Die wohlriechenden Gewürze des Heiligtums

Die wohlriechenden Gewürze
des Heiligtums

Wie ist doch der Wohlgeruch des Namens Jesu so wunderbar! Er ist ein Wohlgeruch zum Leben denen, die für das Leben ausersehen sind. Dieser Wohlgeruch kann mit dem Räucherwerk, das im Heiligtum der Stiftshütte oder des Tempels auf dem goldenen Altar verbrannt wurde, verglichen werden, oder mit dem kostbaren Duft, der aus der Räucherpfanne emporstieg. Er ist wie das wohlriechende Salböl, das über den Altar und über die Anbeter ausgegossen wurde. Er gleicht all diesen Mischungen, die nach der Kunst des Salbenmischers zusammengesetzt waren.

Der Wohlgeruch dieses Namens steigt ununterbrochen zu Gott empor und erfreut Sein Herz. Er erfreut auch unsere Herzen, wenn wir durch den Glauben ins Heiligtum eintreten. Gott gebe uns, dass wir Sinn und Bedeutung der wohlriechenden Gewürze, die in der Heiligen Schrift erwähnt sind, besser kennen lernen; sie sind Vorbilder vieler herrlicher Eigenschaften, die unsern Herrn auszeichnen. Dann werden wir besser im Stande sein, überall den Wohlgeruch Christi zu verbreiten. Dann werden wir auch, gleich wirklichen Priestern, zur Freude des Herzens unseres Gottes und Vaters den Wohlgeruch dieses Namens vor Ihn bringen.

Dieser tiefe Wunsch veranlasst uns, den vorliegenden Aufsatz zu veröffentlichen und die Aufmerksamkeit der Leser auf die Bedeutung der verschiedenen wohlriechenden Gewürze hinzulenken. Wir möchten ihre Herzen dadurch mit der Vortrefflichkeit Dessen beschäftigen, welcher mit Seiner Herrlichkeit Himmel und Erde erfüllt. Lassen wir uns ja nicht abhalten, die Dinge zu erforschen, die unter der mosaischen Haushaltung verordnet wurden. Das würde uns nur Verlust eintragen. Die Erforschung dieser Verordnungen ist zwar nicht immer leicht. Auch besteht die Gefahr, dass wir mit eigenen Gedanken oder in menschlicher Weisheit diese herrlichen Geheimnisse auszulegen suchen. Vergessen wir nicht, dass Gott diese kostbaren Schätze vor den Weisen und Verständigen verbirgt und sie nur den Unmündigen offenbart! Es wurde schon oft betont, dass die Heilige Schrift sich selbst erklärt, dass wir in ihr selbst auf alle Fragen, welche sich im Laufe des Studiums stellen, eine Antwort finden können. Wenn Gott sich eines Bildes oder eines Gleichnisses bedient, um uns Seine Gedanken verständlich zu machen, so wird uns in erster Linie die Betrachtung des darin enthaltenen Hauptgegenstandes zur richtigen Erkenntnis der Bilder führen.

Die Heilige Schrift erwähnt im ganzen zwölf wohlriechende Gewürze. Eine ausführliche Betrachtung derselben würde hier zu viel Raum beanspruchen. Wir werden nur versuchen, zu erklären, was diese Gewürze überhaupt sind und welche symbolische Bedeutung sie haben. Lasst uns bedenken, dass wir uns auch hier vor der Unendlichkeit der Gedanken Gottes befinden!

Alle diese zwölf wohlriechenden Gewürze stellen uns ohne Ausnahme Christum vor. Sie helfen uns, die Vortrefflichkeit zu erkennen, in welcher Er vor Gott, Seinem Vater, und auch vor den Herzen der Seinen steht. Das Gewürz, welches in der Heiligen Schrift zuerst und am häufigsten erwähnt wird, ist:

