Entmutigung im Dienst
(1. Könige 17-19)
Wenn wir im Worte Gottes nach einem Beispiel der Entmutigung suchen, so kommt uns vor allem «Elia unter dem Ginsterstrauch» in den Sinn.
Aber das ist nicht alles, was wir von Elia wissen. Um entmutigt werden zu können, müssen wir zuerst mutig gewesen sein. Und gerade im Leben Elias finden wir zahlreiche Beweise eines außergewöhnlichen Mutes.
Das Auftreten dieses Propheten fiel in eine dunkle Zeit. Ahab regierte über Israel und «tat, was böse war in den Augen Gottes». «Er tat mehr, um den Gott Israels zu reizen, als alle Könige von Israel, die vor ihm gewesen waren». – Isebel, sein gewissenloses Weib, war wie eine lebendige Verkörperung des Bösen und spornte ihn an zu rückhaltlosem Götzendienst und jeder Gesetzlosigkeit. – Das Volk Israel selbst «hinkte auf beiden Seiten». Mit dem einen Fuß wandelte es in gewissen äußeren Formen des Gesetzes Gottes, mit dem anderen Fuß aber folgte es dem schändlichen Ahab nach und seinen Baalim, die es küsste. – Von den Propheten Gottes waren nur hundert übriggeblieben und lebten irgendwo in Höhlen versteckt. Elia hatte in ihnen keine Hilfe. Das war die Welt, in der Elia wirken musste. Wohin sein Auge blickte: nur niederdrückende Tatsachen! Doch nein, es gab einen Ort, wo Elia große Ermunterung fand: das Heiligtum Gottes. Hier hielt er sich auf in der Kraft des Geistes Gottes. Die Geschichte dieses Propheten beginnt mit dem Ausruf: «…Gott lebt, der Gott Israels, vor dessen Angesicht ich stehe» (1. Könige 17,1). Das war also seine verborgene Kraft. Von diesem Ort her kam dem Elia, der ein Mensch war «von gleichen Gemütsbewegungen wie wir» (Jak. 5,17), der beispielhafte Mut und die große Energie zu seinen Taten. (Siehe auch Kap. 18,15).
In dieser Energie begehrte er als Knecht Gottes sich von Ihm als Werkzeug gebrauchen zu lassen zur Wiederherstellung des Volkes Israel. In seinem Herzen war kein Raum für Worte wie: «Es nützt ja doch alles nichts!» – «Da ist alle Mühe vergeblich!» – «Man kann höchstens das wenige Gute, das noch vorhanden ist, konservieren!»
Nichts von alledem! In Treue richtete er die Aufträge Gottes aus, aber nicht nur wie ein Knecht, der gehorchen muss, auch wenn er die Anordnungen seines Herrn nicht versteht. Die Gemeinschaft mit den Gedanken Gottes, der Eifer für Seine Sache und der kraftvolle Mut ließen ihn aktiv werden: «Er betete ernstlich, dass es nicht regnen möge». Und weil diese Züchtigung nach dem Willen Gottes war, um das Volk heimzusuchen, so regnete es nicht auf der Erde «drei Jahre und sechs Monate». Und wiederum betete Elia, «und der Himmel gab Regen, und die Erde brachte ihre Frucht hervor» (Jak. 5,17.18).
Und wie ist im Hinblick auf das Verhalten Elias die Szene am Berge Karmel (Kap. 18) so erfrischend! Dieser Mut, diese Energie zur Wiederherstellung des Volkes, dieses Rechnen mit der Gegenwart Gottes, dieser Eifer in der Absonderung vom Bösen, als Folge der inneren Absonderung für Gott! Und Elia bewegte sich auf diesem Schauplatz als einer, der sich auf keinen der Anwesenden verlassen konnte, und der sich dessen bewusst war!
