«Halte fest, was du hast»

«Halte fest, was du hast»

Offb. 3,7-13

Diese Ermahnung hat der Herr persönlich an die Versammlung in Philadelphia gerichtet. Es war für sie von höchster Bedeutung, dieser Aufforderung Folge zu leisten, denn der Herr fügte hinzu: «Auf dass niemand deine Krone nehme».

Welche örtliche Versammlung, die sich vom Herrn geliebt weiß und die diese Liebe auch erwidern möchte, wird eine Krone, die der Herr ihr geschenkt oder zugedacht hat, leichthin aufs Spiel setzen? Und wenn der Herr schon vor mehr als 1800 Jahren Philadelphia zurief: «Ich komme bald!», mit welcher Wachsamkeit sollten erst wir unsern geliebten Herrn erwarten. Das erfordert nicht nur vorübergehenden Eifer, sondern wirkliches Ausharren.

Angesichts der nahen Wiederkunft des Herrn bestand die Verantwortlichkeit dieser Versammlung darin, das treu festzuhalten, was sie nach Seiner eigenen Aussage besaß. Hierin wurde ihre Treue erprobt.

Was war es eigentlich, das Philadelphia «hatte» und «festhalten» sollte?
Sie hatte eine kleine Kraft.

Gerade um ihrer «kleinen Kraft» willen wurde diese Versammlung, wie es scheint, von den Juden gering geachtet. Doch nimmt sie der Herr deutlich in Schutz und verurteilt die Synagoge, die Er sogar eine Synagoge Satans nennt.
Sie hatte «Sein Wort», das ganze Wort Gottes, bewahrt.

Sie hatte den Namen ihres Herrn nicht verleugnet. Es ist bezeichnend für den guten Zustand der Versammlung in Philadelphia, dass hier alles in Beziehung zum Herrn gebracht wird. Wir lesen: «Mein Wort», «meinen Namen», «das Wort meines Ausharrens».

Sie hatte bis dahin das Wort Seines Ausharrens bewahrt und war also in der wachsamen Erwartung ihres Herrn treu gewesen.

Sie bewahrte sich sorgfältig vor dem verderblichen Einfluss des Judentums.
Dieser Einfluss war von Anfang an für die Christenheit eine gefährliche Schlinge, in welcher sie sich leider weitgehend gefangen nehmen ließ. Mit tiefem Schmerz müssen wir feststellen, dass die Einrichtungen und Gebräuche, ja selbst die Lehren der weitaus größten Teile der bekennenden Christenheit, dies heute noch bestätigen.

In der Anrede der Sendschreiben stellt sich der Herr einer jeden Versammlung in verschiedenartiger Weise vor, entsprechend dem Zustande, den Er bei einer jeden wahrnimmt. An Philadelphia ergeht die Botschaft: «Dieses sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel des David hat, der da öffnet und niemand wird schließen, und schließt, und niemand wird öffnen» (Offb. 3,7). Der Zustand dieser Versammlung stand im Einklang mit diesen Charakterzügen des Herrn. Sie wandelte in Absonderung von jeder Ungerechtigkeit und hielt die Wahrheit des Wortes Gottes fest. So konnte der Herr ihr auch Seine Schätze auftun. Diese Getreuen hatten ein gutes Maß gottgemäßer Einsicht und Erkenntnis und wandelten auch dementsprechend.

Sollten sie denn alle diese kostbaren Gaben aus der Hand ihres Herrn nicht wertschätzen? War nicht gerade diese Wertschätzung für sie ein Ansporn, das festzuhalten, was sie hatten? Darin also bestand ihre Verantwortlichkeit gemäß der Aufforderung ihres Herrn.

Neben ihrer unmittelbaren Anwendung auf die sieben örtlichen Versammlungen, an welche der Herr sie richten ließ, haben die Sendschreiben auch eine prophetische Bedeutung. Sie vermitteln uns Sein Urteil über die verschiedenen Phasen des christlichen Zeugnisses auf dieser Erde. Der Mensch ist verantwortlich, das ihm von Gott anvertraute geistliche Gut in Treue zu verwalten. Die Offenbarung ist ein Buch der Gerichte, und daher wird in diesem Buche auch die Verantwortlichkeit des Menschen innerhalb des christlichen Zeugnisses beleuchtet und beurteilt. In diesem Gesamtbild beschreibt das Sendschreiben an Philadelphia die große Erweckung, die der Herr, in Seiner Treue zu Seiner Versammlung, in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bewirkte. Er selbst erweckte und rüstete Männer aus, die im Gehorsam zu Seinem Worte, in wahrer Gottesfurcht und in Absonderung von der Ungerechtigkeit zu wandeln bestrebt waren. Daher konnte Er ihr geistliches Verständnis erleuchten und ihnen durch den Heiligen Geist über viele kostbare Wahrheiten des Wortes Gottes Licht schenken.