Die Myrrhe

Was in 1. Mose 37,25 Balsamharz genannt wird, ist gleichbedeutend mit Myrrhe. Myrrhe ist der Saft eines Strauches. Sie quillt entweder selbst aus der Rinde oder rinnt gleich Tränen aus einer verwundeten Stelle. Sie trocknet an der Luft ein und wird zu einem Harz. Dieses Harz ist von sehr bitterem Geschmack, verbreitet aber einen angenehmen Duft. Fließt der Saft von selbst aus dem Strauche, wird er «von selbst ausgeflossene» oder «fließende Myrrhe» genannt (2. Mose 30,23 und Hohelied 5,5). Die Myrrhe ist ein Vorbild des Wohlgeruchs des Namens Jesu, in Verbindung mit Seinen vielen Leiden. Dieser Wohlgeruch stieg zum Throne Gottes empor, als Er in dieser Welt der «Mann der Schmerzen» war. Seine Vollkommenheit erglänzte inmitten der Tränen, die Er weinte, unter den Schlägen, die Er erhielt und unter den Misshandlungen, die Ihm zugefügt wurden. Welche Genugtuung und Freude für das Herz Gottes, die ganze Vollkommenheit Jesu während der Ihm auferlegten, tiefen Leiden zu betrachten, als Er Stunde um Stunde in der Hingabe und im Vertrauen zu Gott verharrte! Diese Leiden waren für den Herrn bitter, wie der Geschmack der Myrrhe; aber aus denselben stieg ein köstlicher Wohlgeruch zu Gott empor.

Joseph von Arimathia und Nikodemus wickelten den Leib Jesu in leinene Tücher mit den Spezereien, einer Mischung von Myrrhe und Aloe bei hundert Pfund. So wurde dieser heilige Leib in die neue Gruft gelegt, welche noch nie mit der Verwesung in Berührung gekommen war. Und jetzt kam nur Wohlgeruch daraus hervor.

Von selbst ausgeflossene Myrrhe ist das erste von den ausgezeichneten, wohlriechenden Gewürzen, welche für das heilige Salböl verwendet wurden. Mit diesem heiligen Öle wurden das Heiligtum, alle seine Geräte und auch die Priester gesalbt. Es ist ein Bild des Heiligen Geistes, welcher im Hause Gottes allen Anbetern über Christum, der gelitten hat, Zeugnis gibt. Die Leiden des Christus bilden die Grundlage all unserer Segnung und der Erfüllung aller Ratschlüsse Gottes. Beim Hineinschauen in diese tiefen Geheimnisse fühlen wir, dass wir heiliges Land betreten, und es drängt uns, Ihm zu huldigen und Ihn anzubeten. Christus hat gelitten! Dies wird der ewige Gegenstand des Lobes der Erlösten sein. Durch die Leiden des Christus wurde Gott in höchstem Maße verherrlicht.

Der Herr wird bald in Majestät und Pracht erscheinen. Er wird Seinen Thron der Herrlichkeit einnehmen. Myrrhe, Aloe und Kassia werden an jenem Tage Seine Kleider sein (Ps. 45,8). Unter andern Wohlgerüchen wird ihnen also der Duft der Myrrhe entströmen. Das Hohelied erwähnt die Myrrhe oft. Auch die Magier aus dem Morgenlande opferten Dem, der auf Golgatha leiden sollte, Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Der Leser möge nun selbst in stiller Andacht über die sinnbildliche Bedeutung dieser Myrrhe nachdenken. Die Mühe lohnt sich. Wir werden in Ewigkeit Den anbeten, der sogar auf Seinem Throne die Wundenmale tragen wird, die Ihm im Hause derer, die Ihn lieben, geschlagen wurden.

Die Myrrhe war ohne Zweifel das vornehmste wohlriechende Gewürz des Heiligtums.

In 2. Mose 30, wo der goldene Räucheraltar, das heilige Salböl und das Räucherwerk aufgezählt sind, wird auch ein zweites Gewürz erwähnt:

Der würzige Zimmet

Der Zimmetbaum ist ein sehr schöner Baum mit stets glänzend grünen Blättern. Ihm entströmt ein Wohlgeruch, der sich weithin verbreitet. Aus seiner Rinde wird der Zimmet gewonnen, der bei der Zusammensetzung des heiligen Salböls erwähnt wird. Dieses Gewürz wird in 2. Mose 30,23 und Hohelied 4,14 genannt. Gott will den Gläubigen durch dieses Symbol wiederum eine der kostbaren Eigenschaften Jesu zeigen, dessen Name ein ausgegossenes Salböl ist. Von Ihm, dem vollkommenen Menschen auf dieser Erde, stieg ein duftender Wohlgeruch zum Throne Gottes empor. Gott fand an Ihm, der inmitten einer Welt lebte, in welcher durch die Sünde alles verdorben war, Sein ganzes Wohlgefallen. Wir haben hier nicht den leidenden Christus vor uns, sondern die Schönheit des Menschen Jesus Christus, die Vollkommenheit Seines Wesens, die Vortrefflichkeit Seiner Person.

