes taufte zwar mit Wasser, ihr aber werdet mit Heiligem Geiste getauft werden.» Gott hatte diesen Gläubigen aus den Nationen dieselben Vorrechte gegeben wie den Gläubigen aus den Juden. Konnte Sein Diener anders als nach Seinem Gedanken handeln, der sich so deutlich kundgetan hatte?

«Als sie aber dies gehört hatten, beruhigten sie sich und verherrlichten Gott und sagten: Dann hat Gott also auch den Nationen die Buße gegeben zum Leben.» Sie hatten jetzt begriffen, dass sich die Nationen vor Gott auf dem gleichen Boden befanden wie sie, zu denen Petrus gesagt hatte (Kap. 2,38): «Tut Buße, und ein jeder von euch werde getauft auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen.»

Im 17. Vers unseres Kapitels hatte Petrus darauf hingewiesen, dass die Juden den Heiligen Geist nicht empfangen hatten, weil sie Juden waren, sondern weil sie «an den Herrn Jesus geglaubt» hatten. Auch Kornelius und die Seinen waren jetzt zum Glauben an den Herrn Jesus gekommen und befanden sich somit auf dem gleichen Boden vor Gott.

Nun besaßen diese Gläubigen aus den Nationen das Heil, entsprechend den Worten des Engels an Kornelius: «Sende nach Joppe und lass Simon holen, der Petrus zubenamt ist; der wird Worte zu dir reden, durch welche du errettet werden wirst, du und dein ganzes Haus» (Verse 13 und 14). Bis dahin hatte Kornelius wie die Heiligen des Alten Testamentes geglaubt und besaß das Leben Gottes; wäre er vor der Ankunft des Petrus gestorben, so wäre er doch errettet gewesen. Nicht dieses Heil hatte ihm gefehlt. Er bedurfte des Heils, das durch die Erkenntnis des Herrn Jesus und Seines Werkes am Kreuze mitgeteilt wird. Dieses Heil ist die Gewissheit einer völligen Befreiung von einem Gericht, das der Herr am Kreuze anstelle des Schuldigen erduldet hat indem Er dabei alle Forderungen der Gerechtigkeit Gottes befriedigte. Dieses Heil setzt die Seele in den Besitz des ewigen Lebens, eines Lebens das in dem auferstandenen Christus über den Tod triumphiert hat. Es macht aus dem Gläubigen ein himmlisches Wesen und befreit ihn von der Welt und von der Macht ihres am Kreuze besiegten Fürsten.

Der Gläubige hat somit – dem Bilde nach – dieselbe Erfahrung gemacht wie Israel, als dieses durch das Rote Meer hindurchzog und dadurch von Ägypten und der Macht Pharaos befreit wurde. Er weiß, dass er erkauft ist, und erwartet fortan den Herrn Jesus als Heiland zur Errettung von seinem Leibe, also zur völligen Befreiung von allem, was noch mit der ersten Schöpfung verbunden ist. Bis dahin ist er aber schon im Besitz eines vollkommenen Heiles und erfreut sich der großen Errettung «welche den Anfang ihrer Verkündigung durch den Herrn empfangen hat und uns von denen bestätigt worden ist, die es gehört haben» (Hebr. 2,3). Im Genuss eines solchen Heiles konnten Kornelius und die Seinen Gott von nun an verherrlichen.

Kapitel 11, Verse 19 bis 21

Die Heiligen, die nach dem Tode des Stephanus verfolgt und zerstreut wurden, fuhren fort, das Wort Gottes zu verkündigen (vgl. Kapitel 8,4). Sie zogen hindurch bis nach Phöniden, Cypern und Antiochien. Unter ihnen befanden sich Cyprioten und Männer von Kyrene, die – durch ihre nachbarlichen Beziehungen – mit den Griechen vertraut waren und ihnen das Evangelium verkündigten.

Einfache Gläubige waren es also, die das Wort Gottes über die Grenzen des jüdischen Volkes hinaustrugen und in der Verbreitung des Evangeliums unter den Griechen den Anfang machten. Um mit unserer Umgebung vom Herrn reden zu können, müssen wir nicht die Gabe eines Evangelisten besitzen; jeder Gläubige, dessen Herz vom Herrn erfüllt ist, kann es tun. Jene Gläubigen waren von Ihm erfüllt. Statt bei den Umständen ihrer Verfolgung zu verweilen, hatten sie das Bedürfnis, jedem Menschen von dem Glück, das sie genossen, zu erzählen. Die Erkenntnis Jesu hob sie über alles hinweg und befähigte sie, für Ihn ein machtvolles Zeugnis abzulegen. Sie verkündigten das Evangelium von dem Herrn Jesus. Jesus ist der Name, den der Engel nannte, als er Maria die Geburt des Herrn ankündigte. Der göttliche Mensch, verworfen und verachtet, aber doch Heiland, war Gegenstand der Predigt dieser Jünger.

Aber dieser Jesus ist zum Herrn und Christus gemacht worden. Als solcher wirkte er in großer Macht und unterstützte Seine Jünger in ihrem Dienst. «Und des Herrn Hand war mit ihnen», wird hier gesagt, «und eine große Zahl glaubte und bekehrte sich zu dem Herrn.» Nach dem Sieg über den Feind entfaltete der Herr Seine Macht, die zur Erfüllung der Ratschlüsse Gottes erforderlich ist. Er bedient sich wessen Er will, um Sich selbst bekannt zu machen.

Die Jünger predigten keine Dogmen, sondern eine Person. Wer zum Heiland geführt wurde, anerkannte von vornherein dessen Herrschaftsansprüche an ihn und unterwarf sich Ihm als dem Herrn.

In der heutigen Verkündigung unterlässt man es oft, Jesum als Herrn darzustellen. Man redet von vielen Dingen und sucht die Gefühle in Wallung zu bringen. Statt dessen sollten einfach die Person Jesu und Seine Rechte als Herr über die an Ihn Glaubenden dargelegt werden, damit sie im Genuss Seiner Liebe den Ihm gebührenden Gehorsam leisten. Zahlreiche Gläubige gehen einen selbstgewählten Weg. Würden Sie dagegen dem Herrn anhangen, um Ihn immer besser kennenzulernen und in Unterwürfigkeit Seinen Willen zu tun, um wieviel gesegneter wäre ihr Weg!

Verse 22 bis 26

«Es kam aber die Rede von ihnen zu den Ohren der Versammlung, die in Jerusalem war.» Die Versammlung von Jerusalem war durch die Rede des Petrus darauf vorbereitet, das Gerücht über die Vorgänge in Antiochien günstig aufzunehmen. Barnabas wurde ausgesandt, um Erkundigungen einzuziehen und den Christen in Antiochien nützlich zu sein. Als er «die Gnade Gottes sah», freute er sich.

Wen der Herr auch als Werkzeug gebrauchen mag, nichts kann einem Knecht Gottes solche Freude bereiten, wie das Erlebnis der Wirkungen der Gnade Gottes im Werke des Herrn. Barnabas ermahnte deshalb alle, «mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren.»

Der Christ besitzt ein Leben, das von Dem, der dieses Lebens Quelle ist, abhängt. Folglich dürfen die Zuneigungen durch nichts von Ihm abgelenkt werden. Das ganze Herz soll Ihm gehören. In Christo ist die Kraftquelle für das Zeugnis und für die Fähigkeit, die Wesenszüge Christi im Wandel darzustellen. Barnabas ermahnte sie, «mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren». «Denn er war ein guter Mann und voll Heiligen Geistes und Glaubens», also dafür geeignet, inmitten jener Neubekehrten einen Dienst zu tun.

Man sieht, mit welcher Weisheit die Versammlung von Jerusalem diesen Diener ausgewählt hat. Er war Cypriot von Geburt und konnte in seiner großen Frömmigkeit in Antiochien besonders nützlich sein. Er ist einer der drei Männer, von denen die Schrift sagt, dass sie mit Heiligem Geiste erfüllt gewesen seien. Auch von Stephanus und Saulus wurde dies gesagt (Apostelg. 6,5; 13,9).

Ein guter Mann ist, wer das Gute sucht und sich darüber freut, wann und wo er es findet; er sucht die Ehre des Herrn und das Wohl der Seelen. Barnabas empfand das Bedürfnis, Saulus von Tarsus zu holen, damit dieser ergänze, was an seiner Unterweisung gegenüber diesen jungen Christen fehlen mochte. Was ihn fähig machte, das Werk Gottes in Antiochien zu betreiben, war seine große Frömmigkeit und sein aktives Leben in der Kraft des ihn erfüllenden Heiligen Geistes.

Die Apostel hatten ihn Barnabas genannt; das bedeutet: Sohn des Trostes. Unter der Wirkung des Trösters (wie der Heilige Geist in Johannes 15,26 auch genannt wird), hatte er einen schönen Dienst. Es ist nicht nötig, eine große Gabe zu besitzen, um vom Heiligen Geiste erfüllt zu sein; dieses Erfülltsein ist vielmehr der normale Zustand eines Christen. Wie wenig verwirklichen wir ihn!

Durch die gesegnete Tätigkeit dieses guten Mannes wurde dem Herrn eine zahlreiche Menge hinzugetan. In Kapitel 2,47 steht: «Der Herr aber tat täglich (zu der Versammlung) hinzu»; Er ist es, der sie baut. Er ist auch der Mittelpunkt der Versammlung, und wenn es sich um die Arbeit der Knechte des Herrn handelt, werden die Gläubigen dem Herrn hinzugetan. Wahre Diener verbinden die Herzen mit Christus und nicht mit sich selbst.

Barnabas ging also hin und holte Saulus in Tarsus. Dorthin hatten die Brüder von Jerusalem Saulus einst gesandt (Kap. 9,30). Barnabas war es auch gewesen, der ihn vordem den Aposteln in Jerusalem vorgestellt hatte. Indem er nun Saulus aufsuchte, handelte er nach den Gedanken des Herrn, der den großen Apostel der Nationen jetzt in sein eigentliches Arbeitsfeld einführen wollte.

«Es geschah ihnen aber, dass sie ein ganzes Jahr in der Versammlung zusammenkamen und eine zahlreiche Menge lehrten.» Die Neubekehrten empfingen während dieser Zeit die Unterweisung, durch die sie praktisch zu wahren Jüngern Christi wurden; denn zuerst in Antiochien wurden die Jünger Christen genannt. Sie waren so treu in der Darstellung der Wesenszüge ihres Meisters, dass man sie mit keinem anderen Wort besser kennzeichnen konnte. Möchten wir doch alle als solche erkannt werden!

Aus dem 26. Vers ersieht man, wie nach der Verkündigung des Evangeliums, in der Versammlung auch der Belehrung ein wichtiger Platz eingeräumt werden muss.

Bis dahin haben wir die Tätigkeit von einfachen Gläubigen beobachtet, die dem Dienst des Apostels Paulus vorausging, der nun in Antiochien und nicht in Jerusalem auf den Schauplatz trat.

Kapitel 11, 27 bis 30

«In diesen Tagen kamen Propheten von Jerusalem nach Antiochien herab. Einer aber von ihnen, mit Namen Agabus, stand auf und zeigte durch den Geist eine große Hungersnot an, die über den ganzen Erdkreis kommen sollte.» Das gab den Jüngern von Antiochien Gelegenheit, den Brüdern in Judäa ihre Liebe zu bezeugen. Sie dachten nicht daran, dass auch sie von der Hungersnot heimgesucht werden sollten, und warteten auch nicht, bis sie wirklich da war, um dann erst ihren Brüdern zu helfen. Sie beschlossen sofort, ihnen entsprechend den vorhandenen Mitteln Gaben zu senden; denn für die Brüder in Judäa musste eine solche Hungersnot großen Mangel bringen, hatten sie doch ihre Güter verkauft, und sie waren ja auch ihrer Habe beraubt worden (Hebr. 10,34). Diese Neubekehrten aus den Nationen verwirklichten die Tatsache, dass alle Erlösten, sowohl «Juden» als «Griechen», eine Familie bilden, vom gleichen Leben beseelt sind, alle unter der Macht des einen Geistes stehen und zusammen die Glieder desselben Leibes bilden.

Im Anfang des Christentums kam die Gabe der Weissagung in verschiedener Weise zum Ausdruck. Die Propheten konnten neue Wahrheiten bringen, oder entsprechend den vorhandenen Bedürfnissen schon bekannte Wahrheiten zur Auferbauung, Ermahnung und Ermunterung der Hörer anwenden. Sie konnten aber auch, wie Agabus, hier und im 21. Kapitel, kommende Ereignisse ankündigen. Heute tritt die Gabe der Weissagung in der Versammlung Gottes in der Weise in Tätigkeit, wie sie in 1. Korinther 14,3 umschrieben ist. Das Wort Gottes ist abgeschlossen; wir haben weder die Ankündigung neuer Ereignisse, noch neue Offenbarungen zu erwarten.

Kapitel 12, Verse 1 bis 4

Zu jener Zeit hatte die Versammlung unter der Verfolgung des Herodes zu leiden. Wie sein Vorgänger durch die Verwerfung Jesu ein Freund des Pilatus geworden war, wollte auch dieser Herodes durch die Verfolgung der Jünger des Volkes Freund werden. Schon hatte er einige von ihnen misshandelt, Jakobus, den Bruder des Johannes, sogar umgebracht, und als er sah, dass es den Juden gefiel, fuhr er fort, auch Petrus festzunehmen.

Jakobus war der erste der Apostel, dem die Ehre zuteil wurde, für den Namen des Herrn als Märtyrer zu sterben. Sein Dienst war von kurzer Dauer. Er war einer der führenden Apostel gewesen. Der Herr hatte ihn, zusammen mit Petrus und Johannes, bei der Auferweckung des Töchterleins von Jairus, auf den Berg der Verklärung und in Seine engere Nähe im Garten Gethsemane mitgenommen. Petrus und Johannes blieben, und ihr Dienst trug den Stempel der Ereignisse, denen sie in der Gegenwart des Herrn beigewohnt hatten.

Es gibt drei verschiedene Brüder mit Namen Jakobus:

  1. der Bruder des Johannes und Sohn des Zebedäus, den Herodes umbrachte,
  2. Jakobus, des Alphäus Sohn und
  3. Jakobus, Ältester der Versammlung in Jerusalem, Verfasser des Briefes Jakobus, vermutlich der Bruder des Herrn.

Herodes wollte das Fest der ungesäuerten Brote nicht durch die Vorführung des Petrus stören; aus eigenem Interesse nahm er auf die Überzeugungen der Juden Rücksicht. Die Religionen der Welt verbindet sich leicht mit dem Hass gegen Christum und die Seinen. Die Obersten der Juden hatten ihrerseits den Herrn, des Volkes wegen, auch nicht während des Festes umbringen wollen. Aber Gott will Seine Ratschlüsse zu Seiner Zeit durchführen: Jesus sollte während des Festes sterben; dieser Aufschub hier sollte aber bei der Befreiung des Petrus mithelfen.

Herodes hatte Petrus sorgfältig bewachen lassen; dieser war angekettet und sechzehn Kriegsknechten anvertraut. Aber die Vorsichtigkeit, mit der die Menschen bei der Erfüllung ihrer bösen Absichten zu Werke gingen, gab Gott Gelegenheit, Seine Macht zu offenbaren. – Das Gleiche geschah am Grab des Herrn; sie hatten den Eingang der Gruft durch Versiegelung des davor gewälzten Steines gesichert. Jesus aber konnte dem Grab entsteigen, ohne es zu öffnen. Dann kam ein Engel des Herrn und wälzte den Stein weg (Matth. 28,2).

Verse 5 bis 11

«Petrus nun wurde in dem Gefängnis verwahrt; aber von der Versammlung geschah ein anhaltendes Gebet für ihn zu Gott.» Die Menschen meinen, sie könnten nach ihrem Belieben handeln, niemand werde sie daran hindern. Aber Gott ist im Himmel, und auf der Erde erheben die Seinen betende Hände. Das Gebet setzt sozusagen Gottes Arm in Bewegung. Dass wir doch als Einzelne, oder auch als Versammlung von diesem gesegneten Mittel mehr Gebrauch machten! Im allgemeinen beten wir zu wenig ernstlich, weil wir hinsichtlich des Gegenstandes unserer Gebete zu wenig geübt sind. Das Bedürfnis, darin erhört zu werden, fehlt uns manchmal. Statt inbrünstig zu bitten, verrichten wir Gebete.

In Lukas 11,5-6 finden wir ein Muster-Gebet: «Freund, leihe mir drei Brote!» Es bedurfte keiner weiteren Worte, keiner Darlegung vieler Wahrheiten, wie es so oft geschieht. Es genügt, wenn wir die Bedürfnisse klar und kurz umschreiben und vorbringen.

In Johannes 15,7 lehrt uns der Herr, wie sich die Bedürfnisse bei den Gläubigen bilden sollen: «Wenn ihr in mir bleibet und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten was ihr wollt, und es wird euch geschehen.» Wenn wir mit dem Herrn in Gemeinschaft bleiben und uns von Seinem Worte nähren, werden wir nur Seine Verherrlichung im Auge haben. Wir begehren dann nur, was Gott uns geben will und sind daher Seiner Antwort gewiss. In dieser Weise werden zwei oder drei in der Gegenwart des Herrn übereinkommen, um das zu erbitten, was ihnen vom Vater werden wird.

War im Anfang, als sie es mit Satan als dem Löwen zu tun hatten, das Gebet die Macht der Gläubigen, wieviel mehr brauchen wir es heute, wo er als Schlange oder als Engel des Lichtes wirksam ist!

Herodes hatte seine Kriegsknechte; aber Gott verfügte über «Engel, Gewaltige an Kraft, Täter seines Wortes» (Psalm 103,20). Er sendet sie aus «zum Dienst um derer willen, welche die Seligkeit ererben sollen» (Hebr. 1,14).

Nun brach für Petrus anscheinend die letzte Nacht an. Herodes wollte ihn jetzt dem Volke vorführen; aber von der Versammlung geschah ein anhaltendes Gebet für ihn zu Gott. Währenddessen schlief Petrus einen von Gott geschenkten, tiefen Schlaf. Er war von vornherein einverstanden mit allem, was Gott über ihn bestimmen würde, daher ruhte er in dem Frieden, der sich im Vertrauen auf Gott findet. Wie der Herr mitten im Sturm im Boot geschlafen hatte, so schlief Sein Jünger in Ketten zwischen zwei Kriegsknechten.

