Der abhängige Mensch – Eine Betrachtung von Psalm 16

Der abhängige Mensch –
Eine Betrachtung von Psalm 16

In einem andern Teil der Heiligen Schrift wird uns der Herr hauptsächlich als ein «Mann der Schmerzen» beschrieben. In diesem Psalm aber sehen wir Ihn vor allem als den «abhängigen Menschen», so, wie Ihn die Umstände Seines irdischen Lebens offenbaren. Die beiden besonderen Charakterzüge des göttlichen Lebens in einem Menschen auf der Erde sind immer Abhängigkeit und Gehorsam. So hat der Herr Jesus auf Seiner ganzen irdischen Laufbahn das göttliche Leben in Vollkommenheit und immer in diesen beiden Wesenszügen, Abhängigkeit und Gehorsam, geoffenbart.

Aus dem zweiten Kapitel der Apostelgeschichte wird es deutlich, dass sich Psalm 16 auf Jesum bezieht. Petrus zitiert einige Verse daraus und wendet sie auf Jesum an: «Denn David sagt über ihn: Ich sah den Herrn allezeit vor mir; denn er ist zu meiner Rechten, auf dass ich nicht wanke. Darum freute sich mein Herz, und meine Zunge frohlockte; ja, auch mein Fleisch wird in Hoffnung ruhen; denn du wirst meine Seele nicht im Hades zurücklassen, noch zugeben, dass dein Frommer Verwesung sehe. Du hast mir kundgetan Wege des Lebens; du wirst mich mit Freude erfüllen mit deinem Angesicht» (V. 25-28).

In den Versen 34 und 35 führt der Apostel den 110. Psalm an und verbindet ihn mit Psalm 16. Das ist sehr interessant und kostbar. Wir werden später den Grund dafür sehen.

Der 16. Psalm zeigt uns das in Christo geoffenbarte göttliche Leben in seiner ganzen Fülle und Vollkommenheit, und ich wünschte nur, liebe Freunde, dass das, was in Christo so vollkommen zur Darstellung kam, sich auch in uns auswirken möge, jeden Tag mehr. Es ist sehr nützlich und heilsam für uns, zu betrachten, wie der Herr Seinen Weg durch die Wüste, auf dem auch wir zu wandern haben, durchschreitet.

Dieser Psalm spricht nicht von den Umständen des Weges. Wir sind sehr geneigt, uns mit ihnen zu beschäftigen. Hier sehen wir nur, wie Gott in Seiner Gnade den Umständen stets zu begegnen weiß, welcher Art sie auch sein mögen.
Jeder Vers dieses Psalmes enthält einen besonderen Gedanken. Der Inhalt des ersten Verses ist Abhängigkeit, Vertrauen. Lasst uns einen Augenblick diesen Gegenstand betrachten.

Abhängigkeit

«Bewahre mich, o Gott, denn ich vertraue auf dich!»
Hier kommt kein Selbstvertrauen zum Vorschein, nur völliges Vertrauen im HERRN. Der Blick ist auf Ihn gerichtet, um bewahrt zu werden. Kann eine Seele, die ihr Vertrauen in dieser Weise auf Gott setzt, je fallen? Nein, niemals. Die Seele, die sich vor dem Fallen fürchtet, und sich deshalb Gott anvertraut, wird bewahrt. Im Augenblick, wo wir aufhören, uns zu fürchten, fallen wir. Aber solange in unsern Herzen diese Furcht vorhanden ist, findet sich auch Abhängigkeit von Gott darin vor, der uns bewahrt. Der in diesem Psalm vorherrschende Gedanke ist Abhängigkeit.