Weil Er vollkommen war, stieg der Heilige Geist in Gestalt einer Taube, dem Bilde des Friedens, auf Ihn hernieder. Die himmlischen Heerscharen konnten Ihn bewundern, und der Vater zeugte von Ihm: «Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe» (Matth. 3,17). Jesus konnte, nachdem Er in die Tiefen des Todes hinabgestiegen war, als Mensch zum Himmel auffahren. Wo wäre in der ganzen Welt und in all den Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte sonst noch ein Mensch mit solchen Eigenschaften zu finden? O, Herr Jesus! Der Wohlgeruch Deines Namens erfüllt das Heiligtum, erfreut das Herz Gottes und beglückt hienieden schon das Herz der Deinigen!

Das Würzrohr

Das Würzrohr ist das dritte Gewürz, welches in der Zusammenstellung des heiligen Salböls vorhanden sein musste (siehe 2. Mose 30,23). In Jeremia 6,20 wird es «das gute Würzrohr aus fernem Lande» genannt. Es verbreitet einen angenehmen Geruch, vor allem seine Wurzel. Das Innere dieser Wurzel ist rosafarbenes Mark, welches in der Herstellung von Parfums Verwendung findet. Der Wohlgeruch dieses Gewürzes war den Orientalen schon früh bekannt. Das Wort «Rohr» erinnert uns an die bekannte Stelle in Lukas 7,24, welche Johannes, den Täufer, betrifft: «Was seid ihr in die Wüste hinausgegangen zu sehen? Ein Rohr, vom Winde hin und her bewegt?» Das Rohr ist also ein deutliches Bild vom Menschen in seiner Nichtigkeit: Er ist ein armseliges Wesen, das vom leisesten Windhauch hin und her bewegt wird, dessen Haupt sich unter der kleinsten Widerwärtigkeit zur Erde beugt.

Das Würzrohr ist ein kostbares Vorbild, das wir besser bewundern als erklären können. Wir sehen darin Strahlen der Herrlichkeit Dessen, der, obwohl vollkommener Mensch ohne jede Sünde, doch inmitten sündiger Menschen zu wandeln hatte. Er begegnete dem Widerstand des Fürsten der Gewalt der Luft und seiner Agenten. Er wurde erniedrigt und verachtet. Er musste flehen: «Bewahre mich, Gott, denn ich traue auf dich!» (Psalm 16,1). Inmitten all des Widerstandes, dem Er begegnete, hörte Er nicht auf, den köstlichen Geruch des vollkommenen Menschen, des «guten Würzrohres» ausströmen zu lassen. Je mehr Widerstand und Hass Ihm begegneten, desto mehr Wohlgeruch stieg zu Gott empor. Nicht nur war ihm auf dem stürmischen See der Wind entgegen, Er war auch immer der unversöhnlichen Gegnerschaft einer gottfeindlichen Welt ausgesetzt. Doch diente dieser Wind nur dazu, den gesegneten Wohlgeruch Seines Namens weithin zu verbreiten. In 2. Mose 30,23 werden Zimmet und Würzrohr zusammen erwähnt und in Hohelied 4,14 paarweise aufgeführt. Diese Feststellung ist bedeutungsvoll. In 2. Mose 30,23 vereinigen sich eigentlich die beiden zu einem einzigen Gewürz; denn Zimmet und Würzrohr machen zusammen das Gewicht von fünfhundert Sekeln aus, also gleichviel wie das Gewicht jedes einzelnen der übrigen Gewürze. Wie wir gesehen haben, ist der würzige Zimmet das Symbol der vollkommenen Menschheit Christi. Diese Vollkommenheit war es, welche den Widerstand und den Hass der sündigen und bösen Menschen auf sich zog, auf welche das Würzrohr hindeutet. Der scharfe Wind der Prüfung verbreitete diesen Wohlgeruch weithin. Wie sich das Würzrohr im Boden festwurzelt, so war auch Jesus als Mensch im Worte Gottes fest gegründet. Es war Seine Wonne und Seine einzige Richtschnur in allen Lagen.