Da erschien ein Engel des Herrn und erfüllte den Kerker mit Licht aus dem Himmel. Er stand im Dienste Dessen, der die Haare unseres Hauptes alle gezählt hat, und war gegenüber Petrus voller Rücksicht. Er schlug Petrus an die Seite, um ihn zu wecken; er hieß ihn aufstehen, und dabei fielen die Ketten von den Händen des Gefangenen. Dann sagte er zu ihm: «Gürte dich und binde deine Sandalen unter… wirf dein Oberkleid um und folge mir.» Unbehelligt kamen sie an den verschiedenen Wachtposten vorbei; das eiserne Tor tat sich ihnen von selbst auf und sie traten hinaus. Der Engel begleitete ihn noch bis ans Ende jener Straße, aber dann zog er sich zurück, weil sein Dienst erfüllt war. Die Engel überschreiten niemals ihren Auftrag; wir können von ihnen lernen.

Um den Engel, der einen geistigen Leib besitzt, hindurchzulassen, brauchte sich das Tor nicht zu öffnen; Petrus aber war noch in seinem stofflichen Leib. Die Macht Gottes trug diesem Umstand Rechnung und beseitigte das Hindernis.

Als Petrus dem Engel folgte, meinte er, ein Gesicht zu sehen; doch als er zu sich selbst kam, sprach er: «Nun weiß ich in Wahrheit, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich gerettet hat aus der Hand des Herodes und aller Erwartung des Volkes der Juden.» – Herodes wollte Petrus dem Volke vorführen; nun aber war es Gott, der ihn den versammelten Heiligen als Freigelassenen darstellte.

Verse 12 bis 17

Der Geist Gottes führte Petrus zum Hause der Maria, der Mutter des Markus, wo viele versammelt waren und beteten. Gott wollte, dass sie die Antwort auf ihre Gebete alsbald erfuhren. So inbrünstig ihr Flehen auch war, so wagten alle, außer der Magd, doch kaum, mit einer Erhörung zu rechnen. Als diese die Stimme des Petrus, der an die Tür des Tores klopfte, erkannte, öffnete sie vor Freude nicht; sie lief aber hin und verkündete, dass es Petrus sei. Die Betenden glaubten ihr nicht und sprachen zu ihr: «Du bist von Sinnen!» und auf ihre Beteuerung hin sagten sie: «Es ist sein Engel.» Ihr Glaube stand nicht auf gleicher Höhe wie ihre Bitte. Sie waren sich mehr der Macht des Herodes bewusst als der Macht Gottes. Ist es nicht oft auch bei uns so?

Das wird auch den Glauben des Überrestes charakterisieren, wenn der Herr erscheint, um ihn zu befreien. Zuerst werden sie Tag und Nacht um Befreiung flehen; aber der Herr sagt: «Wird wohl der Sohn des Menschen, wenn er kommt, den Glauben finden auf der Erde?» (Luk. 18,8). Wir sind oft weit davon entfernt, wie der Herr sagen zu können: «Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich aber wusste, dass du mich allezeit erhörst» (Joh. 11,41-42). «Und wenn wir wissen, dass er uns hört… so wissen wir, dass wir die Bitten haben, die wir von ihm erbeten haben» (1.Joh. 5,15).

Der Geist Gottes hat die Schönheit des Glaubens der als «von Sinnen» bezeichneten Magd hervorheben wollen, indem Er ihren Namen bekannt gab. Es war «eine Magd, mit Namen Rhode». Sie betete im Glauben, ohne zu zweifeln.

Die Jünger waren außer sich, als sie Petrus sahen, aber er «winkte ihnen mit der Hand, zu schweigen, und erzählte ihnen, wie der Herr ihn aus dem Gefängnis herausgeführt habe.» Und er fügte bei: «Verkündet dies Jakobus und den Brüdern.» Er benahm sich so, als ob es sich bei all diesem um etwas ganz Natürliches gehandelt hätte. Wahrlich, was dem Menschen übernatürlich erscheint, ist für Gott das «Natürliche». – «Und er ging hinaus und zog an einen andern Ort.»

Mit Ausnahme einer Erwähnung in Kapitel 15 hören wir in der Apostelgeschichte nichts mehr von Petrus. Aber ehe die inspirierte Schrift den Bericht über den Dienst des Petrus abschloss, wollte Gott augenscheinlich bezeugen, dass er aufgespart sei, um den Dienst zu vollbringen, den ihm der Herr, nach Johannes 21, anvertraut hatte.

Man begegnet Petrus wieder in seinen Episteln, und auch Johannes finden wir in seinen Schriften wieder. In ihnen allen erkennen wir, wie treu diese beiden Jünger in der Erfüllung ihres Dienstes gewesen sind.

Verse 18 bis 25

Das Verschwinden des Petrus verursachte große Bestürzung unter den Kriegsknechten, die ihn bewachen sollten. Als Herodes ihn nicht fand und auf sein Befragen nichts Näheres aus den Wachen herausholen konnte, ließ er sie zur Hinrichtung abführen. Diese Unglücklichen wurden, im Gegensatz zu den Kriegsknechten, die das Grab des Herrn bewachen mussten, nicht verschont. Damals hatten die religiösen Führer ein Interesse daran, durch die Wachen die Lüge verbreiten zu lassen, die Jünger hätten den Leib Jesu gestohlen. Herodes aber hatte kein solches Interesse. Bei der Ausführung ihrer bösen Vorsätze kümmern sich die Menschen nicht um Gerechtigkeit.

Im Ärger über seinen Misserfolg ging Herodes nach Cäsarea hinab. Während seines Aufenthaltes in dieser Stadt besuchte ihn eine Abordnung der Tyrer und Sidonier, gegen die er erbittert war. Da ihr Land von dem Lande des Herodes ernährt wurde, begehrten sie mit ihm Frieden zu schließen und wussten Blastus, seinen Kämmerer, auf ihre Seite zu bringen, unter dessen Einfluss Herodes ihr Anliegen günstig aufnahm. An einem festgesetzten Tage hielt er, angetan mit königlichen Kleidern und auf einem Throne sitzend, eine öffentliche Rede an sie. Da rief das Volk: «Eines Gottes Stimme und nicht eines Menschen!» Dem König gefiel es, von einem Volke, das seine Gunst suchte, diese Huldigung entgegenzunehmen, die ebenso übertrieben wie unaufrichtig war. Ein Engel des Herrn schlug ihn plötzlich, «darum, dass er nicht Gott die Ehre gab; und von Würmern gefressen, verschied er» (siehe Jesaja 14,11). Der Mensch in seiner Gottlosigkeit hört gerne auf die Einflüsterungen Satans, die vom Garten Eden herrühren. Dort sagte er zu Eva: «Ihr werdet sein wie Gott.» Dieses Streben, wie Gott zu sein, kann man in der Geschichte des Menschen immer wieder wahrnehmen; es wird im Tier und im falschen Propheten seinen Höhepunkt erreichen.

In Herodes, dem falschen König der Juden, dem Mörder und Verfolger der Gläubigen, kann man verschiedene Züge des Antichristen erkennen, der ebenfalls in dem Augenblick vernichtet wird, wo er sich selbst als Gott einsetzt.  Der Gläubige dagegen sagt: «Nicht uns, Gott, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre, um deiner Güte, um deiner Wahrheit willen» (Psalm 115,1).

Trotz des feindlichen Widerstandes wuchs und mehrte sich das Wort Gottes (Vers 24). Gottes Macht tat sich durch Sein Wort kund, unter der Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Dieses Wort wird hier wie eine Person betrachtet, deren Tätigkeit Resultate zeitigt, wie eine Sache, die wächst und sich mehrt. Die Bosheit des Menschen und die List Satans vermögen das Werk Gottes, der Menschen zu sich ziehen und erretten will, nicht zu hindern.

Wie gut, zu wissen, dass diese Macht heute wie damals, mitten unter Menschen, die der Wahrheit feindlich gegenüberstehen und die noch tot sind in ihren Vergehungen und Sünden, wirksam ist. Wir dürfen im ernsten Flehen, dass dieses Wort des Herrn laufe und verherrlicht werde, nicht erlahmen (2. Thess. 3,1). Barnabas und Saulus hatten die Hilfeleistung der Jünger von Antiochien nach Jerusalem gebracht (Kap. 11,30): ihr Dienst war erfüllt, sie kehrten nach Antiochien zurück und nahmen Johannes Markus, den Neffen des Barnabas mit.

Kapitel 13, Verse 1 bis 3

Mit diesem Kapitel beginnt der zweite Teil der Apostelgeschichte, dessen Merkmal der Dienst des Apostels Paulus ist. Gottes Geduld dem jüdischen Volke gegenüber war zu Ende. Wir haben im 3. Kapitel gesehen, wie die Aufforderung des Petrus zur Buße – «damit Zeiten der Erquickung kommen vom Angesicht des Herrn» – zurückgewiesen wurde. Deshalb wird das Volk erst in den Genuss der ihm verheißenen irdischen Segnungen eintreten, wenn der Herr in Herrlichkeit wiederkommen wird. Von da an wurde jedem einzelnen von ihnen Gnade angeboten, dem Juden zuerst, dann auch dem Griechen, wie Paulus es immer getan hat. Sowohl die Bekehrten aus den Juden, wie auch die aus den Nationen, wurden als Glieder des Leibes, dessen verherrlichtes Haupt Christus im Himmel ist, mit der ganzen Wahrheit ihrer himmlischen Stellung bekanntgemacht.

Das mit dem 13. Kapitel beginnende Werk war ganz unabhängig von den zwölf Aposteln und von Jerusalem. Es hatte diese Stadt nicht einmal zum Ausgangspunkte. Barnabas und Saulus wurden in Antiochien berufen und von dort aus durch den Heiligen Geist ausgesandt. Es wird in den inspirierten Schriften nicht erwähnt, ob und wie die Missionsaufgabe der Zwölfe, die der Herr ihnen auftrug (Matth. 28,19-20), ausgeführt wurde.

In der Versammlung in Antiochien gab es Propheten und Lehrer: Barnabas und Simeon, genannt Niger, Lucius von Kyrene und Manaen, der mit Herodes, dem Vierfürsten, auferzogen wurde und sein Milchbruder war, sowie Saulus. Man sieht daraus, dass das Wort hochgestellte Persönlichkeiten erreicht hatte, wie später auch an des Kaisers Hofe.

«Während sie aber dem Herrn dienten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Sondert mir nun Barnabas und Saulus zu dem Werke aus, zu welchem ich sie berufen habe. Da fasteten und beteten sie, und als sie ihnen die Hände aufgelegt hatten, entließen sie sie.» Hier sieht man das freie, souveräne Wirken des Heiligen Geistes. Er beruft zwei Männer zu einem neuen Werk, ordnet an, dass sie zu diesem Zweck ausgesondert werden und sendet sie (V. 4). Die beiden Männer, an die sich der Heilige Geist richtete, waren in einem solchen Zustand, dass sie sowohl bereit waren, diese Offenbarung zu empfangen, als auch danach zu handeln: «Sie dienten dem Herrn und fasteten.» Fasten heißt, sich von allem enthalten, was auf den Geist beschwerend oder erregend einwirken könnte. Fasten macht fähig, Gottes Gedanken zu erkennen und das Reine vom Unreinen zu unterscheiden. Fasten und Beten gehören zusammen (V. 3). Der Herr sagte zu den Jüngern, die den Dämon nicht auszutreiben vermochten «Diese Art kann durch nichts ausfahren, als nur durch Gebet und Fasten» (Markus 9,29). Fasten bereitet den Gläubigen zu, aus der Macht Gottes Nutzen zu ziehen, und befähigt ihn, Gott um das Ihm Wohlgefällige zu bitten.

Die Verse 2 und 3 zeigen uns die Grundsätze, nach denen der Heilige Geist handelt, wenn er jemanden in Seinen Dienst beruft. Barnabas und Saulus hatten in ihrem bisherigen Dienst Beweise ihrer Hingebung und ihrer Befähigung gegeben.

Barnabas gehörte zu den Brüdern, in denen der Heilige Geist im Anfang mächtig wirkte (Kap. 4,36.37). Er war es auch, der Saulus den Brüdern vorstellte (Kap. 9,27). Die Versammlung in Jerusalem hatte ihn nach Antiochien gesandt, wo eine zahlreiche Menge dem Herrn hinzugetan wurde. Von dort aus ging er nach Tarsus, um Saulus zu holen (Kap. 11,22-25). Dann arbeiteten sie ein Jahr lang miteinander in Antiochien, wo sie in der Versammlung eine zahlreiche Menge lehrten. Die Beiden hatten auch die Hilfeleistung der Brüder in Antiochien nach Jerusalem gebracht und waren wieder zurückgekehrt.

Barnabas war also kein unerfahrener Neubekehrter mehr, so wenig wie Saulus. Als dieser letztere den Aposteln in Jerusalem vorgestellt wurde, war er schon seit drei Jahren bekehrt. Von dort aus sandten sie ihn nach Tarsus. Über seine Tätigkeit in Arabien und in Tarsus wird uns zwar, außer einer Andeutung in Galater 1,22-23, nichts gesagt, aber immerhin nahm das Jahre in Anspruch. Man nimmt an, dass zwischen seiner Begegnung mit dem Herrn auf dem Wege nach Damaskus und seiner Berufung durch den Heiligen Geist zu diesem besonderen Werk ungefähr zehn Jahre verflossen waren.

Beide Männer hatten wohl gedient und eine schöne Stufe erworben und viel Freimütigkeit im Glauben, der in Christo Jesu ist. In 1. Timotheus 3 wird dies bei den «Dienern» vorausgesetzt; aber auch Paulus und Barnabas hatten es verwirklicht. Jeder Mann Gottes muss im Verborgenen durch die Schule Gottes und durch mancherlei Schwierigkeiten hindurchgehen, wobei er sowohl sich selbst als auch Gott kennenlernt. Gottes Wort ist voll von solchen Beispielen. Der Heilige Geist beruft Männer in Seinen Dienst, die in der Schule Gottes gelernt haben. Der Herr wird sie noch weiter ausbilden.

Barnabas und Saulus, die vom Heiligen Geiste berufen worden waren, reisten erst weg, als die Männer, denen Er geboten hatte, die Beiden zu dem Werke auszusondern, ihnen nach wiederholtem Fasten und Beten die Hände aufgelegt hatten. So erfolgte ihre Abreise also in völliger Abhängigkeit von Gottes Willen. Die Brüder – und folglich die Versammlung – anerkannten dies und machten sich eins mit ihnen. Aber nicht durch das Händeauflegen war ihnen die Gabe verliehen worden. Wohl hatte – in einem andern Fall – Timotheus seine «Gnadengabe» durch Händeauflegung des Apostels empfangen, aber das war eine Handlung apostolischer Machtvollkommenheit, und auch er war durch Weissagung dazu berufen worden. Auch Timotheus war durch das Händeauflegen der Ältestenschaft nichts verliehen worden; es war nur ein Ausdruck ihrer vollen Zustimmung.

Das sind bemerkenswerte Grundsätze. Wohl haben wir heute keine solch offensichtlichen Willenskundgebungen mehr, wie sie der Heilige Geist damals gab. Aber wenn auch die Christenheit das Bewusstsein der Gegenwart und Wirksamkeit des Heiligen Geistes auf der Erde verloren hat, so wissen wir doch anderseits, dass Er persönlich in der Versammlung wohnt und bis zum Ende wirksam sein wird, damit der Dienst des Herrn zu ihrer Auferbauung getan werde.

Was uns allen nottut, ist, in allem, was der Herr uns auferlegt, treu zu dienen, mag der Dienst, den Er von uns verlangt, noch so gering scheinen. Auch sollten wir in einem Zustand sein, der durch «Fasten und Beten» gekennzeichnet ist, damit wir erkennen, wenn der Herr uns zu einem besonderen Dienst beruft. Wird uns die Berufung zu einem solchen Dienst klar, so sollte er doch nicht ohne völlige Gemeinschaft mit dem örtlichen Zeugnis, dem man angehört, ausgeübt werden. Wenn heute auch kein Händeauflegen vorgenommen wird, so bleibt doch das, was es zum Ausdruck bringt, bestehen: die Anerkennung dieser Berufung seitens der Brüder und der Versammlung, wie auch ihre Gemeinschaft mit diesem Dienst. Sonst würde der Betreffende Gefahr laufen, in Selbsttäuschung einen Weg des Eigenwillens zu gehen, auf dem er von seinen eigenen Gedanken geleitet wird. Die zu Rate gezogenen gottesfürchtigen Brüder würden durch Fasten und Beten imstande sein, solche eigenen Gedanken zu korrigieren. Aber der wichtige Grundsatz bleibt bestehen, dass ein Bruder für eine wirklich empfangene Gabe und deren Ausübung dem Herrn gegenüber verantwortlich ist. Wer darf ihn daran hindern?

Verse 4 bis 12

Der Heilige Geist, der Barnabas und Saulus berufen hatte, führte sie auch zum Ort ihrer Wirksamkeit. Ohne Zaudern schifften sie sich ein, um nach Cypern zu fahren und nahmen Johannes Markus als Diener mit. Der besondere Dienst dieses Letzteren war von ihrer apostolischen Vollmacht abhängig.

In Salamis angekommen, verkündigten sie das Wort Gottes in den Synagogen, also zuerst den Juden, wie es den Gedanken Gottes entsprach. Aber bald hatten sie es mit der List des Feindes zu tun. In Paphos angekommen, fanden sie einen Magier, einen falschen jüdischen Propheten, der sich beim Prokonsul aufhielt, einem verständigen Manne. Der falsche Prophet nützte diesen Mann aus. Wahrscheinlich hatte er bei diesem Manne innere Bedürfnisse entdeckt, die das Heidentum, das zu jener Zeit Vielen zum Ekel war, nicht befriedigen konnte. Was Barnabas und Saulus verkündigten, übte auf den hohen Beamten eine große Anziehungskraft aus: er ließ sie kommen und begehrte, das Wort Gottes zu hören. Elymas, der Zauberer, aber widerstand ihnen und suchte den Prokonsul von dem Glauben abwendig zu machen.

Saulus – nunmehr Paulus genannt – erfüllt mit Heiligem Geiste, wies ihn scharf zurecht und sprach zu ihm: «Siehe, die Hand des Herrn ist auf dir! Und du wirst blind sein und die Sonne eine Zeitlang nicht sehen.» Als der Beamte sah, was geschehen war, glaubte er, nicht an das Wunder, das er sah, sondern an die durch Paulus verkündigte Lehre des Herrn, die ihn ergriffen hatte.