Der Gläubige erscheint hier wie eine Efeupflanze, die sich an die Eiche klammert und an ihr hinaufwächst. Man hat noch kein Efeu gesehen, das sich aus eigener Kraft zu erheben vermocht hätte, ohne sich dabei auf irgend etwas zu stützen. Es steigt und steigt, indem es seine Würzelchen in die Rinde der Eiche eingräbt, deren starke Wurzeln tief im Boden verankert sind. Es ist, wie wenn dieses Efeu in seiner einfachen Sprache sagen wollte: Ich kann mich nicht um Daumeslänge erheben, ohne gestützt zu werden.

Es handelt sich in diesem Vers nicht nur um das Vertrauen in den Herrn bezüglich des Heiles, sondern um einen dauernden Zustand der Seele. Wenn dieses Vertrauen wirklich in uns lebt, wenn Gott alles ist für uns (für Christum war Er alles) und die Seele dazu gelangt ist, völlig in Gott zu ruhen, was wird dann die notwendige Folge sein?

Unterwürfigkeit

Unterwürfigkeit ist folglich der Gedanke vom 2. Vers. «Meine Seele, du hast zum HERRN gesagt: »Du bist mein Herr; es gibt für mich nichts Gutes außer dir!» Wie konnte dieser Ausspruch auf Christum Anwendung finden? War Er denn nicht Gott? War Er nicht eins mit dem Vater? Gewiss, Er war es. Aber dieser Psalm spricht in einem anderen Sinne von Ihm. Er wird hier nicht als Gott, sondern als Mensch, im Abhängigkeitsverhältnis zu Gott, betrachtet. Er, der von Ewigkeit her Gott war, ist Mensch geworden. Er hat Seine erste Stellung, was ihre äußere Entfaltung betrifft, verlassen, um Gott zu verherrlichen, und um für uns zu sterben. Die höchste Vollkommenheit in einem Geschöpf ist die, dass es seine erste Stellung bewahrt. Der Abfall besteht im Verlassen der Stellung, in welche uns Gott gesetzt hat. Beim zweiten Menschen aber war das Verlassen der ersten Stellung nicht Abfall, sondern Vollkommenheit. Der erste Adam suchte sich zu erheben und er fiel; der letzte Adam hat sich erniedrigt, und Gott hat Ihn über alles erhoben. Weil Er, der Gott war, herniedergestiegen ist, um Mensch zu werden, ja noch mehr, um sich bis zum Tode am Kreuze zu erniedrigen, hat Gott Ihn hoch erhoben und Ihm einen Namen gegeben, der über jeden Namen ist.
Als Christus Mensch wurde, sagte Er: «Du bist der Herr; meine Güte reicht nicht hinauf zu dir.» Er war Mensch auf der Erde, der Knecht Gottes. Ein Jüngling hat sich einmal Jesu genaht und Ihn «guter Meister» genannt. Er sah in Jesus nur einen Menschen. Das erklärt die Antwort des Herrn; «Niemand ist gut, als nur Einer, Gott» (Markus 10,18). Abhängigkeit und Unterwürfigkeit führen zur…

Gemeinschaft

Vers 3 spricht in bemerkenswerter Weise von Gemeinschaft. «Die Heiligen, die auf Erden sind, sie sind die Edlen, an denen ich all mein Wohlgefallen habe.». Wenn es auf Erden solche gibt, an welchen Gott Sein Wohlgefallen findet, dann will sich Jesus zu ihnen halten.