Zur Bereitung des heiligen Salböls war noch ein viertes Gewürz erforderlich, nämlich:

Kassia

Die Botaniker sagen uns, dass Kassia die Frucht eines schönen und großen Baumes sei. Es überrascht uns nicht; denn alles, was von Christo spricht, muss doch schön und groß sein. Schon im Altertum war Kassia ein gesuchtes Gewürz. Aber auch Gott hat es zu einem der wohlriechenden Gewürze Seines Heiligtums ausersehen, als Ausdruck einer Eigenschaft Seines geliebten Sohnes. Die folgenden drei Stellen mögen zeigen, welche besondere Seite der Herrlichkeit Christi uns durch dieses Gewürz vorgebildet wird. In 2. Mose 30,23 ist Kassia, wie schon erwähnt, ein Bestandteil des heiligen Salböls. Hiob 42,14 hingegen spricht von der außerordentlichen Schönheit der drei Töchter Hiobs. Der Name der zweiten Tochter war Kezia, was soviel wie Kassia bedeutet. So stellt uns Kassia Christum als Den vor, der die Schönheit selber ist. Die Kassia des Heiligtums war also nicht das Symbol des Wohlgeruchs eines leidenden und erniedrigten Christus, sondern eines Gesalbten, der in all Seiner Herrlichkeit und Schönheit kommen wird, wie Jesaja es ausgesprochen hat: «Deine Augen werden den König schauen in seiner Schönheit» (Jes. 33,17). So heißt es auch in der dritten Stelle, die von Kassia spricht, im 45. Psalm: «Myrrhen und Aloe, Kassia sind alle deine Kleider». Er wird auf herrlichem Wagen in Majestät und Pracht hinziehen, um Sein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens aufzurichten!

Lasst uns Ihn anbeten und uns vor Ihm niederwerfen! Er ist weit herrlicher als ein Joseph, vor welchem man ausrief: «Werfet euch nieder!» Wie kostbar in allen Teilen ist doch der Wohlgeruch des Namens Jesu!

Mit Kassia endigt die Liste der Gewürze für das heilige Salböl, welches über das irdische Heiligtum, ein Bild des wahrhaftigen Heiligtums, gesprengt wurde. Alle Geräte jenes Heiligtums wurden mit diesem kostbaren Öl gesalbt, wie auch Aaron und seine Söhne, die Priester. Für uns ist dieses Öl ein Vorbild von dem Zeugnis des Heiligen Geistes über das, was für Gott den Wohlgeruch Christi ausmacht. Dieser Wohlgeruch erfüllt das Heiligtum und setzt sich auf alle Dinge, die dort sind. Er ruht auch auf den Seinen, die an allen Orten den Wohlgeruch Seines Namens ausströmen lassen sollen.

Stakte (2. Mose 30,34)

Wenn wir die Bedeutung dieses Gewürzes zu ergründen suchen, so spüren wir die Feierlichkeit des Gegenstandes, mit dem wir es hier zu tun haben und die Heiligkeit des Ortes, in welchen wir nun eintreten.

Stakte ist einer der Wohlgerüche, welche nur in den Himmeln, in der Wohnung Gottes eingeatmet werden können. Sie steigen vom goldenen Altar zu Seinem Throne empor; sie entschweben dem goldenen Räucherfass und breiten sich gleich einer Wolke vor Ihm aus. Wie heilig ist dieser Ort! Welch gesegnete Sphäre! Glückselig die, welche in diesem Heiligtum wohnen! Dass wir uns durch den Glauben doch immer dort aufhielten, bis wir durch Jesum, den verherrlichten Menschen, auch dem Leibe nach dort eingeführt werden!

Stakte ist ein vorzügliches, doch sehr seltenes Gewürz. Wenn die fließende Myrrhe aus der Rinde des Balsamstrauches tropft und an die Luft tritt, verdichten sich die Tropfen. Doch verbleibt manchmal in ihrer Mitte eine flüssige Substanz. Lässt man diese Flüssigkeit austreten und austrocknen, so entsteht ein weißes Pulver, die Stakte.

Altgriechische Schreiber bezeichnen Stakte als eines der auserlesensten Gewürze. In der Heiligen Schrift ist sie ein Vorbild von dem, was in den Leiden Christi dem menschlichen Auge verborgen war. In diesen Tiefen sind Dinge, die Gott allein kennt, Vortrefflichkeiten die Er allein zu schätzen fähig ist, Wohlgerüche, die nur Fr wahrnehmen kann: der Wohlgeruch Christi für Gott.