Die Juden, die dem Zeugnis des Heiligen Geistes widerstanden und den Heiden den Empfang der von ihnen selbst verachteten Gnade zu verwehren suchten, gleichen dem Elymas. Wie dieser ist die jüdische Nation «eine Zeitlang» blind, bis sie zum Herrn umkehrt.

Kapitel 13, Vers 13

Von Paphos aus reisten Paulus und seine Begleiter nach Perge in Pamphylien. Von jetzt ab nahm Paulus den ersten Platz ein; die bei ihm waren, wurden «seine Begleiter» genannt. Johannes, auch Markus genannt, sonderte sich von ihnen ab. Um Paulus zu folgen und den Schwierigkeiten eines Dienstes zu begegnen, der so viel Widerstand von Seiten der Juden hervorrief, war Markus noch zu wenig frei vom Judentum. Er hatte weder die Kosten überschlagen, noch den Sinn des Dienstes erfasst, in den er als Begleiter des Apostels eingetreten war. Daher fehlte es ihm an Mut, und er kehrte nach Jerusalem zurück. Man freut sich, dass ihm der Apostel später ein anderes Zeugnis geben konnte: «Nimm Markus», sagte er zu Timotheus, «und bring ihn mit dir, denn er ist mir nützlich zum Dienst» (2. Tim. 4,11). Es ist beachtenswert, dass er dies in einer Zeit des Verfalls sagte, wo ein solcher Dienst den Apostel und seine Begleiter großen Prüfungen aussetzte, und mehrere von ihnen hatten ja Paulus verlassen. Gewiss war Markus im Hinblick auf den Dienst, den er aufgegeben hatte, vor dem Herrn tief geübt gewesen. Daher konnte der Heilige Geist ihn auch als Schreiber des Evangeliums nach Markus benützen, das den Herrn als den vollkommenen Diener darstellt.

Verse 14 bis 15

Von Perge aus durchzogen Paulus und seine Begleiter das Land und kamen nach Antiochien in Pisidien. Sie gingen am Tage des Sabbaths in die Synagoge und setzten sich unter die Zuhörer. Nach dem Vorlesen des Gesetzes wurden sie von den Vorstehern der Synagoge eingeladen, ein Wort der Ermahnung zu reden. Wie gut, dass jenen Menschen, die das Gesetz gehört hatten, nun auch die Gnade verkündigt werden konnte! Der Heilige Geist, von welchem Paulus und Barnabas abhängig waren, hatte ihnen den Weg geöffnet und dafür gesorgt, dass die Vorsteher der Synagoge ihnen günstig gesinnt waren; und nun konnten die Apostel dem Volke die Worte bringen, die der Herr ihm mitteilen wollte. Wenn wir in unserem Dienste vom Herrn abhängig sind, wird Er uns auch heute, in den Tagen der Schwachheit, die Türen öffnen, so gut wie damals.

In der Kraft des Geistes Gottes legte der Apostel in vollkommener Weisheit die Wahrheit dar, die seiner Zuhörerschaft angepasst war; da waren sowohl Juden als auch Proselyten – Heiden, die sich zum Gott Israels bekannten – versammelt. Diese alle waren durch zwei Dinge gekennzeichnet: Sie dienten Gott und fürchteten Ihn, ohne Leben aus Gott zu besitzen. Dass sie kein Leben hatten, geht aus Vers 50 hervor: die Juden erweckten eine Verfolgung gegen Paulus und Barnabas.

Verse 16 bis 21

In seiner Rede erinnerte der Apostel anhand verschiedener wichtiger Tatsachen aus der Geschichte des Volkes Israel daran, dass Gott immer damit beschäftigt gewesen sei, Sein Volk zu segnen: und um dies völlig zu erreichen, habe Er ihnen in der Person Jesu den Retter gesandt. Israel sah sich also jetzt einer weit wunderbareren Kundmachung der Gnade Gottes gegenübergestellt, als es im Laufe der Geschichte in allen erlebten Befreiungen je der Fall war; und es hätte sich wohl davor hüten sollen, den Herrn, der ihm noch einmal vorgestellt wurde, von sich zu stoßen.

Die Rede des Apostels umfasst:

  1. eine kurze Zusammenfassung der Geschichte des Volkes bis zu den Tagen Johannes des Täufers;
  2. die Verkündigung des Heilandes, Seine Verwerfung, Seine Auferstehung und verschiedene, auf Ihn bezogene Zeugnisse der Schriften.

Er erinnerte daran, dass das Volk ein Gegenstand der Auserwählung Gottes sei. Aus diesem Grunde führte Gott es mit erhobenem Arm aus Ägypten heraus, pflegte es vierzig Jahre lang in der Wüste wie eine Mutter, vertilgte sieben Nationen und gab ihm das Land Kanaan zum Erbteil. Bis auf Samuel hatten sie Richter. Von da an begehrten sie einen König, und Gott gab ihnen Saul, der vierzig Jahre lang über sie herrschte.

Bevor Gott dem Volke den König nach Seinem eigenen Herzen gab, sollte es durch vierzigjährige Erfahrung kennen lernen, was ein König wert war, den es selber erwählt hatte. Die Zahl vierzig stellt immer die Zeit dar, die zur Erprobung einer Sache erforderlich ist. Statt unter diesem stattlichen König in Sicherheit zu leben, folgte das Volk ihm zitternd nach. Die Philister besiegten ihn, und er starb auf dem Gebirge Gilboa.

Verse 22 bis 28

Gott gab zwar dem Volke den König, den es begehrt hatte, aber Er nahm ihn selber wieder weg. «Ich gab dir einen König in meinem Zorn, und nahm ihn weg in meinem Grimm», lesen wir in Hosea 13,11. Und nachdem Er ihn weggetan hatte, sagte Gott: «Ich habe David gefunden, den Sohn Isais, einen Mann nach meinem Herzen, der meinen ganzen Willen tun wird». Gott fand in David Seine Befriedigung. Er war der «Geliebte». Seine Geschichte beweist es; Gott konnte in seinem Herzen wirken und in seinem Leben Früchte ernten. Der König war das Bindeglied zwischen dem Volk und Gott, zum Segen des Volkes. Er musste notwendigerweise von Gott abhängig sein, um ein Verwalter nach dem Willen Gottes sein zu können. In vollkommener Weise wird dies unter der kommenden Herrschaft Christi der Fall sein, wenn Er das Priestertum mit dem Königtum vereinigen wird, zum vollen Segen für alle.

Aus dem Samen Davids «hat Gott nach Verheißung dem Israel als Erretter Jesum gebracht», aber um den Segen zu genießen, der in Ihm gekommen ist, bedarf es der Buße. Deshalb ging Ihm Johannes der Täufer voraus und predigte dem ganzen Volke Israel die Taufe der Buße. Auf diese Weise bereitete er den Weg des Herrn vor. Sobald er seinen Lauf vollendet und seinen Dienst als Vorläufer abgeschlossen hatte, trat Der, dessen Sandalen zu lösen er nicht würdig war, in Erscheinung. Jesus offenbarte sich dem Volke mit allen Beweisen, dass Er der verheißene Messias war, der wahre Sohn Davids. Sie erkannten Ihn aber nicht. Der Apostel legt den Nachdruck auf die Tatsache, dass die Juden, an die er sich wendet, Abrahams Same sind. Er will damit die souveräne Gnade Gottes hervorheben, die ihnen gegenüber immer in Tätigkeit war. Sie sind das Volk, dem Verheißungen gegeben waren, Verheißungen, die durch die Erscheinung des Herrn ihre Erfüllung fanden. Um daraus Nutzen zu ziehen, mussten sie Buße tun; aber ihr Hochmut ließ es nicht zu. Statt den verheißenen Messias und den Sinn der Stimmen der Propheten, die jeden Sabbath gelesen wurden, zu erkennen, hatten sie Ihn umgebracht, und so ohne ihr Wissen die Schriften erfüllt. Das vermindert aber keineswegs ihre Schuld an Seinem Tode; sie hatten ja keine Ursache des Todes an Ihm gefunden! «Und nachdem sie alles vollendet hatten, was über ihn geschrieben ist, nahmen sie ihn vom Holze herab und legten ihn in eine Gruft.» Damit war ihr Werk vollendet, und Gott vollführte auch das Seinige: Er auferweckte Ihn.

Die Menschen, zu denen der Apostel hier sprach, mussten zugeben, dass die Nation den Herrn nicht erkannt hatte. Sie sollten daher von Seiner Verwerfung seitens des Volkes Abstand nehmen und hinsichtlich Seiner Person nicht im Unglauben verharren. Denn Gott hat Ihn aus den Toten auferweckt; sie sollten sich auf die Seite Gottes stellen und sich von der schuldigen Nation loslösen. Petrus hatte schon in Apostelgeschichte 2 gesagt: «Lasst euch retten von diesem verkehrten Geschlecht!» Es galt, sich entweder für Christum zu entscheiden, oder das Los des ungläubigen Volkes zu teilen.

Der Apostel beschrieb die Person des Herrn nach den eigenen Schriften des Volkes; es waren keine neuen Mitteilungen. Sie sollten daher die darin enthaltene volle Wahrheit erkennen und Jesum annehmen. Der Apostel Petrus hatte, wie das 2. Kapitel berichtet, eine ähnliche Rede gehalten, um jene andere große Wahrheit festzustellen, dass Gott diesen Jesus, den sie gekreuzigt hatten, zum Herrn und Christus gemacht hat.

Wer von Gott belehrt ist, um die Wahrheit darzulegen, versteht es, sie dem Zustand derer, an die er sich wendet, anzupassen. Als sich Petrus an die Heiden wandte, verkündigte er ihnen die Güte Gottes gegen alle Menschen (Kap. 14) und den Schöpfer-Gott (Kap. 17), um sie zuzubereiten, die Wahrheit, die er ihnen vorzustellen hatte, aufzunehmen. Der Apostel suchte sowohl die zu gewinnen, die unter Gesetz waren, wie auch die, welche nicht unter Gesetz standen (1. Kor 9,20-21).

Was in Vers 25 von Johannes dem Täufer gesagt wird, ist beachtenswert: «Als aber Johannes seinen Lauf erfüllte». Wir haben alle einen Lauf zu erfüllen, sei er von langer oder von kurzer Dauer; wenn er vollendet ist, brauchen wir nicht mehr auf der Erde zu bleiben. Die Laufbahn des Johannes war kurz gewesen. Er war erweckt worden, um den Messias einzuführen, und nachdem er von Ihm gezeugt hatte und der Herr erschienen war, war seine Aufgabe erfüllt. Es war nicht Herodes, der seinen Dienst zum Abschluss brachte. Für den, der nicht in Treue vorangeht, kann das Leben hienieden zu Ende gehen, bevor die Aufgabe erfüllt ist. Der Apostel sagt in Apostelgeschichte 20,24: «Aber ich nehme keine Rücksicht auf mein Leben, als teuer für mich selbst, auf dass ich meinen Lauf vollende und den Dienst, den ich von dem Herrn Jesus empfangen habe.» Und in 2. Timotheus 4,7: «Ich habe den Lauf vollendet». Dabei war sein Leben noch nicht zu Ende, wenn auch der Zeitpunkt seines Abscheidens sehr nahe war. Aus Vers 36 unseres Kapitels geht auch hervor, dass David entschlief, nachdem er dem Willen Gottes gedient hatte.

Kapitel 13, Verse 29 bis 31

Nachdem sie den Herrn zu Tode gebracht und Ihn in eine Gruft gelegt hatten, konnten die Menschen nichts weiteres mehr tun. Sie glaubten, mit dem Sohne Gottes abgeschlossen zu haben. Aber nun griff Gott ein: «Gott aber hat ihn aus den Toten auferweckt.» Die große Tatsache der Auferstehung Christi sollte fortan unter den Juden bezeugt werden. Gerade das aber wollten die Obersten der Juden nicht wahrhaben. Sie hatten durch die Kriegsknechte, die das Grab bewachten, die Lüge verbreiten lassen: die Jünger seien bei Nacht gekommen und hätten den Leib Jesu geraubt. «Und diese Rede ist bei den Juden ruchbar geworden bis auf den heutigen Tag» (Matth. 28,15).

Der Umstand, dass die Juden den Herrn nicht wiedersahen, schien diese Lüge zu bestätigen; aber Er hatte ihnen ja zuvor gesagt: «Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprechet: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!» (Matth. 23,39). Der Auferstandene erschien nicht dem ganzen Volke, sondern «den von Gott zuvor erwählten Zeugen» (Apostelg. 10,41). Er war nun ein Gegenstand des Glaubens. Eine kleine Zahl verachteter Galiläer, die mit Ihm nach Jerusalem hinaufzogen, glaubte; nur sie haben den Auferstandenen gesehen und sind so zu Zeugen der wunderbaren Tatsache der Auferstehung geworden, welche die Grundlage aller Segnungen für die Erde und den Himmel bildet.

Die Auferstehung des Herrn ist unter anderem der Beweis für drei Hauptwahrheiten:

  1. Sie stellt die unendliche Herrlichkeit Seiner Person fest. Er hat sich durch sie «als Sohn Gottes in Kraft erwiesen» (Römer 1,4). Gott hat auf diesen gehorsamen Menschen, der Ihn bis in den Tod hinein verherrlicht hat, Sein Siegel aufgedruckt, indem Er Ihn auferweckte und Ihm Herrlichkeit gegeben hat.
  2. Die Auferstehung ist die Kundgebung des unendlichen Wertes des Opfers Christi: Er wurde «unserer Rechtfertigung wegen auferweckt» (Römer 4,25). Sie ist die Quittung für die Schuld all derer, die glauben; die öffentliche Erklärung, dass die Frage der Sünde durch den Tod Christi, in Befriedigung der göttlichen Gerechtigkeit, geregelt ist.
  3. Die Auferstehung ist schließlich vor allen Menschen der Beweis, dass Jesus, der Sohn des Menschen, «den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit» (Kap. 17,31).

Verse 32 bis 37

Außer den Zeugen der Auferstehung des Herrn, war auch Paulus seither zum Glauben gekommen. Der auferstandene Jesus war vor Seiner Offenbarung an Israel auch ihm erschienen. Deshalb sagt der Apostel: «gleichsam der unzeitigen Geburt (oder Frühgeburt), erschien er auch mir» (1. Kor. 15,8). Paulus stellt hier fest: «Und wir verkündigen euch die gute Botschaft von der zu den Vätern geschehenen Verheißung, dass Gott dieselbe uns, ihren Kindern, erfüllt hat, indem er Jesum erweckte; wie auch in dem zweiten Psalm geschrieben steht: «Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt». Treu Seiner Verheißung zu Gunsten Seines Volkes, hat Gott Jesum erweckt, nicht nur in der Weise, wie Er einen Propheten erweckt hätte, sondern als der von Ihm auf der Erde gezeugte Sohn, entsprechend der Anführung aus dem zweiten Psalm. Als Er kam, brachten Ihn die Menschen um; aber Gott hat Ihn auferweckt und Ihn aus der Reichweite des Todes herausgenommen; Er kann nicht mehr sterben. Gottes Ratschlüsse werden sich erfüllen, obwohl es schien, dass Jesu Tod hiefür ein Hindernis bildete.

Gott hatte gesagt: «Ich werde euch die gewissen Gnaden Davids geben». Deshalb hat Er Jesum aus den Toten auferweckt. Wenn Jesus auch an den Ort der Verwesung gekommen ist, so hat Er sie doch nicht gesehen, gemäß jenem anderen Wort: «Du wirst nicht zugeben, dass dein Frommer die Verwesung sehe». Es ging also aus den Schriften klar hervor, dass Jesus der war, der kommen sollte, und dass Er, wenn Er stürbe, nicht im Tode bleiben konnte; der Tod hatte kein Anrecht auf Ihn. Psalm 16,10 bringt das Vertrauen Christi als Mensch, angesichts des Todes, zum Ausdruck. Hier aber wird dieser Psalm zitiert, um zu zeigen, wie Gott sich verpflichtet hat, Seinen Sohn aufzuerwecken.

Man sieht hier, wie der Heilige Geist durch den Apostel begreiflich macht, dass die Schriften des Alten Testamentes von Christo redeten. Denn die natürliche Neigung geht dahin, die Tragweite dieser Schriften auf die Umstände des Augenblicks ihrer Entstehung und auf die Personen, die in ihnen genannt werden, zu beschränken. Beim Lesen der Psalmen ist man versucht, nur an David zu denken, darum sagt der Apostel: «Denn David freilich, als er zu seiner Zeit dem Willen Gottes gedient hatte, entschlief und wurde zu seinen Vätern beigesetzt und sah die Verwesung. Der aber, den Gott auferweckt hat, sah die Verwesung nicht.»

Der Geist Gottes spricht hier von einer Person, die unendlich kostbarer war als David. Dieser große König wurde nur erweckt, um dem Ratschluss Gottes zu dienen, und ist dann wieder verschwunden, Der Herr dagegen wurde aus den Toten auferweckt und ließ David, wie alle übrigen Heiligen, in den Gräbern zurück bis zum Zeitpunkt der ersten Auferstehung. Immerhin wird David ein schönes Zeugnis gegeben: Er habe «dem Willen Gottes gedient». Lasst uns den Herrn bitten, dass dies auch für einen jeden von uns während der Zeit, die uns auf der Erde gegeben ist, der Fall sein möge.

Verse 38 bis 41

Nachdem der Apostel diese großen, die Person des Herrn betreffenden Wahrheiten festgestellt hatte, fuhr er fort: «So sei es euch nun kund, Brüder, dass durch diesen euch Vergebung der Sünden verkündigt wird; und von allem, wovon ihr im Gesetz Moses nicht gerechtfertigt werden konntet, wird in diesem jeder Glaubende gerechtfertigt.» Am Kreuze ist die Schuld jedes Menschen zu Tage getreten, und auch die Unfähigkeit der Juden, das Gesetz zu erfüllen. Dem Menschen konnte keine Segnung zuteil werden, solange die Sünde nicht hinweggetan war. Durch Jesum aber, dessen Herrlichkeit in den Worten des Apostels soeben allen vor Augen geführt worden war, ließ nun Gott die Vergebung der Sünden verkündigen, und jeder Glaubende, ob Jude oder Heide, wird in Ihm gerechtfertigt, was durch das Gesetz keinesfalls hatte geschehen können.