In Matth. 3,17 finden wir das Wort: «An ihnen ist alle meine Lust» in einer geschichtlichen Begebenheit verwirklicht: «Dann kommt Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, um von ihm getauft zu werden. Johannes aber wehrte ihm und sprach: Ich habe nötig, von dir getauft zu werden, und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt so sein; denn also gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.» Also gebührt es uns! – welche Gnade! Christus, der wahre Hirte, sieht den Weg, den die Schafe gegangen sind und sagt: Ich gehe mit ihnen. Er weiß sehr wohl, wie Gott denkt über die Handlung, welcher sich der abgesonderte Überrest, an welchem Gott Sein Wohlgefallen hat, jetzt unterzieht, und Christus macht sich eins mit diesem Überrest. Sie waren getauft worden und hatten dabei ihre Sünden bekannt. Christus musste keine Sünden bekennen, wir wissen es, aber ihr Bußbekenntnis gefiel Gott, und Jesus sagte: Ich will mit ihnen sein und mich mit ihnen einsmachen. Das göttliche Leben in Christo, das auch am Werke war in dem gottesfürchtigen Überrest, veranlasste Ihn, sich mit ihnen zu verbinden. Er hat Lust, sich denen anzuschließen, die begreifen, welches die Rechte Gottes sind, und die ihnen zu entsprechen suchen. Die Schafe sind ins Wasser getreten und der Hirte folgt ihnen. Wie unendlich groß ist doch Seine Barmherzigkeit!

Und diese Gnade des Meisters soll auch in uns wirksam sein. Sie macht sich eins mit den Heiligen Gottes in allen ihren Herzensübungen.

Wir haben die Abhängigkeit, die Unterwürfigkeit und die Gemeinschaft mit den Gedanken Gottes betrachtet, die sich im Leben der Gläubigen kundgeben. Nun kommt die…

Treue

Wir finden sie im 4. Vers. Sie tritt uns im Leben Christi auf eine so vollkommene Weise entgegen. «Zahlreich werden die Schmerzen derer sein, die einem anderen Gott nacheilen; an ihren Trankopfern von Blut will ich mich nicht beteiligen, noch ihre Namen auf meine Lippen nehmen!»

Die Masse des Volkes gab sich dem Götzendienst hin. Christus hat sich mit denen verbunden, deren Taten gerecht waren vor Gott. Und Er sagt dann: Ich gehe nicht mit denen, die einem andern Gott nacheilen. Für Ihn besitzt nur das Wert, was gottgemäß ist. Er will sich mit nichts anderem verbinden. Er hat die Empfindung für das, was göttlich wahr ist; Er weiß, was Gott gebührt und Er sagt: Ich bin Ihm treu und will Ihm treu bleiben. Die verborgenen Quellen Seiner Seele sind für Gott. Geliebte! Wie sollten wir Christum nachahmen in dieser Treue. Wie wenig kennen wir sie! Der Herr möge uns geben, dass wir verstehen, was diese Treue Gott gegenüber bedeutet.

Das Teil der Seele

Der 5. Vers spricht von unserem Teil: «Der HERR ist mein Erbteil und das Teil meines Bechers; du sicherst mir mein Los.»
Es gibt drei Dinge in diesem Vers: das Erbe, der Becher und das Los. Aber sie sind zusammengefasst in dem einen Wort: das Teil. Gottist das Teil Christi; das unsrige ist der Vater und der Sohn.

Was besitzen wir inmitten der Mühen dieses Lebens? Wir haben Gott, den lebendigen Gott, der unser Vater ist. Gott ist «das Teil», Gott selber. In diesem Vers spricht der Herr als ein wahrer Priester, und es gibt auch für uns keinen wahren Gottesdienst, bis wir bei diesem Punkt angelangt sind. Weshalb wahrer Priester? Weil Er dem Priester entspricht, der in 4. Mose 18,20 beschrieben wird: «Und der HERR sprach zu Aaron: In ihrem Land sollst du nichts erben, auch kein Teil unter ihnen haben; denn ich bin dein Teil und dein Erbe inmitten der Kinder Israels!»

Der Priester sagt: Ich habe kein Erbteil hienieden. Was besitzt er denn? Gott, nur Gott. Ist das genug? Christus hat volles Genüge an diesem Teil. Er bekennt: Ich habe ein schönes Erbteil, ich habe Gott. Würdest du dich glücklich schätzen, wenn du eine Rente von Hunderttausend besäßest? Mir ist es lieber, Gott zu besitzen. Möchtest du deine Umstände ändern? Nein, sagt der wahre Priester, ich habe Gott.