Wir sind ganz und gar unfähig, zu begreifen, was im innersten Seines Wesens vor sich ging, als Er der Mann der Schmerzen war, das heilige Opferlamm, das den Mund nicht auftat, als es zur Schlachtung geführt wurde. Kein Sterbliches kann diese Dinge ergründen. Niemand ist fähig, den Wohlgeruch zu kennen, welcher ununterbrochen zu Gott emporstieg, als Übel bis zur Unzahl den Heiligen Gottes trafen und unsere Ungerechtigkeiten Ihn erreichten. Es ist somit unmöglich, das zu beschreiben, was im Grunde des Herzens dieser gesegneten Person vor sich ging, und das Wohlgefallen zu erfassen, das Gott an Seinem Leben fand, welches vor Ihm ein fortwährendes Opfer gewesen ist.

Das alles übersteigt jede menschliche Auffassungskraft. Um davon sprechen zu können, müssten wir die Herrlichkeiten des Vaterhauses kennen, in welchen Er sich von Ewigkeit her aufhielt. Wir müssten die tiefe Erniedrigung zu ergründen vermögen, zu welcher Er durch Seine Menschwerdung hinabstieg und was es für Ihn bedeutete, für uns in den kotigen Schlamm zu versinken, in welchem Er nirgends Fuß fassen konnte. Wir müssten auch die unaussprechliche Liebe des Vaters zu Ihm erkennen, deren Er sich von Ewigkeit her erfreut hatte, und daneben all den Hass der Welt, dessen Zielscheibe Er als Mensch gewesen ist. Wir müssten die Bangigkeit von Gethsemane, die Gottverlassenheit auf Golgatha, die Schrecken des Todes als Lohn der Sünde erlebt haben, um verstehen zu können, welche inneren Nöte Er erlitten haben muss. Man müsste Gott sein, um den Wert der Leiden dieses vollkommenen Menschen ermessen und den Wohlgeruch, der aus diesen Leiden vor den Thron Gottes emporgestiegen ist, richtig schätzen zu können. Der vortreffliche Wohlgeruch der Stakte erinnert uns an all diese Dinge.

Die Räuchermuschel (2. Mose 30,34)

Das ist das zweite Gewürz in der Zusammensetzung des Weihrauchs, der im Heiligtum dargebracht wurde. Es wird aus einer Muschel gewonnen, welche eine gewisse Ähnlichkeit hat mit dem Gehäuse der Purpurschnecke. Man findet sie in den Tiefen des Meeres, die besten jedoch im Roten Meer.

Es bedarf keiner langen Erklärungen, um die vorbildliche Bedeutung dieses Gewürzes zu verstehen. Einige Stellen aus dem Worte Gottes geben uns Klarheit darüber: «Rette mich, o Gott! denn die Wasser sind bis an die Seele gekommen. Ich bin versunken in tiefen Schlamm, und kein Grund ist da; in Wassertiefen bin ich gekommen und die Flut überströmt mich» (Psalm 69, l-2). «Tiefe ruft der Tiefe beim Brausen deiner Wassergüsse; alle deine Wogen und deine Wellen sind über mich hingegangen» (Psalm 42,7). «Er streckte seine Hand aus von der Höhe, er nahm mich, er zog mich aus großen Wassern» (Psalm 18,16).

Wir könnten noch mehr Stellen anführen, doch zeigen uns diese drei am deutlichsten, wie Christus die hohen Wogen und die tiefen Wasser des göttlichen Gerichtes über sich ergehen lassen musste. Aber selbst aus Seiner größten Not, aus Seinen tiefsten Leiden stieg der kostbare Wohlgeruch Seines Namens zu Gott empor. Jesus hat es übernommen, Seinen Gott und Vater völlig zu verherrlichen, da, wo wir Ihn verunehrt hatten. Seither steigt im Heiligtum die Erinnerung an das, was Er in Erfüllung dieser Aufgabe für Gott war, als Wohlgeruch zu Ihm empor. Der Wohlgeruch des Namens Jesu findet sich überall da, wo Sein Weg hindurchführte, selbst in den größten Tiefen.

Galban (2. Mose 30.34)

Galban ist der milchig weiße Saft einer Pflanze, welche auf Kalkboden wächst. Sein Geschmack ist scharf und er strömt einen unangenehmen Geruch aus. Doch mit andern Gewürzen zusammen ergibt sich ein herrlich duftendes Gemisch.