Der Apostel warnte die Zuhörer feierlich vor den Folgen der Verwerfung der Gnade (Vers 40,41), die Gott in der Vergebung der Sünden und der Rechtfertigung durch Glauben anbot. Für alle, die sie verwerfen, bleibt nur noch ein unumstößliches und endgültiges Gericht Gottes übrig. «Sehet nun zu, dass nicht über euch komme, was in den Propheten gesagt ist: Sehet ihr Verächter und verwundert euch und verschwindet; denn ich wirke ein Werk in euren Tagen, ein Werk, das ihr nicht glauben werdet, wenn es euch jemand erzählt.» Der Prophet Habakuk machte in diesen Worten eine Anspielung auf das Gericht, das durch die Chaldäer, «das grimmige und ungestüme Volk», über das Volk kommen sollte; aber das war nur ein Bild von den Gerichten, die das jüdische Volk später treffen werden, weil sie den Herrn umbrachten und die angebotene Gnade abwiesen. Ohne Zweifel hatte der Apostel unter seinen Zuhörern solche wahrgenommen, die das, was er ihnen verkündigte, verachteten. Ihr Los wird schrecklich sein!

Vers 42

Die Predigt des Apostels hatte auf viele seiner Zuhörer ihre Wirkung nicht verfehlt. Als sie aus der Synagoge hinausgingen, baten sie, dass diese Worte ihnen am nächsten Sabbath wieder verkündigt würden. Etliche Juden und Proselyten gesellten sich jedoch zu Paulus und Barnabas und wurden von ihnen ermahnt, in der Gnade Gottes zu verharren. Diese wollten nicht bis zum nächsten Sabbath warten. Sie schlossen sich denen an, die sie in den Wahrheiten unterwiesen, weil diese den Bedürfnissen ihrer Seele entsprachen.

Wer die Gnade empfangen hat, soll darin verharren. Im Hebräerbrief wird uns gezeigt, dass viele die Wahrheiten des Christentums nur oberflächlich angenommen hatten. Jene waren wohl froh, durch diese Wahrheiten von den Anforderungen des Gesetzes befreit zu sein; als sie dann aber den Beschwernissen begegneten, die mit der Annahme des Christentums verbunden waren, hatten sie nicht in Treue ausgeharrt. Durch das Verharren in der Gnade wird offenbar, ob man wirklich ein Kind Gottes ist, und sie bewahrt auch davor, fremde Lehren anzunehmen.

Am nächsten Sabbath versammelte sich fast die ganze Stadt, um das Wort Gottes zu hören; aber als die von Eifersucht erfüllten Juden sahen, wie das Volk dem Worte Gottes aufmerksam zuhörte, widersprachen und lästerten sie. Sie nahmen wohl Proselyten ihrer Religion auf, denn solche blieben unter ihrer Autorität; aber zusehen zu müssen, wie Juden und Heiden die Gnade annahmen, die alle, ohne Rücksicht auf ihre nationalen Ansprüche, auf denselben Boden vor Gott stellte, das machte sie zu neiderfüllten Widersachern und Lästerern.

Durch den Widerstand gegen das Wort Gottes, das in erster Linie ihnen verkündigt worden war, verurteilten sie sich selbst, indem sie sich des ewigen Lebens nicht würdig achteten, das ihnen durch die Gnade angeboten wurde. Durch ihren Widerstand lenkten sie die Gnade von sich ab und sie konnte jetzt ungehindert den Heiden zufließen.

Der Apostel wusste in den Propheten die göttliche Belehrung zu finden, auf die er sich in jenen Umständen stützen konnte. In Jesaja 49, wo der Herr die Erfolglosigkeit Seiner Bemühungen, Israel zu Gott zurückzuführen, beklagt, empfängt Er die von Paulus zitierte Antwort: «Ich habe dich zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde.» Durch Sein Sterben hat der Herr das Werk vollbracht, auf Grund dessen das Heil Gottes bis an das Ende der Erde verkündigt werden kann. Der Apostel Paulus war der große Herold, den Gott zu diesem Dienst auserwählt hatte.

Verse 48 bis 49

Als die aus den Nationen hörten, dass das von den Juden verachtete Heil auch für die Nationen sei, «freuten sie sich und verherrlichten das Wort des Herrn» Sie taten im voraus das, was geschehen wird, wenn Christus Sein herrliches Reich auf der Erde aufrichten wird: «Die Nationen werden sich in ihm segnen und sich seiner rühmen» (Jer. 4,2 und andere Stellen), mit dem Unterschied allerdings, dass Israel dann wieder angenommen sein wird, während es jetzt als Volk auf die Seite gestellt ist. Die einzelnen Israeliten aber, die glaubten, wurden mit den Gläubigen aus den Nationen in die Segnungen des Christentums eingeführt.

Diese «verherrlichten das Wort des Herrn». Das erinnert an die Worte Jesu in Lukas 7,35: «Die Weisheit ist gerechtfertigt worden von allen ihren Kindern.» Die Kinder der Weisheit rechtfertigen Gott, indem sie sich Seinem Urteil unterwerfen und die Wahrheit Seiner Aussprüche anerkennen. Sie nehmen die den Sündern angebotene Gnade an. Das Wort des Herrn verherrlichen heißt, es als Sein Wort, mit seiner ganzen Autorität und seiner Wahrheit, aufnehmen, und die Segnungen, die es bringt, genießen.

«So viele ihrer zum ewigen Leben verordnet waren», glaubten dem Wort des Herrn, das sie gehört hatten. Hier wird im Zusammenhang mit der Aufnahme der Nationen in die Versammlung die Auserwählung eingeführt, wie in Kapitel 2,47. Nur waren es dort Juden, die zum ewigen Leben bestimmt waren, gerettet werden sollten und durch den Herrn zu der Versammlung hinzugefügt wurden.

Ohne diese Auserwählung würde niemand gerettet; aber ebenso wahr ist es auch, dass man, um gerettet zu werden, dem verkündigten Worte glauben muss. Die Auserwählung enthebt den Menschen nicht seiner Verantwortung, zu glauben; und diese Verantwortung lastet auf allen Menschen. Niemand wird gerichtet werden, weil er nicht auserwählt war, sondern weil er nicht glauben wollte. Jesus sagte zu den Juden:»Ihr wollt nicht zu mir kommen, auf dass ihr Leben habet» (Joh. 5,40). Nicht die Frage, ob er erwählt sei oder nicht, soll den Unbekehrten beschäftigen; vielmehr soll er das Heil, das allen umsonst angeboten wird, annehmen. Keiner, der je zu Jesu gekommen ist, wird hinausgestoßen. Nachdem Er erklärt hat, «alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen», sagte der Herr: «denn dies ist der Wille meines Vaters, dass jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, ewiges Leben habe» (Joh. 6,37 und 40).

Trotz des Widerstandes der Juden wurde das Wort durch die ganze Gegend ausgebreitet. Zweimal wird es «Wort des Herrn» genannt. Es ist das Wort, das mit der Autorität des Herrn bekleidet ist; es verkündet die Rechte des verworfenen Heilandes, den Gott zum Herrn und Christus gemacht hat. Daher vermochte niemand die Wirksamkeit des Wortes des Herrn, das Ihn als Heiland bekannt macht, aufzuhalten.

Verse 50 bis 52

Die Juden, ohnmächtig bei sich selbst, suchten die Hilfe der Ersten der Stadt und der anbetenden, vornehmen Frauen, um eine Verfolgung gegen Paulus und Barnabas in Szene zu setzen. Der Gebrauch, den die Juden hier von ihren Proselyten machten, erinnert an die Worte des Herrn, die Er zu ihnen sprach (Matth. 23,15): «Ihr durchziehet das Meer und das Trockene, um einen Proselyten zu machen; und wenn er es geworden ist, so machet ihr ihn zu einem Sohne der Hölle, zwiefältig mehr als ihr.»

Durch die Verfolgung wurden die Apostel vertrieben, aber erst als der Herr Sein Werk in dieser Gegend getan hatte: Sein Wort war durch die ganze Gegend ausgebreitet worden (Verse 49). Als solche, die abgewiesen wurden, gehorchten sie dem Befehl des Herrn in Matthäus 10,23: «Wenn sie euch aber verfolgen in dieser Stadt, so fliehet in die andere.» Der Herr ließ diese Verfolgung zu, damit die Apostel das Evangelium auch an andern Orten verkündigten. Sie kehrten später zurück, um die Jünger zu befestigen und sie zu ermahnen (Kapitel 14,22), nachdem das Werk der Evangelisation getan war.

Als Paulus und Barnabas Antiochien verließen, schüttelten sie den Staub von ihren Füßen gegen sie ab, gemäß den Weisungen des Herrn in Matth. 10,14: «Gehet hinaus aus jenem Hause oder jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen». Sie zeigten dadurch an, dass sie keinerlei Verbindung mehr hatten mit ihnen. Alle Beziehungen waren durch ihre Weigerung, das Wort des Herrn zu hören, abgebrochen. Die Jünger aber ließen sie mitten im Widerstand, jedoch in der Freude des Heiligen Geistes zurück. Das Werk des Herrn war getan.

Kapitel 14, Verse 1 bis 7

In Ikonium angekommen, gingen die Apostel, in Übereinstimmung mit Gottes Gedanken, in die Synagoge der Juden und redeten dort also, «dass eine große Menge, sowohl von Juden als auch von Griechen, glaubte». Nur der Heilige Geist konnte bewirken, dass sie «also» zu sprechen vermochten und dass dadurch ein solches Ergebnis erreicht wurde. Aber dieses Wirken des Heiligen Geistes geschah auf dem Gebiete des Feindes selbst, und dieser zögerte nicht, mit Hilfe der Juden Widerstand zu erwecken. Das wird immer so bleiben, bis Satan gebunden ist. Trotz dieses von den Juden entfachten Widerstandes der Nationen, verweilten die Apostel dort «lange Zeit und sprachen freimütig in dem Herrn».

Es wird hier nicht gesagt, dass sie sich auf den Heiligen Geist stützten. Aber sie redeten «in dem Herrn» und so konnte der Heilige Geist ungehemmt wirken. Der Herr gab «dem Worte Seiner Gnade Zeugnis indem er Zeichen und Wunder geschehen ließ durch ihre Hände». Welch ein Gegensatz zwischen den Anstrengungen des Menschen, um das Werk Gottes zu verhindern, und der Macht, mit welcher dieses Werk vollbracht wurde! Der Herr, der Sieger über die Welt und ihren Fürsten war da. Auf Ihn stützten sich Seine Diener und hatten den Beistand der Macht des auf der Erde anwesenden Heiligen Geistes, einer der drei Personen der Gottheit. Sie konnten tatsächlich freimütig reden, da sie vom Bewusstsein erfüllt waren, auf Gottes Seite zu stehen, um die Wahrheit zu verkündigen, die den Menschen verurteilte, aber den Sünder errettete. Die Zeichen und Wunder, die den Dienst des Herrn begleitet hatten, wurden jetzt auch durch Seine Diener vollbracht und waren ein Beweis der Gegenwart und des Wirkens Gottes.

Siebenmal in diesem Buche wird auf die Freimütigkeit hingewiesen, mit der die Apostel redeten, als Antwort auf das Gebet der Jünger (Kapitel 4,29): «Gib deinen Knechten, dein Wort zu reden mit aller Freimütigkeit.» (Kap. 4,31; 13,46; 14,3 18,26; 19,8; 26,26; 28,31).

Unter den beiden großen Strömen der Macht des Geistes Gottes einerseits und des Geistes Satans anderseits gab es in der Stadt eine Entzweiung. Die einen waren mit den Juden, die andern mit den Aposteln. Einen neutralen Boden gibt es nicht; heute wie damals steht man entweder auf der Seite Gottes oder auf der Seite der Welt und ihres Hauptes. Der Herr hat selbst gesagt, dass Er nicht gekommen sei, den Frieden auf die Erde zu bringen. Heute benutzt Er Seine Macht nicht, um Frieden zu stiften, sondern um mitten aus der Feindschaft der Welt und ihres Fürsten Sünder zu erretten. Er lässt das Böse bestehen, bis zu dem Tage, an dem Er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit. Da der Herr, nach Seinem am Kreuze errungenen Sieg, in die Höhe hinaufgestiegen ist, «hat Er die Gefangenschaft gefangen geführt und den Menschen Gaben gegeben» (Eph. 4,8). Diese Gaben werden bis zur Ankunft des Herrn unter der Wirkung des Geistes ausgeübt. Alle, die Sein Wort annehmen, werden inmitten dieser feindlichen Welt Seines Sieges teilhaftig. Sie sind hier gelassen, um für den verworfenen Herrn zu zeugen, der ihnen zugerufen hat: «In der Welt habt ihr Drangsal, aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden» (Joh. 16,33).

Scheinbar war der Sieg auf der Seite des Bösen. Durch einen ungestümen Angriff derer aus den Nationen wie auch der Juden – sie wollten die Apostel misshandeln und steinigen – wurden diese in die Flucht getrieben. Sie entflohen «in die Städte von Lykaonien: Lystra und Derbe, und die Umgegend; und daselbst verkündigten sie das Evangelium». Gott benutzte die Verfolgung, um sie zu veranlassen, das Evangelium anderswo zu predigen; sonst hätten sie, wie es ihr Wunsch war, länger bei diesen Neubekehrten verweilen können.

Verse 8 bis 13

In Lystra befand sich ein lahmer Mann, «der niemals gewandelt hatte». Er hörte Paulus reden. Da der Apostel sah, dass er Glauben hatte, geheilt zu werden, sprach er zu ihm: «Stelle dich gerade hin auf deine Füße! Und er sprang auf und wandelte.» Sowohl im Dienste des Herrn selbst wie auch im Dienste der Apostel gab es Fälle, wo die Wunderkraft ohne den Glauben des zu Heilenden wirkte; bei anderen dagegen, wie bei diesem hier, wird die Heilung dem Glauben zugeschrieben.

Durch diese Heilung wurde der Zustand der Finsternis offenbar, in welchen diese armen Heiden versunken waren. In der Macht des Teufels befangen, hielten sie die geoffenbarte Macht Gottes für die Macht ihrer Götter. Sie glaubten, ihre Götter hätten sich den Menschen gleichgemacht und seien zu ihnen herabgekommen. Sie wollten ihnen opfern. Sie hielten Barnabas für den Zeus, Paulus dagegen für den Hermes, der, wie sie meinten, die Aufträge der Götter ausrichtete.

Verse 14 bis 18

Als Barnabas und Paulus erfuhren, dass Stiere und Kränze an die Tore gebracht worden waren und man ihnen opfern wollte, «zerrissen sie ihre Kleider, sprangen hinaus unter die Volksmenge und riefen und sprachen: Männer, warum tut ihr dieses? Auch wir sind Menschen von gleichen Empfindungen wie ihr und verkündigen euch, dass ihr euch von diesen nichtigen Götzen bekehren sollt zu dem lebendigen Gott, welcher den Himmel und die Erde und das Meer gemacht hat und alles, was in ihnen ist; der in den vergangenen Geschlechtern alle Nationen in ihren eigenen Wegen gehen ließ, wiewohl er sich doch nicht unbezeugt gelassen hat, indem er Gutes tat und euch vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gab und eure Herzen mit Speise und Fröhlichkeit erfüllte.» Die Apostel passten ihr Wort dem Zustand dieser Menschen an, die Gott verlassen und Satan angenommen hatten, der sich in der Gestalt von Götzen vor sie hinstellte.

Die Zeit war vorüber, in welcher Gott die Nationen ihre eigenen Wege gehen ließ, auf welchen sie, Gott kennend, Ihn weder als Gott verherrlichten, noch Ihm Dank darbrachten (Römer 1,21). Wenn sie auch nicht die Aussprüche Gottes besessen hatten, waren sie Ihm gegenüber doch verantwortlich, weil das Zeugnis Seiner Güte stets vor ihren Augen war. In Psalm 145,15-16 lesen wir: «Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit. Du tust deine Hand auf und sättigst alle Lebendigen nach Begehr.» Und im Psalm 147,8: «Ihm, der die Himmel mit Wolken bedeckt, der Regen bereitet für die Erde, der Gras sprossen lässt auf den Bergen.»

Jetzt, wo die Erprobung des Menschen beendet ist, lässt Gott allen verkünden, dass sie sich zu Ihm wenden sollen, zu Ihm, dem Schöpfer aller Dinge und Erhalter aller Menschen, der im Gegensatz zu den Götzen ein lebendiger Gott ist. In Jesaja 37,17-20 wird dieser Gegensatz hervorgehoben und in 5. Mose 32,12 lesen wir: «So leitete ihn Gott allein, und kein fremder Gott war mit ihm.» Die Thessalonicher hatten sich von den Götzenbildern zu Gott bekehrt, «dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten» (Kap. 1,9-10). Indem sie sich dem lebendigen und wahren Gott zuwandten, fanden sie in Ihm den «Heiland-Gott, welcher will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn Gott ist einer, und einer Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gab als Lösegeld für alle, wovon das Zeugnis zu seiner Zeit verkündigt werden sollte» (1. Tim. 2,4-6).

Als Paulus und Barnabas dies sagten, «stillten sie kaum die Volksmenge, dass sie ihnen nicht opferten». Aus dem Tun der Volksmenge ist deutlich ersichtlich, dass die Nationen das Bewusstsein bewahrt hatten, dass zwischen dem Menschen und Gott Opfer nötig waren; sie suchten daher auf ihre Weise ihre Götter zu befriedigen und günstig zu stimmen. Was soll man aber von einer Christenheit halten, die heute das Sühnungsopfer Christi verwirft, und nur gelten lassen will, dass Er uns in Seinem Leben ein Vorbild gewesen sei? Dass der Mensch unfähig ist, dieses Vorbild nachzuahmen, ohne von neuem geboren zu sein, weiß sie nicht.

Die von den Aposteln bei der Heilung des Gelähmten entfaltete Macht beeindruckte diese Menschen. Sobald der Mensch Gott verlässt, hängt er sich an Machtkundgebungen und sucht sie. Dieser Vorgang ist in zunehmendem Maße auch in der Christenheit wahrzunehmen, in der sich Gott in Gnade geoffenbart hat. Bald wird die Form der Gottseligkeit, die noch in ihr gefunden wird, dem Übermenschen Platz machen; und er, der Antichrist, wird die Menschen verführen durch allerlei «Zeichen und Wunder der Lüge» (2. Thess. 2).