Und dann kam die Entmutigung dieses treuen Dieners des Herrn! Es geschah, nachdem Gott dem Volke auf eine so eindrückliche Weise Seine unveränderliche Macht und Größe gezeigt und ihm bewiesen hatte, dass Er allein «Gott ist». Es geschah, nachdem sämtliche Propheten des Baal und der Aschera, die in Israel gewesen waren, am Bache Kison ihr Ende gefunden hatten.
Es blieb dem Auge Elias eben nicht verborgen, dass es dem Volke mit dem Ausruf: «HERR, er ist Gott! HERR, er ist Gott!» nicht ernst war. Es schien ihm, als ob alle wie von einem Volksfest zu ihrem alten Leben heimgekehrt wären. Da war keine Buße, keine Sinnesänderung, kein Zittern vor dem lebendigen Gott und Seinem Worte zu sehen! Die Lektion, die das Volk hätte beherzigen sollen, war doch so gut vorbereitet gewesen durch die jahrelange Dürre, hatte einen so glänzenden Abschluß gefunden am Karmel, und nun dieses Ergebnis! (Wären Anzeichen der Umkehr sichtbar geworden, hätte der Prophet auf dem Horeb wohl nicht die Anklage gegen das Volk vor Gott erhoben. Kap. 19,10 und 14). Können wir Elia begreifen, wenn nun in seinem Herzen Gedanken der Mutlosigkeit Platz griffen? «Was hat mein Dienst noch für einen Wert? Ich habe mein Bestes getan und nichts ausgerichtet, zu was bin ich noch hier?»
Als dann in solche Gedanken hinein noch der Bote Isebels kam: «…Morgen, um diese Zeit wird dein Leben dem Leben der Baalspropheten gleichgemacht!» da war es aus mit seiner Fassung. Da stand er nicht mehr «vor dem Angesicht Gottes». Die Wolke seiner Enttäuschung und der böse Schatten der drohenden Königin waren zwischen Gott und ihn getreten. «Er sah» nur noch dieses alles und ging fort in die Wüste, um seines Lebens willen.
Liebe Geschwister, alle, denen die Ehre Gottes, das Wohl der Seinen, der Zustand Seines Volkes und das christliche Zeugnis auf der Erde am Herzen liegen: Kennen nicht auch wir solche Stunden und Tage der Entmutigung? Gibt es doch viel Niederdrückendes: Das Wort der Belehrung und Ermahnung wird oft so wenig abgenommen. Unser Bemühen zeitigt so wenig Frucht. Die Welt hat die Dämme durchbrochen und scheint das ganze christliche Zeugnis überfluten zu wollen. Dass wir dieser und jener Seele so manches Mal, unter Aufwand von Zeit und Kraft, zu dienen gesucht haben, war scheinbar ohne Nutzen. Es kommt uns alles so schwach vor, so aussichtslos! So zwecklos erscheint unser Dienst! Sind uns solche und ähnliche Gedanken fremd?
Beachten wir nun, wie Gott Seinen entmutigten Knecht aufrichtet: Ein Engel berührt ihn und weckt ihn unter dem Ginsterstrauch auf: «Stehe auf, iss!» Da lag zu seinen Häupten ein Kuchen, und ein Krug Wasser stand dabei, beides von Gott. Elia stand auf, aß und trank unter wiederholtem Aufruf bis zur Sättigung und ging in der Kraft dieser Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis an den Berg Gottes, den Horeb.
Hast du nicht bei allem eifrigen Dienen vielleicht vergessen, für die Bedürfnisse deiner eigenen Seele vom Himmelsbrot zu essen, und zwar bis zur Sättigung? Wie kann uns der «Geist der Liebe, der Kraft und der Besonnenheit» im Dienste beleben, wenn wir Ihm nicht erlauben, uns durch das Wort Gottes Speise darzureichen, die uns bis an den «Berg Gottes» führt, zu der Liebe Gottes und zur Kostbarkeit des Namens Jesu hin? Wie kann uns die Kraft des Geistes im Dienst stärken, wenn wir Seine erste, so überaus wichtige Hilfeleistung nicht in Anspruch nehmen?