Das Vorhandensein von Galban unter den wohlriechenden Gewürzen des Heiligtums hat schon viele in Erstaunen gesetzt, und selbst in früher Zeit haben Schriftsteller darüber Vermutungen aufgestellt. Doch ist die Erklärung gar nicht so schwierig, wenn wir auf dem Boden der Heiligen Schrift bleiben.

2. Korinther 2,16 bezeichnet uns genau die Bedeutung dieses an sich üblen Geruchs. Es ist der Geruch des Namens Christi für den Ungläubigen. Für ihn ist es ein Geruch des Todes. Er sieht nichts Begehrenswertes an dem schönen Namen Jesus. Im Gegenteil, dieser hat für ihn einen unangenehmen, widerlichen Geruch. Sprich zu ihm von Jesu, und sofort wird er das Gespräch auf einen andern Gegenstand zu lenken suchen, oder sich daran ärgern. Doch, welch kostbares Geheimnis: Der Name Jesu, der dem Ungläubigen, gleich dem Geruch des Galbans, abstoßend erscheint, ist gerade der vorzügliche Wohlgeruch des Heiligtums Gottes. Er ist für die, welche errettet werden und durch einfältigen Glauben an Ihn dieses Leben besitzen, ein Geruch vom Leben zum Leben.

Weihrauch (2. Mose 30,34)

Gleich manchen anderen Gewürzen ist auch Weihrauch der Saft einer kalkliebenden Pflanze der warmen Länder. Er verbrennt mit weißer Flamme und verbreitet einen dichten weißen Rauch von angenehmem Geruch. Nur durch Verbrennung wird dieser Wohlgeruch frei. Oft fügt man dem Weihrauch andere Gewürze bei, um den Geruch zu verstärken oder leicht zu verändern.

Der Weihrauch des Heiligtums war, wie wir schon sahen, von besonderer Zusammensetzung. Zum eigentlichen Weihrauch kamen Stakte, Räuchermuschel und Galban, ein jedes Gewürz in gleichen Gewichtsteilen. Das Ganze wurde noch gesalzen.

Das Räucherwerk musste ganz fein zerstoßen und vor das Zeugnis ins Zelt der Zusammenkunft gelegt werden (2. Mose 30,36). Dieselbe Gewürzmischung wurde auch Morgen für Morgen und Abend für Abend beim Zurichten oder Anzünden der Lampen auf dem goldenen Räucheraltar vor dem Vorhang verbrannt. Mit ihm füllte der Priester auch seine beiden Hände und legte es auf die Kohlen des goldenen Weihrauchfasses, wenn er am großen Versöhnungstag ins Allerheiligste hineinging. Er war dann in eine Wolke lieblichen Geruchs gehüllt, welcher zu Gott emporstieg. So vermochte er vor Gott zu stehen.

Der Weihrauch musste immer mit Feuerkohlen, die man vom Brandopferaltar genommen hatte, entzündet werden: Der Wohlgeruch des Namens Jesu kann unmöglich von Seinem blutigen Opfer getrennt werden.

Der Weihrauch ist ein Bild der Fürbitte Christi für die Seinen. «Lass als Rauchwerk vor dir bestehen mein Gebet, die Erhebung meiner Hände als Abendopfer» (Psalm 141,2). Welch hohen Fürsprecher haben wir doch; wie unschätzbar wertvoll ist für uns die Ausübung dieses Seines Amtes vor Gott! Er steht dort für uns in dem vollen Wert Seiner vollkommenen Menschheit und Seines Opfers.

Wir fühlen hier wiederum unser Unvermögen, über solche Dinge zu schreiben. Sie sind uns zu hoch in unserm Zustand der Schwachheit. Doch haben wir das Vorrecht, uns allezeit durch Glauben im gesegneten Raum des Heiligtums aufzuhalten. Möchten wir doch stets dort weilen!