Im Tun der Menge war deutlich zu erkennen, dass sich der Feind bemühte, die Apostel durch Ehrungen, die nur Gott zustehen, zu versuchen. Hätten sie diese Huldigungen angenommen, wäre ihr Werk vernichtet worden. So hat der Feind auch den Herrn am Anfang Seines Dienstes durch sein Angebot der Reiche der Welt und ihrer Herrlichkeit vergeblich zu Fall zu bringen versucht. Herodes hingegen starb von Würmern gefressen, weil er die Ehre, die Gott allein zusteht, angenommen hatte.

Kapitel 14, Verse 19 bis 28

Unter dem Einfluss der von Antiochien und Ikonium angekommenen Juden wurde Paulus von der Volksmenge, die den Aposteln soeben noch göttliche Verehrung erweisen wollte, gesteinigt und zur Stadt hinausgeschleift. Die Menschen ohne Gott sind unbeständig, wie das bewegte Meer, jedem Einfluss zugänglich. «Die Gesetzlosen sind wie das aufgewühlte Meer; denn es kann nicht ruhig sein, und seine Wasser wühlen Schlamm und Kot auf» (Jesaja 57,20). Da Satan die Diener Gottes nicht zu verführen vermochte, wollte er sie umbringen. Aber Gott wachte über Paulus; nach der Steinigung hatte er die Kraft, aufzustehen, ruhig in die Stadt hineinzugehen und anderen Tages mit Barnabas nach Derbe zu reisen.

Und als sie jener Stadt das Evangelium verkündigt und viele zu Jüngern gemacht hatten», kehrten sie nach Lystra, Ikonium und Antiochien in Pisidien zurück, wo das Werk der Evangelisation schon geschehen war. Die Apostel wollten sich jetzt mit der Auferbauung der Versammlungen beschäftigen. Zweifellos wurden noch andere Seelen errettet und zu der Versammlung hinzugetan, aber die Apostel widmeten sich jetzt besonders der Befestigung der Gläubigen.

Wer zum Herrn geführt worden ist, braucht Kraft, um Seiner würdig wandeln und von Ihm Zeugnis ablegen zu können. Diese Kraft finden wir im Worte Gottes. Zu jener Zeit besaßen die Gläubigen die Schriften des Neuen Testamentes noch nicht; der Apostel Paulus, der allein die Offenbarungen über das Geheimnis der Versammlung empfangen hatte, unterwies mit seinen Gefährten die Neubekehrten und ermahnte sie, im Glauben zu verharren. In Zeiten der Verfolgung, wie auch in ruhigen Tagen, ist der Feind sehr geschickt, uns Dinge auf den Weg zu stellen, die uns entmutigen können. Aber wir sollen im Glauben ausharren bis ans Ende der Reise und dabei «für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben kämpfen» (Judas 3).

Die Apostel kündigten den Heiligen an, dass sie durch «viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen» würden. Das Reich Gottes ist ein Zustand der Dinge, in welchem Seine Rechte Gültigkeit haben und anerkannt werden; wer daran teilhat, muss seine Wesenszüge tragen. Man kann nicht hineingehen und von Leiden verschont bleiben. Um inmitten der Feindschaft der Welt das Wesen des Reiches Gottes, nach welchem wir zuerst trachten sollen, zu verwirklichen, bedürfen wir von Seiten Gottes der Kraft und der Ermutigung.

Der Apostel selbst hatte einen großen Anteil an diesen Leiden; aber er konnte den Kolossern sagen (Kapitel 1,24): «Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und ergänze in meinem Fleische, was noch rückständig ist von den Drangsalen des Christus für seinen Leib, das ist die Versammlung.» Christus hatte gelitten, um Sich die Versammlung zu erkaufen; Paulus litt, um sie zu sammeln und aufzuerbauen.

In jeder Versammlung wählten die Apostel Älteste, beteten mit Fasten und befahlen sie dem Herrn. Wie wir in Kapitel 13,3 gesehen haben, soll das Beten mit Fasten begleitet sein. Der Geist muss frei sein, um sich der wahren Bedürfnisse bewusst zu werden und sie Gott vorstellen zu können. Er darf dabei nicht unter dem Einfluss von Dingen stehen, die ihn erregen oder seine Urteilsfähigkeit erschweren, sonst wird es schwierig, die Weisungen, die Gott als Antwort auf die Gebete erteilt, zu erkennen. Das buchstäbliche Fasten mochte zu einer solchen Geisteshaltung führen, aber man konnte es auch üben, ohne in dem geistlichen Zustande zu sein, den das Fasten bewirken oder womit es begleitet sein soll. Solches wird dem Volke Israel in Jesaja 58,3-7 vorgeworfen: «Siehe, am Tage eures Fastens geht ihr euren Geschäften nach», usw.

Wenn der Apostel Älteste wählte, tat er es in seiner apostolischen Vollmacht, in der Abhängigkeit vom Herrn, Dem er die Gläubigen anbefahl. Die Ältesten waren beauftragt, die Herde zu hüten, und sie sollten Vorbilder für sie sein (1. Petrus 5,1-4). In 1. Timotheus 3,1-7 und Titus 1,5-11 werden die Eigenschaften aufgeführt, die zu einem solchen Dienst erforderlich waren. Die Ältesten konnten auch «arbeiten in Wort und Lehre», aber aus 1. Timotheus 5,17 geht hervor, dass es nicht alle taten. Keiner Stelle in den Belehrungen des Apostels kann man entnehmen, dass die Versammlungen Älteste ernennen sollten; der Apostel hat keine solche Weisung gegeben, weder für seine Zeit noch für die unsere.

Diesem Amt hat man in der Christenheit einen ganz andern Sinn gegeben. Die Funktionen eines Bischofs (das gleiche Wort wie Ältester), stimmen mit der Tätigkeit der von den Aposteln oder ihren Abgeordneten, Timotheus und Titus, ernannten Ältesten keineswegs überein. Der gesamte Klerus und seine Rangordnung sind eine menschliche Erfindung. Der Apostel hat die Heiligen nicht den Ältesten anempfohlen, sondern «dem Herrn, an welchen sie geglaubt hatten», oder, wie wir in Apostelgeschichte 20,32 lesen, «Gott und dem Worte seiner Gnade.»

Man darf die Gaben nicht mit den Ämtern verwechseln. Der Herr gibt bis zu Seiner Wiederkunft Gaben zur Bildung und Auferbauung der Versammlung. Die Ältesten dagegen wurden von dem Apostel oder seinen Beauftragten bezeichnet, um in den örtlichen Versammlungen die Aufsicht zu führen. Auch heute noch stehen die Versammlungen im Genuss der gleichen Dienste, wie die, welche damals von den Ältesten und Diakonen ausgeübt wurden. Jedoch geben sie den betreffenden Personen keinen Namen, aber anerkennen ihre Tätigkeit in dem Maße, wie diese in Übereinstimmung mit den Belehrungen der Schrift steht. Wenn die Versammlungen in der Abhängigkeit vom Herrn und im Gehorsam zu Seinem Worte, dem der Apostel die Heiligen damals befahl, verharren, werden sie in Ordnung und Frieden vorangehen können.

Die Apostel verkündigten das Wort auch in Perge, zogen durch Attalia und segelten ab «nach Antiochien, von wo sie der Gnade Gottes befohlen worden waren zu dem Werke, das sie erfüllt hatten», zu Beginn dieser ersten Reise. Sie erzählten der Versammlung alles, was Gott mit ihnen getan und dass Er den Nationen eine Tür des Glaubens aufgetan habe. Dabei schrieben sie sich selbst nichts zu; es war das Werk des Herrn, das «Gott mit ihnen getan» hatte, und bei ihrer Arbeit waren sie mit Heiligem Geiste erfüllt.

Kapitel 15, Verse 1 bis 5

«Und etliche kamen von Judäa herab und lehrten die Brüder: wenn ihr nicht beschnitten worden seid, nach der Weise Moses, so könnt ihr nicht errettet werden.» Selbstverständlich waren diese «etliche» nicht, wie Paulus und Barnabas, vom Heiligen Geiste gesandt. Satan war es, der gesetzliche Vorschriften in das Christentum hineinzubringen versuchte. Die Gebote fanden aber nur Anwendung auf den Menschen in Adam. Der Tod Christi, die Grundlage des Christentums, hat aber diesem Menschen gerichtlich ein Ende gesetzt, wie auch den Forderungen des Gesetzes, die ihn zum Tode verurteilten. Darum hat der Christ, da er das Leben des auferstandenen Christus lebt, nichts mit dem Gesetz zu tun. Denn «Christus ist des Gesetzes Ende, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit» (Römer 10,4).

Man begreift, dass «ein Zwiespalt und ein nicht geringer Wortwechsel» zwischen Paulus und jenen Leuten entstehen konnte; denn der Apostel erkannte deutlich, wie sein Brief an die Galater uns zeigt, dass mit solchen Lehren das Fundament des Christentums untergraben wurde.

Die Versammlung war noch einer anderen Gefahr ausgesetzt. Die Berufung des Paulus, den Nationen das Evangelium zu bringen, war nicht in Jerusalem, sondern in Antiochien erfolgt, und zwar unmittelbar von dem verherrlichten Herrn aus. Der Feind suchte nun zwischen den aus dem Judentum hervorgegangenen Christen, die noch die Vorschriften des Gesetzes beobachteten, und den Brüdern aus den Nationen, die das von Paulus gelehrte reine Evangelium angenommen hatten, eine Spaltung hervorzurufen.

Um diese Spaltung zu verhindern, ließ es Gott nicht zu, dass die Frage des Gesetzes, das man den Gläubigen aus den Nationen aufzwingen wollte – wodurch die Kirche dem Verfall entgegengetrieben worden wäre, wie es auch später geschah – in Antiochien geregelt wurde. Paulus hätte zu diesem Zweck seine Berufung in die Waagschale werfen und die Entscheidung selbst treffen können; denn er war weder von Jerusalem, noch von denen, die vor ihm Apostel waren, berufen worden. Es wurde aber beschlossen, dass Paulus und Barnabas und noch einige Brüder mit ihnen zu den Aposteln und Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen sollten, um gemeinsam mit ihnen diese wichtige Streitfrage zu lösen. Das zweite Kapitel des Galaterbriefes teilt uns mit, dass Paulus «zufolge einer Offenbarung» hinaufzog. Zweifellos bedurfte es einer solchen Offenbarung, um ihn bereit zu machen, die Frage den Aposteln und Ältesten in Jerusalem vorzulegen, statt unabhängig von ihnen, inmitten einer Versammlung der Nationen, eine Entscheidung zu treffen. Auf diese Weise ließ die göttliche Weisheit den Plan des Feindes zuschanden werden, «denn seine Gedanken sind uns nicht unbekannt» (2. Korinther 2,11).

Alle diese Brüder brachen auf in voller Gemeinschaft mit der Versammlung in Antiochien. Als sie Phönizien und Samaria durchzogen, machten sie «allen Brüdern große Freude», indem sie «die Bekehrung derer aus den Nationen» erzählten. In Jerusalem angekommen, «wurden sie von der Versammlung und den Aposteln und Ältesten aufgenommen und sie verkündeten alles, was Gott mit ihnen getan hatte.» In ihrem Bericht war weder von Beschneidung noch von Gesetz die Rede, sondern nur von der Gnade Gottes, die allein das Herz mit Freude zu erfüllen vermag.

In diesem Abschnitt sehen wir die überragende Stellung der Versammlung und ihre Autorität. Die Brüder hatten von der Versammlung, die sie vertraten, das Geleit erhalten; in Jerusalem angekommen, wurden sie von der Versammlung aufgenommen. Hier wird die Versammlung sogar vor den Aposteln und Ältesten genannt. Wir tun gut, dies zu beachten, und der Versammlung auch den Platz einzuräumen, der ihr zukommt. Auf der Versammlung ruht die Verantwortung und die Vollmacht zum Handeln. Beim Anhören des Berichtes der Apostel erhoben sich einige Gläubige von der Sekte der Pharisäer und sagten, man müsse diese Gläubigen aus den Nationen beschneiden und ihnen gebieten, das Gesetz Moses zu halten. Wohl schrieben sie die Beschneidung nicht als Mittel zur Errettung vor, wie das «etliche», die von Judäa nach Antiochien herabgekommen waren, getan hatten; aber diese Gläubigen aus der Sekte der Pharisäer mussten noch aus ihrer Gebundenheit an eine Ordnung der Dinge gelöst werden, die Gott bis auf Christum hin auferlegt hatte, aber am Kreuze ihr Ende fand. Das Judentum konnte nicht mit dem Christentum vermischt werden, doch erlaubte Gott diese Bemühungen des Feindes, damit diese Frage erörtert und ins volle Tageslicht gerückt werde, und zwar im Herzen der Kirche der Anfangszeit selbst, mit ihrem jüdisch-christlichen Charakter.

Kapitel 15, Verse 6 bis 21

«Die Apostel aber und die Ältesten versammelten sich, um diese Angelegenheit zu besehen.» Eine solch wichtige Frage wurde von fähigen Brüdern behandelt; aber ihre Entscheidung musste, wie aus Vers 22 hervorgeht, durch die Versammlung bestätigt werden. Heute sollen wir nach den gleichen Grundsätzen handeln.

Petrus ergriff inmitten der versammelten Brüder nach viel Wortwechsel als erster das Wort (Vers 7). Er, der Apostel der Beschneidung, erinnerte daran, dass vor längerer Zeit der Herr ihn unter ihnen allen auserwählt habe, auf dass die Nationen durch seinen Mund «das Wort des Evangeliums hören und glauben sollten». Der Herr hatte ihm die Schlüssel des Reiches der Himmel gegeben, und anschließend an das Gesicht (Kapitel 10) hatte Petrus dem Kornelius und die bei ihm waren, die Tür zu diesem Reiche aufgeschlossen. Dieser Tatsache sollten die Brüder Rechnung tragen und dem Paulus volle Freiheit lassen, nach dem Rufe zu handeln, den er empfangen hatte, um das von Petrus begonnene Werk fortzusetzen.

Im 8. Vers spielt Petrus auf diese Szene an, die im Kapitel 10,44-48 beschrieben wird: «Und Gott, der Herzenskenner gab ihnen Zeugnis, indem er ihnen den Heiligen Geist gab, gleichwie auch uns; und er machte keinen Unterschied zwischen uns und ihnen, indem er durch den Glauben ihre Herzen reinigte.» Die Gläubigen aus den Nationen und die aus den Juden sind durch das gleiche Mittel auf den Boden der gleichen Segnung gebracht worden und bilden einen Leib; sie sind Teilhaber der gleichen Gabe des Heiligen Geistes. Gott vollbringt auch heute dasselbe Werk: Er wirkt in den Herzen, reinigt sie durch den Glauben, führt sie in das Licht und anerkennt den Glaubenden als Sein Kind: «Der Geist selbst zeugt mit unserem Geiste, dass wir Kinder Gottes sind» (Römer 8,16). Er vereinigt alle Gläubigen zu einem Leibe, von welchem Christus das verherrlichte Haupt ist. Warum also sollte man den Gläubigen aus den Nationen ein Joch auferlegen, das weder die Juden, noch ihre Väter zu tragen vermochten? Um errettet zu werden, hatten sie doch alle der gleichen Gnade bedurft.

Es hieße, so sagte Petrus, «Gott versuchen», wollte man ihnen das Joch des Gesetzes auferlegen; damit würde man sozusagen Gott zwingen, eine Probe zu wiederholen, die am Kreuz ihr Ende gefunden hat. Die Erprobung des Menschen hat 40 Jahrhunderte gedauert und ein deutliches Resultat gezeitigt: Sie hat sowohl sein Verderben als auch seine Unfähigkeit, das Gesetz zu erfüllen, bewiesen. Der Apostel Paulus musste dauernd gegen die gesetzliche Belehrung kämpfen, die judaisierende Lehrer fortwährend den Christen aufzwingen wollten. Der jetzige Zustand der Christenheit ist das Ergebnis einer Vermischung von Gnade mit Gesetzlichkeit, die schon damals das Werk des großen Apostels zu zerstören drohte.

Beim Anhören der Ausführungen des Petrus schwieg «die ganze Menge» und «hörte Barnabas und Paulus zu, welche erzählten, wieviele Zeichen und Wunder Gott unter den Nationen durch sie getan habe». Dann ergriff Jakobus, der Bruder des Herrn (Gal. 1,19), das Wort. Er ist der Schreiber des Jakobusbriefes und war eine der Säulen der Versammlung zu Jerusalem. Er sprach: «Brüder, höret mich! Simon hat erzählt, wie Gott zuerst die Nationen heimgesucht hat, um aus ihnen ein Volk zu nehmen für seinen Namen. Und hiermit stimmen die Worte des Propheten überein, wie geschrieben steht: Nach diesem will ich zurückkehren und wieder aufbauen die Hütte Davids, die verfallen ist, und ihre Trümmer will ich wieder bauen und sie wieder aufrichten; damit die übrigen der Menschen den Herrn suchen und alle Nationen, über welche mein Name aufgerufen ist, spricht der Herr, der dieses tut, was von jeher bekannt ist.»

Das Volk, das Gott – nach den Worten des Petrus – zuerst für Seinen Namen aus den Nationen herausnimmt, ist die Versammlung, das himmlische Volk; nachher, wenn die Kirche gesammelt und von der Erde weggenommen sein wird, wendet sich Gott wieder Seinem irdischen Volk zu. Wenn über dessen abtrünnige Masse die Gerichte gekommen sind und der Überrest gereinigt ist, wird Gott die Hütte Davids wieder aufbauen, um die tausendjährigen Segnungen zu erfüllen. Die Nationen, die dann auf der Erde sind, werden an den irdischen Segnungen teilhaben, wie auch heute die Gläubigen aus den Nationen an den himmlischen Segnungen teilnehmen. Der Anführung aus dem Propheten Amos fügt Jakobus das Wort hinzu: «Was von jeher bekannt ist.» Wir haben schon einmal die Tatsache festgestellt, dass bei den Anführungen aus dem Alten Testament, die wir im Neuen Testament finden, der Geist oft den Gedanken Gottes ergänzt, indem Er neue Elemente einführt, die helleres Licht auf den betreffenden Gegenstand werfen. Schon bei der Berufung des jüdischen Volkes in der Person Abrahams hat Gott die Segnung der Nationen angekündigt (1. Mose 12,3 und 22,18) und diese Verheißung auch gegenüber Isaak (26,4) und Jakob (28,14) wiederholt. Diese Wahrheit war also von jeher bekannt und wurde auch von der Mehrzahl der Propheten verkündigt.