In der ewigen Herrlichkeit Gottes wird dir Gott genügen. Gott allein. Gott auf immer. Ist Er dir nicht auch genug für die Reise? Der wahre Heilige sagt hier: «Gott ist das Teil meines Erbes.»

Für die Wüste haben wir einen Becher und für die Ewigkeit ein Erbteil. Das Erbteil ist etwas Bleibendes. Der Becher enthält das, was wir für die Reise brauchen.

«Der Kelch, den der Vater mir gegeben hat, soll ich den nicht trinken?» sprach Jesus zu Petrus. Da wird vielleicht jemand sagen: So könnte ich nicht sprechen; ich weiß eben nicht, was in meinem Kelche ist. Das stimmt. Aber welche Hand hat ihn zu meinen Lippen gebracht? Welche Hand hat jeden Tropfen darin für mich zubereitet?

Wenn der Gläubige in wahrer Abhängigkeit von Gott lebt, empfängt er alles unmittelbar von Gott. Sein Herz betrachtet Gott, nicht die Umstände, die Er zugelassen hat. Das Fleisch setzt die Umstände zwischen das Herz und Gott. Der Glaube aber setzt Gott zwischen die Umstände und das Herz; er sieht Ihn in allen Dingen, in allem, was kommen mag.

Du erhältst mein Los. Er sagt: «Du erhältst es», nicht: «Du änderst es». Christus nahm alles, was an Ihn herantrat, aus der Hand der vollkommenen Liebe entgegen. Sein Pfad war ein Pfad der Schmerzen und Sein Kelch ein Kelch der Bitterkeit, vom Anfang bis zum Ende. Äußerlich betrachtet war das Leben des Herrn Jesus überaus traurig, und Er blieb ohne wahren Gefährten hienieden. Wie jemand gesagt hat: «Kein menschlicher Zuspruch ermunterte Jesus auf Seinem Pfade, und Sein rauher Weg wurde immer schmerzensreicher, immer einsamer und endete hienieden an der Schädelstätte, auf dem Kreuz!» Er wurde geboren in der Krippe des einen, begraben in der Gruft eines andern, verraten durch den einen, verleugnet durch einen andern, unverstanden von allen. Gibt es eine traurigere Laufbahn als diese?

Befriedigung

Was sagt Er selbst dazu? Er spricht von tiefer Befriedigung! «Die Messschnüre sind mir in einer lieblichen Gegend gefallen, ja, mir wurde ein schönes Erbe zuteil.» Die Gemeinschaft mit Gott in allen Augenblicken Seines Lebens hienieden, das waren die lieblichen Örter, die Ihm zugefallen sind.

Ein schönes Erbteil ist mir geworden, sagt Er. Siehe da, eine Seele, die in Gott Selber ihre Befriedigung gefunden hat! Und wir, sind wir immer zufrieden? Gibt es nicht in unsern Umständen und in unserem Los so oft irgend etwas, das wir ändern möchten? Erscheint uns der Wüstenpfad nicht manchmal so dunkel und traurig, der Weg so schwierig? Ist denn nicht Gott in allem? Ist nicht Er es, der da herrscht? O, dass wir doch zufrieden wären, zufrieden mit Gott selbst! Jesus Christus fand in Gott Seine volle Befriedigung und Wonne, auf dem ganzen Wege.

Anbetung und Rat

Der 7. Vers spricht von Anbetung und Rat. «Ich lobe den HERRN, der mir Rat gegeben hat; auch in der Nacht mahnt mich mein Inneres.» So redet der wahre Priester, der sein Teil in Gott findet und Ihn preist.