Außer den Gewürzen, die wir bisher besprochen haben, finden wir im Worte noch vier andere, welche weder im Salböl noch im Räucherwerk Verwendung fanden. Sie zeigen uns wiederum neue Seiten vom Wohlgeruch des Namens Jesu. Sie helfen uns verstehen, was Er für das Herz derjenigen ist, die Ihn lieben, im Gegensatz zu den bis jetzt betrachteten Gewürzen, die mehr auf das hinweisen, was Er für das Herz Gottes ist. Das bekannteste dieser vier ist gewiss:

Die Narde

Das, was sie besonders kennzeichnet, ist ihr hoher Kaufpreis und ihr alles durchdringender Duft. Die Stellen der Heiligen Schrift, in welchen dieses Gewürz erwähnt wird, sind von besonderer Schönheit. Denken wir nur an Joh. 12,1-3: «Jesus nun kam sechs Tage vor dem Passah nach Bethanien, wo Lazarus, der Gestorbene, war, welchen Jesus aus den Toten auferweckt hatte. Sie machten ihm nun daselbst ein Abendessen, und Martha diente; Lazarus aber war einer von denen, die mit ihm zu Tische lagen. Da nahm Maria ein Pfund Salbe von echter, sehr kostbarer Narde und salbte die Füße Jesu und trocknete seine Füße mit ihren Haaren. Das Haus aber wurde von dem Geruch der Salbe erfüllt.» Der Heilige Geist gibt uns hier eine einfache und doch so zu Herzen gehende Beschreibung einer lieblichen Szene in Bethanien. In einer Ihm feindlich gesinnten Welt hatte der verworfene König Herzen gefunden, die Ihn liebten. Das ganze Haus wurde dort vom Duft der Narde erfüllt. Es war wie ein Stück Himmel auf Erden, in welchem sie etwas von der glückseligen Ewigkeit, zu welcher alle Erlösten berufen sind, schmecken konnten. Lazarus war nicht mehr im Grabe; der Tod lag nur noch als Erinnerung hinter ihnen. Ein anderer Gegenstand erfüllte jetzt alle Herzen. Die wertvolle Narde war Maria nicht zu köstlich, als es galt, den verworfenen König zu ehren. – Gesegnete Stätte, wo sich die Liebe in einer solchen Fülle entfalten kann!

Safran

Safran finden wir in der Heiligen Schrift nur einmal, und zwar im Hohenlied, Kap. 4,14, wo es neben andern Gewürzen erwähnt wird. Der König ist hier in seinen verschlossenen Garten gekommen. Er allein kennt die Pflanzen, die darin wachsen und weiß sie nach ihrem wahren Wert zu schätzen.

Wir haben schon einmal festgestellt, dass die Gewürze in diesem Vers paarweise aufgezählt werden, und auch Narde und Safran sind zusammengestellt. Warum wohl? Wir lesen im 1. Kapitel des Hohenliedes: «Während der König an seiner Tafel war, gab meine Narde ihren Duft» (V. 12). Die Narde verherrlicht, wie wir gesehen haben, den von der Welt verworfenen König. Safran ist ein goldgelbes Pulver, welches uns an Seine goldene Krone denken lässt. Safran ist also das Symbol des demutsvollen, sanftmütigen Königs, welcher zwar von der Welt verworfen ist, aber von denen verehrt wird, die Ihn lieben und Ihm gehorchen. Narde und Safran sind Gewürze, welche Ihn ehren.

Aloe

In Johannes 19,39 wird erwähnt, dass Joseph von Arimathia und Nikodemus ein Gemisch von Myrrhe und Aloe bei hundert Pfund brachten. Sie nahmen den Leib Jesu, wickelten ihn in leinene Tücher mit den Spezereien und brachten ihn in eine neue Gruft, in welche noch nie jemand gelegt worden war. Myrrhe und Aloe ergaben zusammen den Duft, welcher aus dem Grabe des Herrn stieg. Es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle der Gottheit gewesen, in diesem Leibe, der keine Verwesung sehen sollte und den der Tod nicht zu behalten vermochte, zu wohnen. Myrrhe ist – wie wir gesehen haben – der Wohlgeruch, welcher aus Seinen Leiden emporstieg. Aloe aber ist ein Bild von dem Wohlgeruch, der Seinem Tode entströmte.

Diese beiden Gewürze, die wir hier beisammen finden, sind auch in Hohelied 4,14 miteinander verbunden.

Nach Psalm 45,8 sind die Kleider des Königs, wenn Er am Tage Seines Triumphes in all Seiner Herrlichkeit aus dem Palaste von Elfenbein hervortreten wird, gewürzt mit Myrrhe, Aloe und Kassia, zum Gedächtnis Seiner Leiden und Seines Todes.