Jakobus urteilte, «dass man diejenigen, welche sich von den Nationen zu Gott bekehren, nicht beunruhige, sondern ihnen schreibe, dass sie sich enthalten von den Verunreinigungen der Götzen und von der Hurerei und vom Erstickten und vom Blute.» Diese Vorschriften beziehen sich nicht nur auf das Judentum, sondern betreffen die Rechte Gottes über alle Menschen, vom Anfang ihrer Geschichte an. Die Christen brauchen, um sie zu erfüllen, nicht unter das Gesetz gestellt zu werden. Denn dadurch, dass sie, die Christo unterworfen sind, im Geiste wandeln, ist «das Recht des Gesetzes in ihnen erfüllt» (Römer 8,4). Dieses Recht ist in der Liebe, die die Summe des Gesetzes ist, zusammengefasst; denn wer in der Liebe wandelt, erfüllt das Gesetz. Als Teilhaber an Gottes Natur und durch die Gabe des Heiligen Geistes sind die Gläubigen fähig gemacht, zu lieben und in ihrem ganzen Wandel Christum nachzuahmen. Wahrlich, Er ist ein Vorbild, das alles übertrifft, was das Gesetz forderte!

Verse 22 bis 33

«Dann deuchte es den Aposteln und den Ältesten samt der ganzen Versammlung gut, Männer aus sich zu erwählen und sie mit Paulus und Barnabas nach Antiochien zu senden: Judas, genannt Barnabas und Silas, Männer, welche Führer unter den Brüdern waren» (Vers 22). Wie wir schon einmal festgestellt haben, wird hier die Autorität der Versammlung hervorgehoben. Wenn es sich darum handelte, eine schwierige Frage zu untersuchen, waren es kompetente Brüder, die es taten: die Apostel und die Ältesten. Aber einen Beschluss zu fassen, ist die Obliegenheit der Versammlung, denn nur sie besitzt die Vollmacht des Herrn dazu.

Die Botschaft an die Versammlungen der Nationen gründete sich auf die drei Erklärungen, die vor den versammelten Brüdern in Jerusalem abgegeben worden waren:

  1. Petrus hatte bezeugt, dass die Gläubigen aus den Nationen den Heiligen Geist bekommen hatten wie die Gläubigen aus den Juden. Gott machte keinen Unterschied zwischen ihnen, denn alle waren durch die gleiche Gnade errettet worden (Verse 8-11).
  2. Paulus und Barnabas hatten erzählt, welche Wunder Gott durch sie getan und wie Er somit ihren Dienst unter den Nationen bestätigt hatte (Vers 12).
  3. Jakobus hatte das Zeugnis der Schriften bezüglich der gegenwärtigen und der zukünftigen Segnung der Heiden angeführt (Verse 13-18).

Der Brief war nicht nur an die Brüder in Antiochien, sondern auch an die Brüder in Syrien und Cilicien gerichtet. Er gab ihnen allen zu verstehen, dass jene Männer, durch die sie beunruhigt worden waren, keine Weisung von den Aposteln in Jerusalem erhalten hatten. Das war ein wichtiger Punkt. Paulus und Barnabas wurden darin als Männer anerkannt, «die ihr Leben hingegeben haben für den Namen unseres Herrn Jesus Christus», indem sie den Nationen das Evangelium verkündeten. Auf diese Weise machte sich die Versammlung in Jerusalem eins, sowohl mit ihnen selbst als auch mit ihrem Werk unter den Nationen. Diesen Gläubigen aus den Nationen wurde keinerlei Last auferlegt, außer der mit der Vollmacht des Heiligen Geistes, der Apostel, der Ältesten und der ganzen Versammlung (Verse 22-28) bekleideten Empfehlung: sich zu enthalten von Götzenopfern und vom Blut, von Ersticktem und von Hurerei. Diese vier Stücke sind durch die Rechte Gottes über Seine Geschöpfe bedingt. Das große Zeugnis Israels vor den Nationen bezog sich auf die Einheit des allein wahren Gottes, im Gegensatz zu den Götzen. Dieses Zeugnis wurde durch das Christentum bestätigt und durch die Offenbarung Gottes in der Person Seines Sohnes erweitert. Das Verbot, Blut zu essen, erhielt schon Noah beim Wiederanfang in einer gereinigten Welt (1. Mose 9,4). Später wurde es Israel gegenüber erneuert (3. Mose 7,26-27; 17,10-14 und 5. Mose 12,16 und 23). Das Blut ist das Leben, das Gott gehört; der Mensch hat es durch die Sünde verwirkt und er besitzt kein Recht, es sich anzueignen. Er kann das Böse, das er getan hat, nicht wieder gut machen. Jemand hat gesagt: «Das Leben ist wieder zu Gott zurückgekehrt.»

Aber Gott bietet in Seiner Gnade dem Sünder das ewige Leben an, durch den Glauben an Seinen Sohn, der anstelle des Schuldigen gestorben ist. Der Herr sagt: «Es sei denn, dass ihr das Fleisch des Sohnes des Menschen esset und sein Blut trinket, so habt ihr kein Leben in euch selbst. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tage» (Joh. 6,53-54).

Das Verbot der Hurerei steht im Zusammenhang mit der Tatsache, dass Gott Mann und Weib geschaffen hat, um in einer unauflöslichen Ehe ein Fleisch zu sein (Matth. 19,4-6). Eine andere Verbindung widerspricht dem Willen des Schöpfers und ist Sünde.

Die von der Versammlung mit Paulus und Barnabas gesandten Brüder zählten zu denen, die Führer unter den Brüdern waren. Das zeigt, welche Wichtigkeit die Versammlung von Jerusalem der Botschaft an die Versammlungen aus den Nationen beimaß. Diese Brüder waren nicht nur Überbringer des Briefes; sie waren auch fähig, mündlich zu bestätigen, was in dem Briefe stand (Vers 27). Für die aus dem Heidentum kommenden Christen musste es kostbar sein, von den Brüdern in Jerusalem als «Brüder» angeredet zu werden und eine Familie Gottes mit ihnen zu bilden, solche zu sein, die der Herr selbst Brüder nennt.

Judas und Silas übten ihren Dienst in der Versammlung von Antiochien mit aller Freimütigkeit aus. Sie verwirklichten die Wahrheit, dass die Gaben für die ganze Versammlung an allen Orten gegeben sind, und brachten ihren Brüdern kostbare Ermunterungen von Seiten des Herrn, indem sie in ihrer Mitte ihre Gaben ausübten. «Mit vieler Rede» ermahnten sie die Geschwister, die durch eine falsche Belehrung beunruhigt worden waren, die man unter das Gesetz zu stellen versucht hatte und denen die Heilssicherheit geraubt worden war. Der Dienst dieser beiden Brüder war also dringend nötig.

Das Leben aus Gott wird durch Gnade, durch den Glauben gegeben und offenbart sich im Gehorsam gegen das Wort; unsere Werke können der Vollkommenheit des Erlösungswerkes nichts hinzufügen. Die Überbringer jener judaisierenden Lehren hatten die Brüder verstört und beunruhigt (Vers 24). Das ist immer das Ergebnis einer falschen Belehrung. Paulus braucht in 2. Thessalonicher 2,2 ähnliche Ausdrücke. Der schriftgemäße Dienst hingegen erbaut, tröstet und erfreut. In diesem 15. Kapitel kann man also die Ergebnisse beider Arten von Belehrungen wahrnehmen.

Nachdem Judas und Silas einige Zeit in Antiochien verweilt hatten, wurden sie von den Brüdern nach Jerusalem entlassen. Aus dem weiteren Bericht kann man aber ersehen, dass Silas in Antiochien blieb. Auch Paulus und Barnabas hielten sich in Antiochien auf; sie «lehrten und verkündigten mit noch vielen andern das Wort des Herrn», das die Rechte des Herrn und Seine Autorität hervorhob. Das Wort, das sie verkündigten, entsprach den Offenbarungen, die sie, ganz besonders Paulus, vom Herrn empfangen hatten. Diese Offenbarungen waren damals noch nicht niedergeschrieben; wir aber besitzen sie heute in den Schriften des Neuen Testamentes.

Kapitel 15, Verse 35 bis 41

Einige Tage später schlug Paulus dem Barnabas vor, zurückzukehren und in jeder Stadt, in welcher sie auf ihrer ersten Reise das Wort des Herrn verkündigt hatten, die Brüder zu besuchen. «Barnabas aber war gesonnen, auch Johannes, genannt Markus, mitzunehmen.» Paulus jedoch hielt Markus nicht dafür geeignet, ein Werk zu tun, das vom Diener einen völligen Verzicht auf alles, was von der Natur kommt, erfordert. Er kam zu diesem Schluss, weil Markus sie am Anfang des Werkes schon verlassen hatte, offenbar weil er das Werk in Jerusalem, wo die Apostel waren, für leichter hielt. Die Uneinigkeit zwischen Paulus und Barnabas verursachte eine Erbitterung zwischen ihnen, und sie trennten sich. Barnabas segelte nach Cypern, seiner Heimat, und nahm Markus mit, der sein Neffe war. Im Werk des Herrn dürfen nur Seine Gedanken wegleitend sein. Das erfordert vom Diener eine völlige Abhängigkeit von Ihm, unter Hintenansetzung des Einflusses, den die Heimat oder die Verwandtschaft auf ihn haben kann. Paulus ging «nicht mit Fleisch und Blut zu Rate», wenn es sich um das Werk handelte. Wie freut es uns, zu sehen, dass Markus später wieder zu Paulus zurückkehrte und ihm nützlich war! (Kol. 4,10; Philemon 24; 2. Tim. 4,11). Es scheint, dass die Weigerung des Paulus, ihn mitzunehmen, in ihm ein Werk der Läuterung auslöste, das ihm persönlich nützlicher war, als der Dienst mit dem Apostel ohne diese innere Zubereitung. Barnabas wird im Hinblick auf seinen späteren Dienst nicht mehr erwähnt, außer in 1. Korinther 9,6, wo Paulus ihn als Diener des Herrn anerkennt.

«Paulus aber erwählte sich Silas», und sie zogen aus, «von den Brüdern der Gnade Gottes befohlen». – Es wird nicht gesagt, dass die Brüder auch Barnabas und Markus dem Herrn befahlen! – Das Werk unter den Nationen interessierte Silas. Sein Name lässt vermuten, dass er nicht jüdischer Abstammung war, und er war vom Herrn geleitet, Paulus zu begleiten. Sie durchzogen Syrien und Cilicien und befestigten die Versammlungen.

So begann die zweite Reise des Apostels Paulus. An diesen Orten, wo er zuvor das Evangelium verkündigt hatte, entfaltete sich jetzt seine Tätigkeit hauptsächlich in den Versammlungen; er arbeitete an ihrer Auferbauung und an ihrer geistlichen Entwicklung. Er bemühte sich «jeden Menschen vollkommen in Christo» darzustellen; das war das Ziel, das er verfolgte (Kol. 1,28).

Ein Evangelist darf die Seelen, die dem Herrn zugeführt worden sind, nicht ohne Führung und ohne Nahrung lassen; sie sollen nicht wie Schafe sein, die keinen Hirten haben. Gestützt auf Gottes Wort sollte er wissen, was die «Versammlung Gottes» ist und diesen Seelen klar machen, dass jeder Gläubige zu ihr gehört, und er sollte sie ihr zuführen. Dort können sie nach Gottes Gedanken das finden, was notwendig ist, um im Glauben befestigt und wahre Zeugen des Herrn zu werden.

Kapitel 16, Verse 1 – 3

In Lystra fand Paulus den Timotheus, den Sohn einer jüdischen Mutter und eines griechischen Vaters. Dieser hatte ein gutes Zeugnis «von den Brüdern in Lystra und Ikonium. Paulus wollte, dass dieser mit ihm ausgehe, und er nahm und beschnitt ihn.» Es könnte so scheinen, als ob diese Handlungsweise im Widerspruch zum Brief gestanden hätte, den die Versammlung von Jerusalem an die Jünger aus den Nationen gesandt hatte. Aber Paulus tat es nicht, um das jüdische Gesetz zu beobachten, sondern um bei den Juden, die dem Evangelium feindlich gesinnt waren, jede Veranlassung, sich der ungehinderten Erfüllung seines Dienstes entgegenzustellen, aus dem Wege zu räumen. Der Einwand, er nehme den Sohn eines Griechen zu seinem Genossen, sollte entkräftet werden. Ein Kind aus einer Mischehe wurde in Israel nicht als zum Volke gehörend betrachtet, sondern musste mit seiner Mutter entlassen werden. Schon deswegen konnte die Beschneidung des Timotheus nicht die Erfüllung des Gesetzes zum Ziel haben.

Bei Titus hingegen vollzog Paulus die Beschneidung nicht, weil es in diesem zweiten Fall seinem Dienst geschadet hätte (Gal. 2,3).

Der Name Timotheus bedeutet: «der Gott ehrt». Dieser Zug kennzeichnet ihn. Der Apostel sagte später von ihm: «Er arbeitet am Werke des Herrn, wie auch ich» (1. Kor. 16,10) und auch: «Ich habe niemand gleichgesinnt, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird» (Phil. 2,20). Deshalb wollte Paulus den Philippern diesen Mitarbeiter senden; der einzige, der im Neuen Testament «Mensch Gottes» genannt wird (1. Tim. 6,11).

Verse 4 bis 5

Paulus und Silas teilten den Versammlungen «zur Beobachtung die Beschlüsse mit, welche von den Aposteln und Ältesten in Jerusalem festgesetzt waren.» Es war notwendig, sie zu «beobachten» und zu bewahren. Das war den judaisierenden Lehrern eine ständige Mahnung, dass ihre Unterweisung mit der  Lehre der Apostel und der Versammlung in Jerusalem im Widerspruch stand. Die Galater haben sich wohl kaum an der Beobachtung dieser Beschlüsse genügen lassen.

«Die Versammlungen nun wurden im Glauben befestigt und vermehrten sich täglich an Zahl» (Vers 5). Mit dem Ausdruck «Glauben» werden hier die Wahrheiten bezeichnet, die der Glaube erfasst, die Unterweisungen des Apostels, die Satan ihnen zu rauben versuchte. Durch den Beschluss von Jerusalem hatte ihr Glaube eine starke Stütze und eine große Ermunterung empfangen. Es ist immer wieder nötig, im Glauben befestigt zu werden. Judas ermahnt uns, «für den einmal den Gläubigen überlieferten Glauben zu kämpfen… euch selbst erbauend auf euren allerheiligsten Glauben» (Verse 3 und 20, siehe auch 1. Kor. 16,13 und Kol. 2,7).

Heute, inmitten eines Zustandes der Dinge, der aus dem Verlassen des Glaubens von Seiten der Christenheit hervorgegangen ist, haben wir mehr denn je nötig, im Glauben befestigt zu werden; wir müssen mit der wieder ans Licht gebrachten Wahrheit fest verbunden sein, um sie zu bewahren und in allen Dingen von ihr geleitet zu werden. Eine gewisse oberflächliche Kenntnis von ihr genügt nicht; der Glaube soll diese Wahrheiten ergreifen, um nach ihnen zu wandeln. Der Glaube erfasst das Wort, um es in die Tat umzusetzen, auf dass unser Werk wirklich ein Werk des Glaubens sei. Die Versammlungen vermehrten sich täglich an Zahl, und dieses Wachstum stand im Zusammenhang mit ihrer Befestigung. Wenn eine Versammlung in einem guten Zustand ist, kann Gott Sein Wort an den Unbekehrten segnen; wird eine Seele zum Herrn geführt, wird sie auch zu der Versammlung hinzugetan.

Verse 6 bis 12

Diese Verse enthalten wichtige Belehrungen über die Art und Weise, wie der Herr Seine Diener führt. Er gibt ihnen auf verschiedene Art Wegleitung. Um sie zu erkennen und zu befolgen, bedürfen sie eines Seelenzustandes der die Erkenntnis Seiner Gedanken fördert. Die Seele muss von Gott genährt und der eigene Wille unterworfen sein; sie muss in Seiner Abhängigkeit leben und alle ihre Beweggründe in Seiner Gegenwart prüfen.

«Sie durchzogen aber Phrygien und die galatische Landschaft», eine Gegend, die der Apostel bei seiner ersten Reise nicht erreicht hatte. Es wird nichts gesagt von dem Werk, das er dort tat, obwohl als Ergebnis dieser Reise auch dort Versammlungen gebildet wurden. Ein Bericht darüber wäre wohl interessant gewesen, aber nicht notwendig zu unserer Belehrung. Der Brief an die Galater dagegen, den ihnen Paulus später schrieb, war für uns unentbehrlich. Von dort aus wollten Paulus und seine Begleiter nach Asien reisen; der Heilige Geist erlaubte es ihnen aber nicht.

Der Heilige Geist, diese göttliche Person, leitete die Diener des Herrn in der Weise, dass Er durch diese menschlichen Werkzeuge Gottes Werk tun konnte, wo und wann es Ihm gefiel. Wir wissen nicht, welches Mittel Er benutzte, um Paulus zu hindern, «das Wort in Asien zu reden»; das Wichtige daran ist auch hier, dass Paulus sich wirklich von Ihm leiten ließ. Sie kamen nach Mysien, im Norden der Provinz Asien, und versuchten von dort nach Bithynien, im Osten von Mysien, zu reisen, aber «der Geist Jesu erlaubte es ihnen nicht». Der «Geist Jesu» ist der Geist, der den vollkommenen Diener, in der Erfüllung Seines ganzen Werkes und in der vollkommenen Unterwürfigkeit und Abhängigkeit von dem Willen Seines Gottes und Vaters, gekennzeichnet hatte. Um zum Beispiel der Familie in Bethanien zu Hilfe zu kommen, hatte Ihm die Kenntnis ihrer Trübsal nicht genügt; ehe Er hinging, musste Er den Willen Seines Vaters kennen. Es war der Heilige Geist, die im Werke des Herrn tätige, göttliche Person, die den Apostel hinderte, das Wort in Asien zu verkündigen; es war «der Geist Jesu», der Geist der Unterwürfigkeit und der Abhängigkeit, der Geist ihres vollkommenen Vorbildes, der Jesu Diener kennzeichnete. Es ist das erste und einzige Mal, dass wir diesem Ausdruck in den Schriften begegnen. Von Mysien gingen der Apostel und seine Begleiter «nach Troas hinab», denn sie durften weder nach Asien, noch nach Bithynien reisen; aber auch in Troas sollten sie nicht arbeiten. Hier griff der Herr auf eine andere Weise ein, denn Er leitet Seine Diener nicht nur nach einer einzigen Regel. Um Seinen Willen zu erkennen, ist daher eine umso größere Abhängigkeit nötig.