In Matthäus 11, als alles finster schien um Ihn herum, hören wir den Herrn sagen: «Ich preise dich, Vater» (Matth. 11,25). Und auch in Johannes 11,41 ruft Er aus: «Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich aber wusste, dass du mich allezeit erhörst.» Seine Quelle, sein Teil war in Gott. Und in Jesaja 50,4 hören wir Ihn sagen: «GOTT, der Herr, hat mir die Zunge eines Jüngers gegeben, damit ich den Müden mit einem Wort zu erquicken wisse. Er weckt Morgen für Morgen, ja, er weckt mir das Ohr, damit ich höre, wie Jünger hören»

Wenn der Herr meinem Herzen allezeit nahe ist, so wird dieser Geist der Anbetung darin aufrechterhalten, und Fr ist dann auch mein Ratgeber, wie es in Ps. 73,24 heisst: «Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich danach in Herrlichkeit auf!» In 2. Mose 33,13 bittet Mose: «Lass mich doch deinen Weg wissen.» Warum sagt er nicht, lass mich einen Weg erkennen? Weil das Mose nicht genügte. Ein Weg, dachte er, könnte mein Weg sein.

«Gott – sein Weg ist vollkommen», ruft der Gläubige in Ps. 18,30 aus und fügt im 32. Vers hinzu: «Er macht meinen Weg vollkommen.»

In Ps. 32,8 sagt Gott: «Ich will dich unterweisen und dich lehren den Weg, den du wandeln sollst; mein Auge auf dich richtend, will ich dir raten.» Mit andern Worten will das sagen: Ich habe dir einen Weg vorgezeichnet, der durch den traurigen Schauplatz dieser Welt, durch die Umstände der Wüste hindurchführt, wo der Eigenwille wirken will und du gewiss in der Irre gingest, wenn du nicht in Meiner Abhängigkeit wandeltest. Gott will unser Berater sein.

«Des Nachts unterweisen mich meine Nieren.» Was will das wohl sagen? Ich glaube, es gibt eine Empfindung dafür, was geziemend ist vor dem Herrn, einen Instinkt des göttlichen Lebens im Christen. Gott handelt durch Seinen Geist und gibt dem Gläubigen auf seinem Wege die Empfindung für das, was gottgemäß ist. «Der geistliche Mensch beurteilt alles.»

Hingabe und Vertrauen

Der 8. Vers zeigt uns die Hingabe des «Frommen». «Ich habe den HERRN allezeit vor Augen; weil er zu meiner Rechten ist, wanke ich nicht.»

Wir haben den «Frommen» soeben als Anbeter gesehen, der auch Rat empfängt auf dem Wege, und jetzt finden wir zwei weitere Dinge bei Ihm: Hingabe und Vertrauen.

Wenn wir unsere eigene Geschichte schrieben, was müssten wir dann sagen? Ich habe Gott manchmal vor mich gestellt, vielleicht nur selten. Manchmal haben wir jemand anders vor uns gestellt, aber am meisten uns selber.

Er aber sagt: «Ich habe den HERRN allezeit vor Augen.» Er hat nichts vor Seinem Geiste, als nur Gott, den Herrn. Das war Hingabe. «Siehe, ich komme… um deinen Willen, o Gott, zu tun» (Hebr. 10,7). «Meine Speise ist, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat und Sein Werk vollbringe» (Joh. 4,34).

Und ferner hat Er auch Vertrauen. «Weil er zu meiner Rechten ist, wanke ich nicht»

Es ist für Gott eine Wonne, sich auf die Seite Dessen zu stellen, der ganz einfach auf Ihn vertraut. Gott sagt: Wenn ihr Mich immer vor euch habt, werde Ich ganz nahe bei euch sein. Ich werde Mich euch zur Seite stellen: Ich werde mich so nahe wie möglich zu euch halten. Warum stellt sich der Herr zu unserer Rechten hin? Damit wir unsere Hand in die Seine legen können und so von Ihm aufrecht gehalten werden. «Deine Rechte stützte mich» (Ps. 18,35) und «du hast mich erfasst bei meiner rechten Hand» (Ps. 73,23). Welches sichere Resultat ergibt sich daraus? Was wird Gott gegenüber dem abhängigen, vollkommenen Menschen, der da sagt: «Ich habe Gott stets vor mich gestellt», anderes tun, als zu ihm sagen:
«Setze dich zu meiner Rechten»! Und so lesen wir von Ihm: «Nachdem er durch sich selbst die Reinigung der Sünden bewirkt, sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe.» «Zu welchem der Engel hat er je gesagt: Setze dich zu meiner Rechten?» (Hebr. 1,3,13). Wir haben einen solchen Hohenpriester, der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln» (8,1). «Er aber, nachdem er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht, hat sich auf immerdar gesetzt zur Rechten Gottes» (10,12). «Welcher, der Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes» (12,2).