Unser Herr selbst sagte vom Heiligen Geiste, den Er senden würde: «Jener, der Geist der Wahrheit, wird euch in die ganze Wahrheit leiten … Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinigen wird er empfangen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, ist mein; darum sagte ich, dass er von dem Meinigen empfängt und euch verkündigen wird» (Joh. 16,13-15). Wenn der Heilige Geist dies nicht tun kann, liegt die Ursache niemals bei Ihm, sondern sie ist nur im schlechten Zustande bei uns zu suchen. Anstatt uns mit all den Reichtümern Gottes und unseres Herrn beschäftigen zu können, muss Er sich mit unserm Zustand befassen, um uns zum Selbstgericht und zur inneren Wiederherstellung zu führen. Der Geist Gottes ist dann betrübt und wir erleiden Verlust.

Dies zeigt uns eindrücklich, wie wichtig es ist, in Übereinstimmung mit dem Herrn zu wandeln, der immer der Heilige und Wahrhaftige ist. Nur auf einem solchen Wege können wir, ähnlich wie die Versammlung in Philadelphia, von Ihm gesegnet werden. Die Gläubigen zur Zeit der Erweckung des letzten Jahrhunderts hätten niemals so viel Segen und gottgemäße Erkenntnis empfangen, wenn ihr Herz nicht zum Herrn hin gerichtet gewesen wäre und ihr Wandel nicht in Treue, Gehorsam und Absonderung von jeder Art des Bösen, den Gedanken des Herrn entsprochen hätte. Einzig auf diesem Pfade werden auch wir in unsern bösen Tagen den Segen genießen, und das Licht, die gute Erkenntnis, die der Herr damals gab, bis zu Seinem nahen Kommen zu bewahren vermögen.

Das Wort «halte fest, was du hast» bezieht sich also nicht nur auf ein «theoretisches» Festhalten all der Wahrheiten, die wir durch die Gnade des Herrn noch zur Verfügung haben, es fordert auch unsere Herzen auf, unsern inneren Zustand, unsere Wege, im Lichte des Sendschreibens an Philadelphia zu prüfen und einzurichten.

So wendet sich das Wort «halte fest, was du hast» auch in besonderer Weise an uns. Wir haben eine besondere Verantwortlichkeit, das kostbare Gut festzuhalten, das uns der Herr in Gnaden gegeben hat. Wir sind die natürlichen Erben, die Nutznießer des Lichtes, das der Herr zur Zeit der Erweckung des letzten Jahrhunderts Seiner Versammlung gegeben hat. Wenn sich seither auch mehrere Generationen abgelöst haben, so wurden doch die Wahrheiten, die jene treuen Männer wieder auf den Leuchter setzten, in den Versammlungen immer wieder verkündigt. Ebenso besitzen wir kostbare Schriften, selbst aus der Zeit des Anfangs der Erweckung, in welchen die Wahrheit klar und bestimmt dargelegt wird. Junge Brüder, die in Treue wandeln und in einer gottgemäßen Erkenntnis des Wortes Fortschritte zu machen wünschen, haben die Möglichkeit, in zuverlässigen Betrachtungen über das Wort gute Anleitung zu finden.

In weiten Teilen der bekennenden Christenheit vergessen wir nicht, dass die Sendschreiben das gesamte christliche Zeugnis beschreiben – würden wir vergeblich nach diesem Lichte suchen. Zum Beispiel: Viele Kinder Gottes, die in ganz katholischen Gebieten oder in Gegenden des griechisch-orthodoxen Glaubens aufgewachsen sind und leben, haben nie etwas anderes gehört und gelesen, als was durch die Kirche in jenen Gebieten gelehrt wird. Sie haben bezüglich der uns bekannten Wahrheiten keine Verantwortlichkeit. Der Herr gibt ihnen in den Sendschreiben an Pergamus und Thyatira, die im besonderen sie betreffen, andere Wegweisungen und Tröstungen, als wie Er sie uns gibt. Für uns, die wir diese Wahrheiten kennen oder kennen lernen können, stellt sich die Frage: Welchen Wert haben sie für unsere Herzen, welchen Einfluss üben sie auf unsere Wege aus? Sind sie uns kostbar? Suchen wir praktisch in ihrem Lichte zu wandeln? Vergessen wir ja nicht: «Jedem aber, dem viel gegeben ist – viel wird von ihm verlangt werden; und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man desto mehr fordern» (Luk. 12,48).

Lasst uns in der Erkenntnis und im praktischen Wandel das festhalten, was wir von unserem Herrn empfangen durften! Es sei uns stets bewusst, dass jeder, der mit dem Lichte in Berührung kommt und dadurch Einsicht erhalten kann, eine besondere Verantwortung trägt, und dass seine Treue erprobt wird! An ihn richtet sich daher das Wort: «Halte fest, was du hast, auf dass niemand deine Krone nehme!»

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