Er kann sie durch Sein Wort leiten oder durch einen Umstand, der als Zufall erscheinen mag. Sie sollen aber bedenken, dass in Seinen Wegen nichts dem Zufall überlassen wird; sie müssen in allen Dingen des Herrn Sinn erforschen und mit dem Psalmisten sagen: «Weise mir, HERR, deinen Weg, damit ich wandle in deiner Wahrheit; richte mein Herz auf das eine, dass ich deinen Namen fürchte!» (Ps. 86,11).

Hier wird Paulus durch ein Gesicht geleitet: Er sieht einen mazedonischen Mann, der ihn bittet: «Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!» Dieses Gesicht war noch kein bestimmter Befehl des Herrn, aber Paulus wurde dadurch innerlich geübt. Alsbald suchte er nach Mazedonien abzureisen, in der Überzeugung, der Herr habe sie gerufen, jenes Land zu evangelisieren.

Die Tatsache, dass der Herr Seinen Diener mit allen Mitteln hinderte, das Werk in den Gegenden des heutigen Kleinasien fortzuführen – es wurde später fortgesetzt – lässt die Absicht des Herrn erkennen, dass Paulus das Evangelium zuerst nach Europa bringen sollte. Deshalb bedurfte es auch Seines ganz besonderen Eingreifens, um ihn zu leiten.

Vom 10. Vers an berichtet Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, nicht mehr in der dritten Person. Man kann annehmen, dass er sich in Troas dem Apostel angeschlossen hat, dessen treuer Mitarbeiter er wurde. Er wird erwähnt in Kolosser 4,14; Philemon 24; 2. Timotheus 4,11.

Paulus und seine Begleiter verließen Troas und begaben sich über das Meer «nach Samothrace, und des folgenden Tages nach Neapolis, und von da nach Philippi», einer römischen Kolonie, wo sie einige Tage verweilten.

Kapitel 16, Verse 13 bis 15

In der Abhängigkeit des Herrn begann das Werk in Philippi in aller Stille. Der Apostel nahm nicht zu auffälligen, menschlichen Hilfsmitteln Zuflucht, sondern ließ sich in allem durch Gottes Wort leiten. Auch hier verkündete er das Evangelium zuerst den Juden, dann den Griechen. In dieser Stadt gab es, wie es scheint, keine Synagoge; die gottesfürchtigen Juden hatten ihren Betort an einem Fluss. Paulus und seine Begleiter begaben sich daher dorthin, setzten sich nieder «und redeten zu den Weibern», die da versammelt waren. Der Herr tat der Lydia das Herz auf, «dass sie achtgab auf das, was von Paulus geredet wurde.» Sie war eine Proselytin, die Gott diente; schon in den vorhergehenden Kapiteln sind wir solchen begegnet. Als der Herr Sein Werk in ihr getan hatte, wurde sie unverzüglich getauft. Sie hatte durch den Glauben Christum angezogen und konnte nun Sein Wesen offenbaren und ein Licht sein in der Welt. Sogleich zeigte sich in ihrem Verhalten gegenüber den Dienern des Herrn die göttliche Liebe, die sie nun besaß. Sie hatte den Wunsch, die Brüder in ihrem Haus aufzunehmen, war sich aber bewusst, dass diese keine Genossenschaft haben könnten mit der Untreue, und fügte ihrer Einladung daher die Worte bei: «Wenn ihr urteilet, dass ich dem Herrn treu sei.» Die Einladung wurde angenommen; nicht die Brüder hatten sie darum gebeten, sondern «sie nötigte uns,» lesen wir. Man braucht also nicht eine lange christliche Erfahrung zu besitzen um zu wissen, was sich vor dem Herrn geziemt. Unter der ungehinderten Wirkung des Geistes Gottes erfasst der Gläubige, der in der ersten Frische des göttlichen Lebens steht, sehr bald, was Gottes Gedanken sind.

Verse 16 bis 19

Das Werk des Herrn begegnet immer dem Widerstand Satans. Anfänglich geht er in feiner, listiger Art vor; später aber, wenn er entlarvt ist, wendet er Gewalt an. Hier bediente er sich zuerst einer Magd, die einen Pythongeist (Wahrsagergeist) hatte und ihren Herren durch Wahrsagerei vielen Gewinn brachte. Sie folgte Paulus und seinen Begleitern nach und schrie: «Diese Menschen sind Knechte Gottes, des Höchsten, die euch den Weg des Heils verkündigen.» Das war aber nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Gott, der Höchste, «der Himmel und Erde besitzt» (1. Mose 14,22), hatte Sich in Seinem Sohne geoffenbart, und dieser Herr und Erretter, der Satan besiegt hat, war es, den Paulus verkündigte. Der Apostel ertrug es «viele Tage», dass die Magd hinter ihnen herlief und immer wieder dieselben Worte schrie. Er wartete auf Gottes Zeitpunkt, um diesem Werk des Teufels Einhalt zu gebieten. Schließlich befahl er dem Geiste «in dem Namen Jesu Christi» von dieser Frau auszufahren. Der Feind wollte dem Werke Gottes schaden, gab sich aber anfänglich den Anschein, als ob er ihm gewogen wäre. Satan kann jedoch nicht gegen sich selbst entzweit sein. Es bedurfte des Unterscheidungsvermögens eines Paulus, der sich in der Nähe des Herrn aufhielt, um in dieser Sache die Hand des Feindes zu erkennen und seinem Tun entgegenzutreten. Er unterhandelte nicht mit der Frau, sondern wandte sich direkt an den Geist, und zwar nicht in dem Namen Gottes, des Höchsten, sondern im Namen Jesu Christi, des Herrn, der Satan am Kreuze besiegt hat. In Seinem Werke darf man in keiner Weise die Unterstützung von Seiten der Kinder der Welt annehmen. Auch Serubbabel lehnte dies ab (Esra 4,1-4), was den offenen Widerstand gegen den jüdischen Überrest entfesselte. Das gleiche geschah jetzt auch in Philippi. Als die Herren der Magd «sahen, dass die Hoffnung auf ihren Gewinn dahin war», lösten sie eine Verfolgung aus, die aber der Ausführung des Werkes ganz gewiss förderlicher war, als irgendeine Hilfe Satans. Paulus und Silas sollten gefangen gesetzt werden, damit der Kerkermeister und seine Familie mit dem Evangelium in Berührung kommen konnten.

Verse 20 bis 34

Satan, der in seiner heuchlerischen List durch den Apostel entlarvt worden war, bediente sich nun der Herren dieser Magd. Als sich diese ihres Verdienstes beraubt sahen, setzten sie eine heftige Verfolgung gegen die Apostel in Szene. «Sie griffen Paulus und Silas und schleppten sie auf den Markt zu den Vorstehern.» Sie klagten die beiden nicht an, einen Dämon ausgetrieben zu haben – denn das wäre den Archonten gleichgültig gewesen – sondern bezichtigten sie vielmehr, durch die Verkündigung von Gebräuchen, die für römische Untertanen ungeziemend seien, Verwirrung angestiftet zu haben. Die Volksmenge, ebensoleicht beeinflussbar wie die in Lystra, erhob sich gegen Paulus und Silas. Ohne Untersuchung und ohne gesetzlichen Richterspruch ließen ihnen die Hauptleute auf den entblößten Rücken «viele Schläge» geben. Dann befahlen sie dem Kerkermeister, die beiden sicher zu verwahren. «Dieser warf sie, als er solchen Befehl empfangen hatte, in das innerste Gefängnis und befestigte ihre Füße in dem Stock.» Hier endete das Werk der von Satan angeführten Menschen und es war ihnen nicht erlaubt, mehr zu tun. Der Herr selbst trat nun für Seine Diener ein.

Im Fall der Magd mit dem Wahrsagergeist war Satan durch die Kraft des Heiligen Geistes entlarvt und vertrieben worden; jetzt erlaubte ihm der Herr, seine Macht zu entfalten, damit öffentlich kundgetan werde, dass diese gegenüber der Macht Gottes nichts auszurichten vermag. Der Feind kann den Geist Gottes nicht hindern, Sein Werk der Erlösung von Sündern und der Befreiung aus seiner Macht zu vollbringen. Die Diener des Herrn standen über allem. Mochten sie wund geschlagen und ihre Füße in dem Stock befestigt werden – ihr Friede und ihre Freude waren nicht gebunden und nichts vermochte sie von der Liebe Christi zu trennen. Die beiden verwirklichten jetzt, was Paulus später an die Philipper schrieb: «Freuet euch in dem Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen: Freuet euch…» (Phil. 4,4-7). Sie hatten denen, die sie zu Unrecht gezüchtigt hatten, keinen Widerstand geleistet und nichts in ihrem Seelenzustand hinderte sie, sich im Herzen zu freuen. Prüfungen machen nur dann unglücklich, wenn der Eigenwille tätig ist. Wer sich in den Leiden dem Herrn unterwirft, kann verwirklichen, dass der Herr über allem steht, und das ist für den Leidenden eine kostbare Quelle des Friedens und der Freude.

Satan und die Menschen hatten ihr Werk vollbracht. Paulus und Silas, glücklich in ihrer Ergebenheit, beteten und sangen zur Ehre des Herrn: eine mächtige Predigt für die zuhörenden Mitgefangenen. Nun zeigte der Herr, wer Macht und Gerechtigkeit besitzt, um Sein Gnadenwerk an den Menschen zu vollbringen: «Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so dass die Grundfesten des Gefängnisses erschüttert wurden; und alsbald öffneten sich alle Türen und aller Bande wurden gelöst.» Was vermag die Macht Satans und der Menschen angesichts solcher Tatsachen? Die Grundfesten eines starken Gefängnisses wurden erschüttert, sorgfältig geschlossene Türen öffneten sich, starke Bande wurden aufgelöst und, was noch wunderbarer ist, in einer solchen Umgebung entfaltete die Gnade ihre ganze Macht! Dieselbe Macht Gottes hatte sich auch bei der Auferstehung des Herrn siegreich geoffenbart, damit Sünder errettet und dem Machtbereich Satans entrissen werden konnten.

In der Meinung, die Gefangenen hätten die offenen Türen zur Flucht benützt, wollte sich der Kerkermeister umbringen. «Paulus aber rief mit lauter Stimme und sprach: Tue dir nichts Übles, denn wir sind alle hier.» Gottes Macht greift nicht ein, um Unordnung anzurichten. Der Kerkermeister fiel zitternd vor den Gefangenen nieder, deren Füße er vorhin in dem Stock befestigt hatte und nahm eine völlig andere Haltung ein wie zuvor. Innerhalb weniger Augenblicke hatte der Geist Gottes auf das Gewissen dieses Menschen eingewirkt, ihn von der Sünde überführt und ihm klar gemacht, an wen er sich zu wenden hatte, um errettet zu werden. Er befand sich nun in der Rolle des Verurteilten, Paulus und Silas aber in der von Befreiern. Der Kerkermeister führte sie heraus und sprach zu ihnen: «Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich errettet werde? Sie aber sprachen: Glaube an den Herrn Jesus und du wirst errettet werden, du und dein Haus. Und sie redeten das Wort des Herrn zu ihm, samt allen, die in seinem Hause waren.» Das Heil kommt aus dem Glauben an eine Person außerhalb von uns, und diese Person ist der Herr Jesus Christus. Nicht dadurch, dass ein Mensch den Beweis seiner Errettung in sich selbst sucht, wird er seines Heiles gewiss. Der Glaube ist das Mittel, um Christum als Heiland zu ergreifen, aber wer zu Ihm kommt, stütze sich nicht auf den Glauben, sondern einzig und allein auf den Herrn, um errettet zu werden.

Paulus spricht eine wunderbare Tatsache aus, wenn er sagt: «Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden, du und dein Haus.» Durch den Glauben des Vaters oder der Mutter wird die ganze Familie «geheiligt» (1. Kor 14,7), d. h. durch die Gnade Gottes in einen Segenskreis hineingestellt und von der Welt abgesondert. Gott anerkennt die irdische Beziehung des Gläubigen zu seiner Familie und beschäftigt sich in besonderer Weise mit jedem einzelnen ihrer Glieder. Er hört auf die Fürbitte des Gläubigen und segnet sein Zeugnis unter den Angehörigen. Dadurch sind sie aber noch nicht errettet. Die Bekehrung und Wiedergeburt jedes einzelnen ist erforderlich, um der ewigen Segnungen und Vorrechte der Versammlung teilhaftig zu werden. Wie groß ist die Verantwortung der Eltern, nichts auf den Weg der Kinder zu legen, was sie von diesem Ziel ablenken könnte. Wenn Gott zum Vater sagt: «Du wirst errettet werden, du und dein Haus», so darf er es im Glauben festhalten und sein ganzes Verhalten soll darauf ausgerichtet sein.

«In jener Stunde der Nacht» nahm der Kerkermeister Paulus und Silas «zu sich und wusch ihnen die Striemen ab; und er wurde getauft, er und alle die Seinigen alsbald. Und er führte sie hinauf in sein Haus, setzte ihnen einen Tisch vor und frohlockte, an Gott gläubig geworden, mit seinem ganzen Hause.» Nachdem er und die Seinigen das Evangelium gehört und Gott geglaubt hatten, frohlockte er jetzt mit seinem ganzen Hause. Sogleich trat bei ihm, wie bei der Lydia, die Bruderliebe in Tätigkeit: «Er wusch ihnen die Striemen ab» und «setzte ihnen einen Tisch vor.»

Verse 35 bis 40

Es blieb noch etwas zu tun, um den Triumph der Macht des Herrn zu vollenden. Die Hauptleute hatten dem römischen Recht und der Gerechtigkeit entgegen gehandelt; denn ein Römer durfte nicht ohne vorherige Untersuchung verurteilt und gestraft werden. Und nun wollten sie Paulus und Silas ohne weitere Formalität entlassen. «So gehet denn jetzt hinaus und ziehet hin in Frieden», ließen sie ihnen sagen. Aber Paulus wollte, dass sie ihre Ungerechtigkeit öffentlich eingestanden, und er tat ihnen kund, dass er und Silas Römer seien. Am Tag zuvor, als ihnen die Bekanntgabe dieser Tatsache Schläge erspart hätte, hatten sie nichts davon gesagt, sondern sich allem unterworfen. Jetzt aber war es in Übereinstimmung mit Gottes Gedanken, dass die Ungerechtigkeit der Amtspersonen ans Licht gebracht wurde. Die Archonten kamen denn auch herbei, redeten ihnen zu und baten sie, ihren Wünschen nachzukommen. Ihre Ehre war nun wiederhergestellt, aber ehe sie die Stadt verließen, begaben sie sich zu ihrer Gastgeberin Lydia, «und als sie die Brüder gesehen hatten, ermahnten sie sie und gingen weg.»

Die teure Versammlung von Philippi war gegründet; Paulus konnte jetzt weitergehen und die Botschaft des Heils in anderen Gegenden den Menschen bringen, die unter der Sklaverei Satans waren.

Kapitel 17, Verse 1 bis 4

Paulus reiste durch Amphipolis und Apollonia weiter, ließ sich dort aber nicht aufhalten und gelangte nach Thessalonich, wo eine Synagoge der Juden war. In Übereinstimmung mit den Gedanken des Herrn wandte er sich auch hier zuerst an die Juden und dann an die Griechen. «Nach seiner Gewohnheit aber», wird gesagt, «ging Paulus zu ihnen hinein und unterredete sich an drei Sabbathen mit ihnen aus den Schriften, indem er eröffnete und darlegte, daß der Christus leiden und aus den Toten auferstehen musste, und dass dieser, der Jesus, den ich euch verkündige, der Christus ist. «

Der Geist Gottes stellt die Schriften in den Vordergrund. Sie enthalten die Gesamtheit der göttlichen Offenbarungen und bilden zusammen ein Buch, das göttliche Autorität besitzt: das geschriebene Wort Gottes. Welch ein Vorrecht, dass wir es in dieser Welt besitzen dürfen! Die «Schriften» sind nicht eine Auswahl inspirierter Schriften, die wir in der Bibel zu suchen haben; ihre verschiedenen Teile stellen, ohne irgendwelche Ausnahme, die Schriften dar.

Die Juden wussten, dass ihnen die Schriften (des Alten Testamentes) Christum und die Segnungen verkündigten, die Seine Herrschaft ihnen bringen sollte. Aber sie erwarteten, wie einst die Jünger des Herrn, in Seiner Person und in Seinem Werke nur die Erfüllung der Verheißungen, die die irdische Herrlichkeit ihres Volkes betrafen. Der Christus war gekommen, so, wie es die Schriften angekündigt hatten; aber die Juden ließen Ihn kreuzigen, und gerade Sein Tod und Seine Auferstehung legten den Grund, auf welchem nicht nur Gottes Verheißungen an Sein irdisches Volk, sondern auch Seine Ratschlüsse im Hinblick auf die Kirche erfüllt werden können. Der Apostel erklärte ihnen daher, dass dieser in Bethlehem geborene Jesus, den er ihnen verkündete, der von den Menschen getötet, aber von Gott auferweckt wurde, der Christus sei, von dem die Schriften redeten.

In unseren Tagen predigen viele Christum als vollkommenen Menschen und sie stellen Ihn allen als Vorbild zur Nachahmung hin. Dabei verschweigen sie aber, dass Sein Tod erforderlich war, um uns zu erretten und fähig zu machen, Seine Nachahmer zu sein. Das ist aber nicht der Christus der Schriften, die Ihn doch als gestorben, auferweckt und verherrlicht darstellen.

Die Worte des Apostels fanden bei den Nationen mehr Eingang als bei den Juden. Nur einige der Juden wurden überzeugt, während von den anbetenden Griechen und von den vornehmsten Frauen sich «nicht wenige» dem Paulus anschlossen.