So führte der Pfad des Menschen Jesus Christus, der auf der Erde stets Gott vor sich gestellt und Ihn zu Seiner Rechten hatte, in die Herrlichkeit, zur Rechten der Majestät in den Himmeln. Das also ist der Grund für die so bemerkenswerte Verbindung des 110. Psalmes mit dem 16. Psalm in der Rede Petri (Apostelg. 2).

Freude

Nun kommen wir zum 9. Vers, der uns die Freude des «Frommen» zeigt, beim Anblick dessen, was Ihm bevorsteht. «Darum freut sich mein Herz, und meine Seele frohlockt; auch mein Fleisch wird sicher ruhen»
«…der um der vor ihm liegenden Freude willen das Kreuz erduldete und dabei die Schande für nichts achtete, und der sich zur Rechten des Thrones Gottes gesetzt hat.» (Hebr. 12,2).

Gewissheit

Im 10. Vers haben wir die Gewissheit in der Gegenwart des Todes: «denn du wirst meine Seele nicht dem Totenreich preisgeben und wirst nicht zulassen, dass dein Getreuer die Verwesung sieht.»
Er, der sich auf der Erde in so vollkommener Weise als der «Fromme» ausgewiesen hat, kann sogar mit völliger Gewissheit in den Tod gehen, und auch der Gläubige nach Ihm.

Er, Christus, kannte die Verwesung nicht. 1. Korinther 15 zeigt uns die Seite des Gläubigen: «Dieses Verwesliche muss Unverweslichkeit anziehen.»

Er war so heilig, dass, als Er nach einem Pfade der Gnade und des Gehorsams durch den Tod gehen musste, es nicht anders sein konnte, als dass Gott Ihn auferweckte, um Ihn zu Sich in die Herrlichkeit zu erheben.
Zum Abschluss finden wir im 11. Vers…

Die Vereinigung mit Gott in der Herrlichkeit

«Du wirst mir den Weg des Lebens zeigen; vor deinem Angesicht sind Freuden in Fülle, liebliches Wesen zu deiner Rechten ewiglich!»
Gott selbst, die Vereinigung mit Ihm ist die Fülle Seiner Freude. Er hatte Gott als Sein Teil auf der Erde; und, einst zu Seiner Rechten, wird Er ewig die Vereinigung mit Ihm genießen.

Dieser Psalm zeigt uns also das göttliche Leben in der Laufbahn eines Menschen hienieden. Zuerst finden wir Abhängigkeit, dann Unterwürfigkeit, Gemeinschaft, Treue, Gott als das Teil der Seele, Befriedigung, Anbetung und Rat, Hingabe und Vertrauen, Freude, Gewissheit angesichts des Todes, und schließlich die Vereinigung mit Gott in der Herrlichkeit.

Der Herr bewahre uns und gebe uns Gnade, mehr und mehr in den Fußspuren unseres geliebten Meisters voranzugehen, aus Liebe zu Ihm und zur Verherrlichung Seines Namens.

Erniedrigung
Je mehr wir den Herrn in Seiner Erniedrigung betrachten, desto größer wird Er unsern Herzen. Und je mehr wir uns erniedrigen, desto größer werden wir in Seinen Augen.

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