Auch in 4. Mose 24,6 finden wir Aloebäume erwähnt. Sie sind dort ein Bild vom Ergebnis des Todes Christi. Das Volk Israel, von welchem Bileam spricht, wird dort in die gesegneten Resultate dieses Todes eingeführt. Und auch wir besitzen ein Leben, welches diesem Tode entspringt. Auch uns sollte der Wohlgeruch Seines Todes anhaften.

Zypertraube oder Henna (Hohelied 1,14)

Die Zypertraube ist eine weißgelbliche Blüte des zierlichen Hennastrauches. Diese Blüte hat die Form einer Traube. Sie verbreitet einen wohlriechenden Duft. Die Ägypterinnen binden diese Blumen zu kleinen Sträußchen und stecken sie in ihre Mieder, um sich zu parfümieren. Zudem diente der orangefarbene Saft dieser Pflanze als Schminkmittel.

«Eine Zypertraube ist mir mein Geliebter, in den Weinbergen von Engedi» (Hohelied 1,14). – Engedi war eine Stadt auf einem Plateau an der felsigen Westküste des Toten Meeres. Einer Oase gleich gediehen dort inmitten der Steinwüste Weinberge, Palmen und Balsamstauden – ein Geschenk des Herrn. Dieser Fleck Erde lag allen Menschen, die ihn kannten, am Herzen, auch am Herzen der Braut. Sie vergleicht den Bräutigam mit einer wohlriechenden Blume aus Engedi, das dem königlichen Stamme Juda als Erbteil zugefallen war. Die Weinberge dieses Ortes sind hier ein Sinnbild der Freude, die der König der Herrlichkeit gebracht hat. Der Geliebte ist da in all Seiner Schönheit und Heiligkeit, und der Wohlgeruch Seines Namens erfüllt die Herzen all der Seinen.

Die schöne und duftende Zypertraube ist also ein Bild dieses Königs der Herrlichkeit, und der Wohlgeruch dieser Blume spricht zum Herzen der Seinen von der Vortrefflichkeit Seiner Person.


Wir haben im Verlaufe unserer Betrachtungen festgestellt, dass wir in der Schrift drei Gruppen von Wohlgerüchen finden, jede aus vier Gewürzen zusammengesetzt.

1. Das Öl der heiligen Salbung:

Es war aus Myrrhe, Zimmet, Würzrohr und Kassia zusammengesetzt. Es wurde über die Stiftshütte und alle ihre Geräte gesprengt. Auch das Haupt Aarons und seiner Söhne wurde mit diesem heiligen Öle gesalbt. Es ist für uns ein Bild vom Wohlgeruch des Namens Jesu, von welchem der Heilige Geist im Hause Gottes und in den Seinigen Zeugnis gibt.

2. Das Räucherwerk:

Es war aus duftenden Drogen: Stakte, Räuchermuschel, Galban und Weihrauch, zusammengesetzt und durfte nur im Heiligtum verwendet werden. Dieses Räucherwerk ist ein Vorbild von Christo, als dem Fürsprecher für die Seinigen in der Gegenwart Gottes, und zwar in der ganzen Vortrefflichkeit Seiner Person und in der Vollkommenheit Seines Werkes.

3. Die Wohlgerüche, welche Christus in Seinem Garten, das heisst bei den Seinen findet: Narde, Safran, Aloe und Zypertraube:

Die Gläubigen dürfen nach ihrem Maß Christus vor dieser Welt offenbar machen. Kinder Gottes hatten je und je das Vorrecht, für Christum zu leiden und sogar aus Liebe zu Seinem Namen ihr Leben zu lassen. Sie durften also auch den Duft von Myrrhe und Aloe verbreiten.


Gott möge diesen Aufsatz dazu dienen lassen, dass wir zu einem besseren Verständnis des vortrefflichen Wohlgeruchs des Namens Jesu gelangen. Kein anderer Name kann mit dem Seinen verglichen werden. Es sollte uns ein Anliegen sein, Seinen Wohlgeruch um uns her zu verbreiten und als wahre Priester im Heiligtum das reine und unvermischte Räucherwerk vor Gott emporsteigen zu lassen, das Sein Herz erfreut. Soll dies geschehen, müssen wir uns stets in der gesegneten Atmosphäre des Heiligtums aufhalten, die von dem Duft der besten wohlriechenden Gewürze gesättigt ist. Außerhalb des Heiligtums konnte der Wohlgeruch dieses Würzwerkes nirgends und bei keinem Menschen eingeatmet werden.

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