Verse 5 bis 9

In Philippi benutzte der Teufel die Heiden, um Paulus zu widerstehen; hier aber stellten sich ihm die Juden zur Verfügung, die, wie immer, voller Hass gegen das Evangelium waren. Sie selbst wollten von der Gnade nichts wissen, konnten aber nicht ertragen, zusehen zu müssen, wie die Heiden das Evangelium annahmen. Sie begriffen, daß die Heiden dadurch in den Besitz von Vorrechten gelangten, die sie selbst nicht besaßen, und sie wollten es nicht wahr haben, dass die Heiden bezüglich des Heiles auf dem gleichen Boden stehen sollten wie sie. In seinem Brief an die Thessalonicher sagt Paulus: «die Gott nicht gefallen und allen Menschen entgegen sind, indem sie uns wehren, zu den Nationen zu reden, auf dass sie errettet werden, damit sie ihre Sünden allezeit voll machen» (1. Thess. 2, 15-16).

Hier brachten sie die Stadt in Aufruhr durch etliche Männer vom Gassenpöbel und belagerten das Haus des Jason, da sie Paulus und Silas dort zu finden meinten. Der Herr ließ es zu, dass Paulus abwesend war; aber die Menschen schleppten Jason und einige Brüder vor die Obersten der Stadt und klagten ihn an, Männer beherbergt zu haben, die den Erdkreis aufwiegeln.

In einem gewissen Sinne traf dies zu. Gottes Gedanken sind denen der Menschen immer entgegengesetzt. Licht in die Finsternis und Wahrheit an den Platz der Lüge Satans zu bringen, kann nur Aufruhr verursachen. Wir finden im Wort hiefür verschiedene Beispiele: Ahab sagte einst zu Elia: «Bist du da, der Israel in Trübsal bringt?» – Der Herr belehrte die Jünger: «Denket ihr, dass ich gekommen sei, Frieden auf der Erde zu geben? Nein, sage ich euch, sondern vielmehr Entzweiung» (Luk. 12, 51-53).

Als Herodes erfuhr, dass der König der Juden geboren sei, «wurde er bestürzt und ganz Jerusalem mit ihm.» So reagiert die Welt auf das Licht Gottes, das zu ihr gekommen und in ihrer Mitte ausgestrahlt worden ist. Dieser Zustand wird sie immer kennzeichnen, bis zu jener Zeit, wo der Herr Sein Reich in Macht aufrichten, Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße legen und die Nationen mit eisernem Zepter regieren wird.

Paulus und Silas, die wahrscheinlich von diesem Königtum Jesu geredet hatten, wurden beschuldigt, im Gegensatz zum Kaiser einen anderen König verkündet zu haben. Gott ließ jedoch nicht zu, dass sich dieser Aufruhr ausbreiten konnte. Nachdem sie von den übrigen Bürgschaft genommen hatten, wurde Jason entlassen. Wir haben keinen Anhaltspunkt, ob dieser mit dem Jason in Römer 16,21, einem Verwandten des Paulus, identisch ist.

Aus der ersten Epistel, die Paulus von Athen aus an diese Christen schrieb (1. Thess. 3, 1-3), sehen wir, wie manche Wahrheit er sie während seines kurzen Aufenthaltes bei ihnen gelehrt hatte, und welch wunderbare Ergebnisse diese Wahrheiten in ihrem Wandel zeitigten. Er hatte diesen Menschen, die bis dahin Götzendiener waren, Gott vor Augen geführt, worauf sie sich von ganzem Herzen dem «lebendigen und wahren Gott» zuwandten. Er hatte ihnen «Gottes Wort», das «Evangelium Gottes» verkündigt und lehrte sie, wie sie Gott wohlgefällig sein konnten. Ihr Wandel war durch Werke des Glaubens, Bemühungen der Liebe und durch das Ausharren der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus gekennzeichnet.

Verse 10 bis 15

In Asien war Paulus auf verschiedene Weise dazu geführt worden, jene Gegenden zu verlassen und nach Mazedonien zu reisen. In Philippi hatte ihn die Verfolgung vertrieben. Hier jedoch benutzte der Herr die Brüder, um Seinen Diener nach Beröa zu senden; und Paulus unterwarf sich dieser Leitung.

Als sie in Beröa ankamen, gingen sie sogleich in die Synagoge der Juden. Paulus handelte hierin immer nach Gottes Gedanken, selbst auf die Gefahr hin, in die Hände seiner schlimmsten Feinde zu fallen und in seinem Werke aufgehalten zu werden. Wie die Umstände auch sein mögen – der Christ soll immer nach Gottes Gedanken handeln.

In Beröa waren die Juden edler als die in Thessalonich, und diese gute Gesinnung führte sie dazu, das Wort mit aller Bereitwilligkeit aufzunehmen. Statt in vorgefasster Meinung die Lehre des Paulus zu verwerfen, untersuchten sie täglich die Schriften «ob dies sich also verhielte». Wie alle orthodoxen Juden hatten auch sie in den Schriften nur auf das geachtet, was den Messias in Seiner Herrlichkeit betraf; aber ihre gute Gesinnung machte sie bereitwillig, zu untersuchen, ob auch diese für sie neuen Dinge wirklich in den Schriften zu finden waren. «Viele nun von ihnen glaubten», während in Thessalonich nur «etliche von ihnen» überzeugt worden waren. Auch von den griechischen vornehmen Weibern und Männern glaubten nicht wenige. Wahrscheinlich hatten sich diese griechischen Proselyten dem Gott der Juden zugewandt, weil die Bedürfnisse ihrer Seelen in den heidnischen Gebräuchen nicht gestillt werden konnten. Diese tatsächlich vorhandenen Bedürfnisse machten sie geneigt, das Wort Gottes, das Paulus verkündigte, zu hören und anzunehmen; denn es brachte ihnen, besser noch als das Judentum, das, was sie wirklich brauchten.

Die Juden griffen aufs neue in das Geschehen ein. Als sie erfuhren, daß auch in Beröa das Wort Gottes durch Paulus verkündigt wurde, kamen sie von Thessalonich auch dorthin und erregten die Volksmenge. Und wieder waren es die Brüder, die Paulus fortsandten, und einige von ihnen begleiteten ihn bis nach Athen, 600 km südöstlich von Beröa. Er unterwarf sich den Weisungen des Herrn, durch wen sie ihm auch gegeben wurden. Die ganze Tätigkeit des Apostels zeichnete sich durch Weisheit und Vorsicht aus, verbunden mit einer unbeugsamen Unerschrockenheit, da wo sie am Platze war. Er forderte den Feind nicht unnötigerweise heraus.

Während die Brüder Paulus nach Athen brachten, blieben Silas und Timotheus noch in Beröa, wo sie eine Zeitlang zu arbeiten gedachten. Dann aber kam für sie der Befehl von Paulus, daß sie ihn sobald wie möglich einholen sollten. Silas und Timotheus standen unter dem Befehl von Paulus und waren in Bezug auf ihren Dienst von ihm abhängig. Vielleicht hätten sie es vorgezogen, in Beröa zu bleiben, um die Brüder zu befestigen. Nach ihrer Ankunft in Athen, schrieb Paulus seinen ersten Brief an die Thessalonicher; der zweite wurde von Korinth aus geschrieben.

Während der Apostel Silas und Timotheus in Athen erwartete, wurde er innerlich erregt beim Anblick des Götzendienstes dieser Stadt. Auch lastete die Sorge um die Thessalonicher auf ihm und er fürchtete, die Verfolgung könnte ihren Glauben erschüttert haben. Wie man aus dem ersten Brief an die Thessalonicher (Kapitel 2, 18) erkennen kann, war es die Verfolgung, die ihn hinderte, nach Thessalonich zurückzukehren, aber Gott benützt die Wirksamkeit des Teufels oft zum Wohle der Seinen. Hätte der Apostel nach Thessalonich gehen und ihnen mündlich sagen können, was er ihnen dann in den Briefen schrieb, hätten wir von seinen Belehrungen keinen Nutzen gehabt. So aber ergab sich daraus ein Segen, den die Heiligen durch alle Jahrhunderte hindurch genießen konnten. Da es ihm versagt war, nach Thessalonich zu gehen, sandte er Timotheus dahin.

Verse 16 bis 21

Während also Paulus auf die Ankunft seiner Mitarbeiter wartete, sah «er die Stadt voll von Götzenbildern». Sein Geist war erregt bei dem Gedanken, was der Mensch aus dem Gott gemacht hatte, dem er, Paulus, diente und den er gemäß Seiner Offenbarung in Christo kannte. Von der Liebe Christi gedrängt, begann der Apostel, wie überall so auch hier, zuerst zu den Juden in der Synagoge zu reden, dann aber auch zu denen, die Gott dienten, also zu Heiden, die das Judentum angenommen hatten. Auf dem Markte aber begegnete er noch anderen Leuten und zwar epikuräischen Philosophen. Diese lehrten, das Vergnügen sei des Menschen höchstes Gut; man müsse alles tun, um es zu erlangen, könne es aber nur in der Pflege des Geistes und in der Ausübung der Tugend finden. Außer ihnen waren auch stoische Philosophen anwesend, Jünger des Zeno, der das höchste Gut nur darin sah, dem Verstand zu gehorchen, unberührt von den äußeren Umständen. Diese alle griffen die Dinge an, die der Apostel verkündete; sie hielten Jesum für eine fremde Gottheit und die Auferstehung für eine Torheit. Der menschliche Geist kann sich nicht bis zur Höhe der Gedanken Gottes erheben: er versucht, sie seinem begrenzten Verstand anzupassen, aber: «da ist keiner, der verständig sei» (Röm. 3,11) und: «der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit» (1. Kor. 2, 14). Das Fleisch widersetzt sich instinktiv der Wahrheit Gottes; denn es wird dadurch verurteilt. Diese Philosophen, bei denen nur die Neugierde erwacht war, führten Paulus zum Areopag, da sie die neue, ihnen eigentümlich erscheinende Lehre kennen lernen wollten. Die Athener gingen mehr auf Neuigkeiten als auf Wahrheit aus. Sie, oder die Menschen, die sich in Athen aufhielten, «brachten ihre Zeit mit nichts anderem zu, als etwas neues zu sagen und zu hören.» Das Wort Gottes gibt uns zu verstehen, daß die Gründe, die die Athener veranlassten, Paulus anzuhören, unbedeutend waren; es verurteilt auch ihre Faulheit und ihren Müßiggang.

Heute müssen wir gegen all das Neue, das in der Christenheit auftaucht, in Abwehrbereitschaft stehen; im allgemeinen handelt es sich um fremde Lehren, die den natürlichen Menschen ansprechen und die Seelen verwirren. – Auch im Dienste des Wortes sollen wir nicht das Neue suchen. Gewiß, Gott kann Wahrheiten ans Licht bringen, die der großen Mehrzahl in der Christenheit unbekannt sind. Aber uns Zuhörern sollte es bei der Darbietung des Wortes darum zu tun sein, unsere Wege und unseren Wandel mit den Gedanken Gottes immer mehr in Übereinstimmung zu bringen und die gesegnete Person des Herrn immer besser kennen zu lernen.

Verse 22 bis 31

Paulus wusste die gebotene Gelegenheit in der Macht und Weisheit des Heiligen Geistes auszunützen. Er legte jenen Menschen nicht das Evangelium der Gnade vor, wie er es gegenüber den Juden tat, denen er Jesum als den Christus verkündigte. Er begegnete diesen Leuten, die sich so weise und verständig dünkten, auf dem Boden, auf dem sie standen: sie waren wohl der Meinung, dass ein höchster Gott existieren müsse; aber Er war ihnen unbekannt und sie hatten Ihn durch die Götzen ersetzt, hinter denen sich Dämonen verbargen.

Der Apostel verband die Wahrheit, die er ihnen vorstellte, mit dem, was er unter den Gegenständen ihrer Verehrung gesehen hatte. Einer ihrer Altäre war «dem unbekannten Gott» geweiht; und dieser Altar war ein offensichtliches Eingeständnis ihrer Unwissenheit über den allein wahren Gott und Seine Gnade. Ihre so viel gerühmte Weisheit hatte ihnen dabei nichts genützt. Ach, durch «die Weisheit der Weisen», die «Weisheit der Welt» kann die Welt Gott nicht erkennen (1. Kor. 1, 21). Paulus verkündete ihnen nun den wahren Gott, den sie, ohne Ihn zu kennen, verehrten.

In jedem Menschen und bei allen Völkern lebt der Gedanke an einen höchsten Gott. Dieses Bewusstsein bleibt bestehen, trotz allen Anstrengungen des Feindes, dem menschlichen Herzen und Geist die Kenntnis des wahren Gottes, dem der Mensch verantwortlich ist, zu verhüllen. Die Art und Weise, wie Paulus seine Rede begann und wie er seine Worte den Umständen seiner Zuhörer anpasste, ist nachahmenswert, und wir sollten sie uns zunutze machen, wenn wir den Menschen die Wahrheit vorstellen. Stehen wir unter der Leitung des Geistes Gottes, so wird Er uns immer zeigen, wie wir mit Takt und Weisheit die Wahrheit ungeteilt und ungeschmälert so darbieten können, daß sie von den Menschen in ihren verschiedenen Umständen und Herzenszuständen verstanden werden kann und Eingang findet.

«Männer von Athen», sagte er zu ihnen, «ich sehe, dass ihr in jeder Beziehung den Göttern sehr ergeben seid. Denn als ich umherging und die Gegenstände eurer Verehrung betrachtete, fand ich auch einen Altar, an welchem die Aufschrift war: Dem unbekannten Gott. Den ihr nun, ohne ihn zu kennen, verehret, diesen verkündige ich euch» (Vers 23). Der Apostel stellte also zuerst fest, daß die Athener dem Dienste der Götter sehr ergeben waren, und dass sie auch «den unbekannten Gott» unter diese eingereiht hatten. Ohne sich dessen bewusst zu sein, galt ihr Eifer den Dämonen, die sich hinter den Göttern verbargen. Dann führte Paulus seine Zuhörer zu dem Zeugnis der Schöpfung, das so deutlich ist, daß es dem Menschen eine große Verantwortung gegenüber dem Schöpfer-Gott auferlegt (Röm. 1, 18-32).

Dieser Gott, den sie ehrten, ohne Ihn zu kennen, ist der, welcher die Welt erschaffen hat und alles, was in ihr ist; Er ist der Gott des Himmels und der Erde. Er wohnt nicht in Tempeln, die von Händen gemacht sind. Er ist nicht von Seinen Geschöpfen abhängig, vielmehr gibt Er ihnen allen den Odem des Lebens. Er hat die verschiedenen Menschenrassen aus einem Blute gemacht und ihnen die ganze Erde zur Wohnung gegeben. Er hat die Länge der verschiedenen Zeitepochen festgesetzt. Er bestimmt die verordneten Zeiten und die Grenzen der Wohnung jeder Nation (5. Mose 32, 8). Gott ist unsichtbar, aber der Mensch findet Ihn in Seinen Werken: «Denn das Unsichtbare von ihm, sowohl seine ewige Kraft, als auch seine Göttlichkeit, die von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden, wird geschaut, damit sie ohne Entschuldigung seien» (Röm. 1, 19-20). Der Mensch lebt durch den Odem Gottes, der ihn zu einer lebendigen und – im Hinblick auf ihre Lebensdauer – unsterblichen Seele gemacht hat. Er ist von der Kraft Gottes umgeben, der ihn in Seinem Bilde, nach Seinem Gleichnis schuf, ihn mit einem hohen Verstand ausgestattet und ihn zum Haupt der Schöpfung gemacht hat. Der Ausspruch des griechischen Dichters: «Denn wir sind auch sein Geschlecht» entsprach also in gewissem Sinne der Wahrheit.

Wenn der Mensch Gottes Geschlecht ist, wie kann er dann nur versuchen, die Gottheit durch stoffliche Dinge darzustellen, die niedriger sind als der Mensch selbst und Ihm eine Form und einen Ausdruck zu geben, die nur Produkte seiner Einbildungskraft sind? Jesaja beschreibt diese Verirrung im 44. Kapitel seines Buches.

Gott hat in den Zeiten der Unwissenheit der Menschen viel Geduld gezeigt. Er stellte sie verschiedentlich auf die Probe, ohne sie ins Gericht zu bringen. Und bevor Er Seine Gerichte über ein derart schuldiges Geschlecht kommen lässt, benützt Er Seine Macht, um allen Menschen in Gnaden zu gebieten, «dass sie alle allenthalben Buße tun sollen, weil er einen Tag gesetzt hat, an welchem er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat allen den Beweis davon gegeben, indem er ihn auferweckt hat aus den Toten» (Vers 30-31).

Es besteht viel Ähnlichkeit zwischen dieser Rede und dem schon erwähnten ersten Kapitel des Römerbriefes. Dort sagt der Apostel: «Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit in Ungerechtigkeit besitzen» (Vers 18). Dieser Zorn war während der früheren Zeitalter der Unwissenheit nicht geoffenbart worden; jetzt aber, seit dem Kreuz, wissen die Menschen, woran sie sind. Gott hat in Seiner Gnade jedoch ein Mittel genannt, durch das sie dem kommenden Gericht entrinnen können: Er gebietet ihnen, Buße zu tun. Der Apostel beschreibt hier nicht die Gnade, die den reuigen Sünder vor dem Gericht bewahrt; er ließ seine Zuhörer vielmehr unter der Wirkung der Wahrheit des allein wahren Gottes und des unausbleiblichen Gerichtes, das der Herr Selbst vollziehen wird. Aber dieses Gericht kommt erst, nachdem Gott grundsätzlich alle Menschen allenthalben zur Buße aufgerufen hat, wodurch sie diesem Gericht entfliehen können, das nach göttlicher Gerechtigkeit und von dem Jesus vollzogen werden wird, den die Menschen gekreuzigt haben. Christi Auferstehung ist der sichere Beweis dafür, daß Er der von Gott bestimmte Richter des Erdkreises ist. «Er hat ihm Gewalt gegeben, auch Gericht zu halten, weil er des Menschen Sohn ist» (Joh. 5, 22-27). Die Lehre vom «freien Willen des Menschen», womit behauptet wird, es stehe den Menschen frei, zu glauben oder nicht zu glauben, läuft dem Gebot Gottes, dass «alle allenthalben Buße tun sollen», zuwider. Wenn Gott etwas gebietet, ist man dann frei, zu gehorchen oder nicht zu gehorchen? Wer also dem Evangelium nicht glaubt, ist ein Ungehorsamer (Joh. 3, 36; 2. Thess. 1, 8; 1. Petr. 3, 1 u. a.). Wer etwas, worin er völlige Freiheit hat, es zu tun oder zu lassen, nicht tut, ist nicht ungehorsam.


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