Am Berge Gottes empfing Elia weitere Belehrungen. Wie lauteten die Worte, die er hier vor Gott aussprach? «Ich habe sehr geeifert für den HERRN… Ich bin allein übrig geblieben!» – die andern aber «haben deinen Bund verlassen, deine Altäre niedergerissen und deine Propheten mit dem Schwerte getötet!» – Eine Lobrede auf sich selbst – eine Anklage gegen das Volk! Lässt das nicht darauf schließen, dass ein guter Teil der Entmutigung Elias auf die eigene Person zurückzuführen war? Dass der geringe Erfolg seiner Mission ihn auch deshalb so sehr schmerzte, weil es für ihn selber eine Demütigung war? Sonst wäre er wohl in weiterem Flehen für das Volk eingestanden vor Gott und hätte es nicht angeklagt.
Der weitere Verlauf der Geschichte Elias zeigt, dass er sich gedemütigt hat und mit sich selbst zu Ende gekommen ist. – Sind auch wir für uns selbst und in unserem Dienst an diesem Ende angelangt? Wie so mancher Grund zur Entmutigung fällt dort weg! Gott war nicht in dem Sturme, nicht im Erdbeben und nicht im Feuer. Er erschien Elia im leisen Säuseln der Gnade. In dieser Gnade hatte sich Gott in jener Zeit des Abfalls «siebentausend in Israel übriggelassen, alle die Knie, die sich nicht vor dem Baal gebeugt haben!» Von diesem verborgenen Wirken hatte Elia nichts gewusst. – So wird sich Gott in Seiner wunderbaren Gnade auch in unsern Tagen des Niedergangs, da wo wir es nicht erwarteten, eine Zahl solcher «übriglassen» können, die sich für Ihn absondern und Ihm von ganzem Herzen dienen.
Elia ist nicht unter dem Ginsterstrauch entschlafen, wie er es sich in seiner Entmutigung erbat. Gott hatte Größeres im Sinn. Sein treuer Diener durfte auf feurigem Wagen und mit Rossen von Feuer in den Himmel einziehen! – Wie sind doch die Gedanken Gottes in Seiner Güte so viel höher als unsere Gedanken!
Als Elia Jahrhunderte später mit Mose von der Herrlichkeit her auf dem «heiligen Berge» erschien, um mit Jesu «den Ausgang zu besprechen, den Er in Jerusalem nehmen sollte», da waren drei Personen beieinander, die sich zu verschiedenen Zeiten als Knechte Gottes um dasselbe widerspenstige und hartnäckige Volk gemüht hatten. Und es drängt sich uns ein Vergleich auf: Auch der Herr Jesus, der Sohn Gottes, der freiwillig Knechtsgestalt angenommen hat, hatte in Seinem Dienste überaus schmerzliche Erfahrungen gemacht, die Ihm Anlass gaben zu ergreifenden Klagen: «Ich aber sprach: Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt; doch mein Recht ist bei Gott und mein Lohn bei meinem Gott» (Jes. 49,4). – «Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Kücklein versammelt, und ihr habt nicht gewollt!» (Matth. 23,37). – Aber nie ist Er unbrauchbar gewesen im Dienst, weder durch Entmutigung, noch durch das Suchen eigener Ehre. Er diente Gott, von Herzen und in vollkommenem Gehorsam. Durch nichts ließ Er sich davon abbringen! Nie wurde Er irre in Seiner Liebe zu dem Volke und den Menschen. Als ihr Hass das Höchstmaß erreichte, da hat Er das größte Opfer gebracht, das eigene Leben für sie hingegeben!
Möchten wir Ihm doch auch als Diener mehr und mehr ähnlich werden: «Betrachtet den, der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, auf dass ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet!» (Heb. 12,3).